Der groþe Treck gen Cyberspace Die Technokultur der Westk¸ste An der Westk¸ste erreicht das Projekt der Moderne, geographisch gesehen, seine ”uþerste Grenze. Ðberquert man den Pazifik, kommt man vom Westen in den Osten. Dem Mythos der last frontier gelang es das gesamte 20.Jahrhundert hindurch, den nordamerikanischen Traum von unentdeckten Gebieten voranzutreiben. Mit dem Ende des Trecks gen Westen als geopolitischer Bewegung ist es den Nachk–mmlingen der Pioniere gelungen, die vitale Energie der Entdecker des Unbekannten in eine medienpolitische Bewegung zu transformieren. Coppolas Rumble Fish dokumentiert die klassische Interpretation des mythischen Schemas, indem Hollywood als Ort des Entkommens aus dem festgefahrenen Zug nach Westen dargestellt wird. Der filmische Raum war das Land der unbegrenzten M–glichkeiten, in welchem die Immigranten ihre Tr”ume n”hren konnten. Daþ Coppolas Film so von Nostalgie durchdrungen ist, kommt dadurch, daþ die traditionelle Cinematographie durch die H”nde der Computertechnik Silicon Valleys gelaufen ist, die neue electronic frontier. Will ein Hollywoodfilm noch weltweit Publikum anziehen, dann m¸ssen die special effects aus dem Computer stammen. Will man den klassischen weiþen psychologischen Komplex retten, ziehe man gen Norden, ins Seattle des Grunge oder in die Douglasien-W”lder von Twin Peaks. Hier treffen sich die Post-Europ”er, mit allen damit verbundenen katastrophalen Folgen. Im Nordwesten biegt man die Bewegung in eine ungewisse Zukunft zu den ewigen Ÿngsten und Begierden zur¸ck, welche die amerikanische Modernit”t aus Europa mitgenommen hatte. Die Authentizit”t, mit der man an der Grenze zu Kanada so sehr ringt, hebt sich kraþ vom aufgedrehten Enthusiasmus ab, mit dem die kalifornische Technokultur r¸cksichtslos das Unpluggen der letzten territorial gebundenen Wurzeln vorantreibt, um in jede neue Welt, die sich bietet, einzuziehen. Psychedelica, Underground, Body Culture, Virtual Reality, New Age, Multimedia, elektronische Musik: je k¸nstlicher, desto besser. St–þt man in L.A. oder San Francisco auf eine radikale Zusammenschaltung von K–rper und Technik, dann feiert man das dort auch so extrem wie m–glich. In der Buchhaltung der Bewuþtseinserweiterer kommen keine Verlustposten vor, man macht nur Gewinn. Die plastic gadgets, Pillen, Therapien, do-it-yourself-Handb¸cher werden nicht als Spekulationsgesch”fte betrachtet, sondern in die eigene Tradition der Erstlinge gestellt, die alles schon vor Jahrzehnten wuþten: Ken Kesey und die Merry Pranksters, die schon 1965 Houseparties veranstalteten, Morton Heiligs Sensorama von 1962 als Urmodell der VR, die psychedelischen Pilze, die schon im Neolitikum als bewuþtseinserweiterndes Mittel gebraucht wurden. Wenn man geographisch nicht mehr weiter kommt, sollte man sich nicht niederlassen, sondern die mentale Reise jenseits der "inner and outer limits of human experience" in die Gehirne und ihre Extensionen verlegen. Wo Planwagen und Auto stecken bleiben, f”hrt the mind einfach weiter. "Are you a transhuman?" Was anderswo eine spezialisierte Technik ist, in Laboratorien und Testgel”nden verschlossen, wird in Kalifornien in eine kulturelle Bewegung eingef¸gt, in welcher counterculture, vision”re Chaostheoretiker, Software-Giganten, Filmindustrielle, muscle beach boys, dopeheads, Verschw–rungstheoretiker, New Agers, Gentechnologen, K¸nstler, Neurophysiologen, Quantenmechaniker und ÷koaktivisten auf einer metaphysischen Ebene zusammenkommen. Hier geht es nicht um eine politische Koalition mit einem klaren Gegner. Was diese heterogenen Grenzg”nger zusammenbringt ist das Motto: Hauptsache es ist abgefahren genug. Die Technokultur hat Werkstattcharakter, in dem die verf¸gbaren Mittel unmittelbar in Betrieb genommen und auf den Markt gebracht werden. Nur die Zukunft ist interessant, Gegenwart und Vergangenheit sind obsolete Ideen. Der "edge of the planet" hat die Erde zum Raumschiff erkl”rt und die Basis verlassen. Die Westcoast ist keine Region unter anderen. Man macht nicht Teil einer reichschattierten global culture aus, man ist sie. Die Ideologie des multikulturellen Zusammenlebens muþ nicht verbreitet werden, da man sie selbst verk–rpert. F¸r die Beatgeneration gab es noch fremde L”nder, die einen Besuch wert waren. So reiste Burroughs fort in den S¸den: Mexiko, Kolumbien, Marokko. Ginsberg saþ im buddhistischen Asien und die gew–hnlichen beats gingen nach Indien. Wer in Amerika blieb, wie Kerouac, wurde Alkoholiker. Nach den siebziger Jahren verlor der Welt jedoch ihren letzten Rest von Anderssein und man konnte Zuhause bleiben, um alles zu erleben. Einen anderen Kontinent zu besuchen wurde f¸r Amerikaner ein Ausflug in die Geschichte. "Europe tries to be so modern, but the effort always sort of, well... flops. Germany is higher-tech than the inside of a CD player, but their platform toilets are like a torture devise out of the Inquisition. France has never heard of sunday shopping. And in Belgium I saw a nuclear tower with moss growing on its convex northern slope. Modern?" (Douglas Coupland) McLuhans Behauptung, daþ wir von einer schriftbasierten Kultur zu einem an Bildern orientierten global village ¸bergegangen sind, bildet die Grundlage des Optimismus der Technokultur. Im Gegensatz zu Lacan und Chomsky, die das Bewuþtsein f¸r sprachlich halten, betrachten die Vordenker der Westcoast den menschlichen Geist als eine Ansammlung interferierender und metamorphosierender Bilder. Die ganze Welt begreift die Bildsprache von Hollywood bis Cyberspace. Psychedeliker verstehen W–rter als Objekte, die von M¸ndern zu Ohren fliegen, Bilder also (Gottfried Benn wuþte das schon 1943: "Endogene Bilder sind die letzte uns gebliebene Erfahrbarkeit des Gl¸cks"). Die treibende Kraft hinter der Computerindustrie ist, die Bilder unter Kontrolle zu bekommen, damit sie in Realtime manipuliert, gespeichert und unter der gesamten Menschheit distribuiert werden k–nnen. Es geht dabei nicht nur darum, das Bildangebot stromlinienf–rmig zu machen. Das Geheimnis der Bilder liegt irgendwo in der Hirnschale gespeichert und die Maschinen sollen direkten Zugang zu dieser Schatzkammer vermitteln, ohne Umwege gebrauchen zu m¸ssen. Das ultimative Mensch-Maschine-Interface liefert Bilder nicht mehr auf einen Schirm, wir m¸ssen nicht mit unseren Augen schauen und sie interpretieren, um sie begreifen zu k–nnen. Das Versprechen ist, daþ wirkliche, nicht-symbolische Kommunikation m–glich ist, wenn Gehirne direkt aneinander angeschlossen werden. Es geht darum, direkten Einblick in den Bewuþtseinsinhalt voneinander zu bekommen. "The VR technology can be used to create a toolkit for the construction of objects made of visual language. These objects would be experienced in the VR mode as three-dimensional things; manifolds devoid of ordinary verbal ambiguity. VR may hold the possibility of an icon-based visual language that could be universally understood while being a much more wide spectrum in its portrayal of emotions and spatial relationships than is even theoretically possible for spoken language." (Terence McKenna) "Too modern for words"? Diese Zukunftsperspektive bildet kein Hindernis f¸r die Textproduktion. Die Technokultur von Morgen existiert par exellence in B¸chern, Zeitschriften, Filmen, Musik, Videos, Performances, Spielen und exklusiven Drogen. Sie kann auch ohne Maschinerie erlebt werden. Die Mythen, welche die Technokultur am laufenden Band hervorbringt, sind interessanter als die Hard- und Software, die sie anpreist. Zwar ist eine Rakete auf dem Mond gelandet, aber Space Age hat nie abgehoben. Das Cyberspace-Programm hat alles, damit ihm dasselbe Schicksal widerf”hrt. "M–glich, aber nicht bezahlbar", und warum auch? Ist es schlimm, daþ wir keine Raumstation auf dem Vulcanus haben? Star Trek ist darum nicht weniger beliebt. Und ebenso erfreut man sich an Mondo 2000, Wired, REsearch, Boing-Boing, Gibson, Sterling, Shirley, Rucker, Vinge, Mason, Lilly, Stapledon, Sheldrake, Haraway, Wilson, Laurel oder Kroker. Sie berichten ¸ber die unerh–rten interaktiven Erfahrungen, die auf uns warten, wenn die technischen und finanziellen Probleme erst einmal ¸berwunden sind. In Kalifornien weiþ man, daþ, wenn man diese Technotr”ume realisieren wollte, alle gesellschaftlichen Anstrengungen auf die Einrichtung von Cyberspace gerichtet werden und alle Gelder, die jetzt in die materielle Infrastruktur gesteckt werden, in die Entwicklung des Computernetztes ¸berf¸hrt werden m¸þten. Daher seien die ersten Zeichen des Abbaus des Zivilen, Sozialen und Politischen Hinweise darauf, daþ Cyberspace realisiert werde. Diese positive Interpretation der Apokalypse f¸hrt zu einer unbek¸mmerten Fr–hlichkeit angesichts der Desintegration der westlichen Zivilisation. Gangs, organisiertes Verbrechen, Hacker, Privatviertel hinter hohen Hecken, Drogengelder, Privatpolizei, Datenpiraten, Waffenbesitz, Sekten, Guerillastreitkr”fte, der Zerfall der Innenst”dte, Erdbeben, Obdachlose, das Auseinanderfallen der USA, die ungeheure Umweltverschmutzung, die Ohnmacht des Staates, die R¸ckkehr der St”mme, meltdowns und hoher fallout sind die Elemente der Gegenwart aus einem aufreibenden Dekor, in dem sich die Technokultur erst richtig entfalten kann. Vor dieser Lust am Untergang wird jetzt schon von den heutigen Bewohnern des Netzes gewarnt: "Focus on the media distracts from the real life problems. The real life circumstances need all the attention we can give them."(Wired) Eine Weltmacht wie Amerika hat die M–glichkeit und die technischen Mittel, eine eigene Mythologie des 20.Jahrhunderts hervorzubringen (Elvis, JFK, Marylin Monroe, Bob). Burroughs brach zu Beginn der f¸nfziger Jahre mit der Annahme der Lost Generation der Vorkriegszeit, daþ die europ”ische und amerikanische Kultur zu einer neuen Bl¸te des Paideuma verbunden werden m¸sse. Daher die Anziehungskraft von Paris (als Hauptstadt des 19.Jahrhunderts) f¸r Menschen wie Stein, Anderson, Hemmingway, Nin und Miller. Wir finden die letzten Reste dieser alten Ursprungsidee in Polanskis Bitter Moon. T.S. Eliot ging nach London, Pound nach Venedig, um schlieþlich in Mussolinis Rapallo h”ngenzubleiben. Die Modernisten muþten zur¸ck ins Land ihrer Vorv”ter, um zu entdecken, was der vollbrachte Zug gen Westen f¸r das eigene amerikanische Bewuþtsein gebracht hat. Burroughs dagegen schuf als erster eine eigene amerikanische G–tterwelt, mit Hilfe von pulp science fiction: Nova Police, Auþerirdische. "We are here to go" und "Language is a virus from outer space." Die alteurop”ischen, chtonischen Sch–pfungsgeschichten wurden so durch neue galaktische Mythen ersetzt. Die Jahre, die Burroughs in London verbrachte, werden durchg”ngig als verlorene Zeit betrachtet: er hatte dort nichts mehr zu suchen. Thomas Pynchon lieþ Europa in Gravity's Rainbow verdampfen, um den Ursprung des Space Age (der in Nazi-Deutschland lag) per V-2 in die Neue Welt zu schicken, wo die Rakete mit etwa anderthalb Kilometern pro Sekunde auf das Dach eines alten Kinos st¸rzt und damit einen Punkt hinter das klassische Hollywooddrama setzt. Jahre sp”ter tauchte Pynchon wieder in Vineland, Kalifornien auf, wo er die Generation der Sixties mitten ins Fernsehen und in die Computerwelt der achtziger Jahre plazierte. Der Cyberpunk dieser Zeit modernisierte die amerikanische Mythologie, indem er den Raum Raum sein lieþ, und den Kosmos in den Computer verpflanzte. Die terrestrische Kultur wurde ein Ðberbleibsel, aus dem Gestalten im Cyberspace auftauchten. Drachen, Voodoog–tter, Ritter, Zwerge, arische Halbg–tter, Samurai, Krieger, sumerische K–nige mitsamt allen Hollywoodstars und Science Fiction-Helden sind die Bewohner eines imagin”ren Raumes, die als recyclete Grundstoffe bereits auskristallisierte Masken liefern, von denen die neue Gestalt des Hacker/Cyberpunk in seinem Spiel umgeben ist. W”hrend in den Legenden des Cyberpunk die materielle Welt zusammenbricht, ziehen die immateriellen Kulturg¸ter ins Netz, aber sie fungieren nicht l”nger als Archetypen, die den Benutzer-als- Mensch an seinen Ursprung erinnern sollen. Diese immateriellen Inkarnationen, welche man auf dem Softwaremarkt kaufen kann, sind (nach McLuhan) die Klischees, aus denen durch Verdrehung neue Muster konstruiert werden k–nnen. Arthur Kroker, einer der wenigen Kritiker des "will to virtuality", der selbst den Cyberspace betreten hat, sieht die Wiederbenutzung der alten Bilder als kennzeichnende Eigenschaft der "recombinant culture" am Ende des 20.Jahrhunderts, die nicht imstande ist, etwas Neues hervorzubringen. Die Sehnsucht, den K–rper durch ein ahistorisches Konglomerat aus scanner eyes, nose spasms, floating tongues, cyber ears, techno- gills und andere Organe ohne K–rper zu ersetzen, betrachtet Kroker als typische Sehnsucht des hysterischen Mannes, der in einem Zustand permanenter Panik von "sex without secretions" tr”umt. Ihm zufolge ist die Technokultur kein progressives Projekt, sondern ein "recline of Western civilization", Richtung "retro fascism", im Sinne von Avital Ronell's "return of fascism (we didn't say a return to fascism)." Kroker kritisiert Virtual Reality nicht nur wegen ihrer zerst–rerischen Wirkung auf die Unterschicht der non-virtual world, sondern vor allem wegen ihres Anspruchs, einen neuen imagin”ren Raum erschlossen zu haben. Den Treck gen Cyberspace als dem neuen Westen betrachtet er als eine zynische Bewegung, um der Gewiþheit des Todes zu entrinnen. Eines der immer wiederkehrenden Themen in der Cyberpunkliteratur ist die kybernetische Unsterblichkeit. Kroker sucht Methoden, um in der mediascape, vor der es kein Entrinnen gibt, ironische Anwesenheit und kritische Distanz zu kombinieren. "Cruising the electronic frontier at hyperspeed with a copy of Nietzsche's Will to Power in your virtual hands." Die einzige Weise, der Verf¸hrung der totalen Bildmachung zu widerstehen, ist, immer wieder das Erbe der Gutenberg Galaxis zu Rate zu ziehen. Die Digitalisierung unseres Erlebens stammt aus einer Geringsch”tzung des K–rpers und k–nnte auf eine Extermination der Erde und ihrer Bewohner hinauslaufen. Genau die Tatsache, daþ Selbstdenken in Worten und nicht in Bildern geschieht, gibt Kroker zufolge Einblick in das, was die Medien mit uns vorhaben. Der Metaphysiker der Technokultur und Heidegger- Sch¸ler Michael Heim respektiert zwar diese Kritik, aber er faþt sie als ein Problem auf, das durch pragmatische Eingriffe behoben werden kann. Die positive Einstellung der Westcoast arbeitet zumindest daran, anders als negative Denker wie Baudrillard, Virilio und Kroker. Heim: "It's true that we may leave a part of the population behind, as we move into cyberspace. The crises are there, at the same time they are magnified. But what we can do, is to energize our society towards the technology. I don't think there is any way in which we can say, let's take our dollars back and invest it in the society, and hope we don't have to involve any further technologically." Es stehen keine gesellschaftlichen Kr”fte hinter der Entwicklung der VR, keine Biopolitik, keine Macht, kein Komplott, weder des Milit”rs noch der Industrie. Die Technolkultur ist unser Schicksal, dem wir nicht zu entgehen versuchen sollten, sondern das wir zusammen zu f¸llen suchen sollten. Die Freiheit, welche die technischen Apparate bieten, ist die, daþ man zu ihren M–glichkeiten ja sagen kann. Heim: "We have to go towards something we love, Augustine would say, be driven from the heart of our civilisation. We have to be aware of the need to expand the base of technology, to bring the technological human being alive, everywhere, as much as possible, so that we become selfconsciously technical, technological beings and don't leave people behind. So that we don't fall back in nationalisms and ethnic groups. We need to realize our technological destiny." Mondo 2000 und Wired sind die Zeitschriften der Technokultur der Westk¸ste, die sich am deutlichsten auf dem Markt profilieren. Mondo 2000 ist nur an den kulturellen Implikationen der neuen Medien interessiert, und nicht an den Apparaten selbst. Im magischen Jahr 1989 verband es den Hype um Virtual Reality mit seinem eigenen Hacker-Hintergrund voller Psychedelica, UFOs, conspiracy, Rock, post-Industrial, Cyberpunk und Underground. Man widmet viele Seiten extremen Theoretikern wie Kathy Acker, Brenda Laurel (von "Computers as Theatre"), Avital ("It's for you") Ronell, dem Techno-Foucault der Ostk¸ste Manuel DeLanda, Allucquere Rosanna Stone ("I think transsexuals invented VR"), vieux combatants wie Barlow, Burroughs und Leary, founding fathers wie Myron Krueger und Ted Nelson und musikalischen Helden wie The Residents, Brian Eno, David Byrne, Psychic TV, Iggy Pop und The Disposable Heroes of Hiphoprisy. Mondo 2000 ist kein Lifestyleblatt wie The Face, Actuel oder Max, mit Clubadressen, Modefragen und Galerien. Es wird kaum etwas erkl”rt und man tritt mitten zwischen die Ideen, den Jargon, die Musik und den 2-D-Glanz von Bildern aus dem Cyberspace, als ob man sie schon seit Jahren kenne. Mondo schreibt einem nicht vor, wie man denken soll und bietet Anf”ngern und irrenden Seelen keine helfende Hand. Es geht von zwei kalifornischen Stilregeln aus: "(a) There is a Better Way, and (b) I Can Do It Myself." (Rudy Rucker) Die Experimente mit Konzepten und Maschinen werden nie in den Kontext zur¸ckgestellt, aus dem sie aufgetaucht sind, sondern auf der atopischen hyperrealen Ebene miteinander gekreuzt, auf der die new-edge- Technokultur sich verortet. Nichts deutet darauf hin, daþ das Blatt aus Kalifornien kommt. W”hrend die Ostk¸ste ins Selbstbild der Skyline von Manhattan verstrickt ist, existiert an der Westk¸ste keine urbane Landschaft, die als Identit”tsdekor fungiert. Falls sich Mondo 2000 ¸berhaupt irgendwo lokalisiert, dann in der Zukunft. Europa existiert ganz einfach nicht. Alles was davon ¸briggeblieben ist, sind Nietzsche und ein paar franz–sische Denker. Auch Japan als Technoparadies ist kein exotischer Ort, sondern der Lieferant der gadgets. W”hrend man in Europa stolz ist auf die Kosmopolis, in der man verwurzelt ist, f¸hrt Mondo die Deterritorialisierung konsequent durch, auch wenn man dem Blatt ansieht, daþ es nur von der Westk¸ste kommen kann. Diese Herkunft wird weder angegeben noch verleugnet und ebensowenig mit globalen Ersatzst¸cken kompensiert. Mondo 2000 betrachtet sich selbst als Teil der Great Work, in der mit Mensch- Maschine-Interfaces mit dem alten politischen Stil der Machtaus¸bung abgerechnet wird. Dieser Prozeþ ist so umfassend, daþ das Ganze noch nicht zu ¸berschauen ist. Es sind jedoch schon sonderbare Elemente erkennbar. Das Monatsblatt Wired vertritt die liberale, corporate Fraktion, die sich in der Gegenwart verortet, und nur daran interessiert ist, was die Apparate alles k–nnen. "Reality Check: You've heard the hype. We asked the Experts. Here's the real Timetable." Wired ist mit dem exponentialen Wachstum des Netzes und dem Boom des Multimedia-Business groþ geworden. Als Computerblatt bietet Wired keine Besprechungen der neuesten Hard- und Software, sondern beleuchtet die Interessen hinter der Computerindustrie. Die Technokultur, die es skizziert, besteht aus Jargon Watch, der gadget-Rubrik Fetish, B¸rgerrechte im Cyberspace, Netsurf, wo es um auff”llige Stellen im Internet geht, und dem Kampf der Titanen zwischen Microsoft, Nintendo, Sega, IBM, Apple, AT&T und MCI. Es geht Wired nicht um die digitalen Implikationen des Digital Age und ebensowenig um die bewuþtseinserweiternden Potentiale. Sollte es sie geben, kommen sie schon von selbst. Der Unterschied zwischen Mondo 2000 und Wired geht zur¸ck auf die Debatte von 1989/90, ¸ber die Frage, was Cyberspace ist: ein Traum, der durch science fiction und Computerkultur gespeist wird, oder das existierende Telefonnetz plus Computer, in denen man schon verkehren kann. Obwohl nun klar wird, daþ Virtual Reality noch lange in einem experimentellen Stadium verharren wird, ist das f¸r Mondo 2000 kein Hindernis daf¸r, weiterzuphantasieren. F¸r Wired ist es der Grund, kaum Interesse f¸r VR zu zeigen: man macht nur Ausfl¸ge in Spielhallen und Freizeitparks wie Luxor Las Vegas, wo man die Apparatur bestaunen kann. "Why Wired? Because in the age of information overload the ultimate luxury is meaning and context." Wired schickt regelm”þig Cyberpunkschriftsteller an einen Ort, um sie wieder einmal in Kontakt mit der aktuellen Wirklichkeit zu bringen: William Gibson in Singapur, Bruce Sterling in Moskau und Neal Stephenson in Shenzhen. Die Schriftsteller berichten ¸ber die Probleme, die die verschiedenen Gegenden mit der Einf¸hrung der neuen Medien haben. Um die Zielsetzung "Get Wired!" zu erreichen, muþ das Blatt Cyberspace reterritorialisieren. Die lokalen Bedingungen und market opportunities sind der Schl¸ssel zum mondialen Anschluþ ans Netz. Daher r”t Wired der Digital Generation, welche Konferenzen sie besuchen, bei welchen Firmen sie sich bewerben soll, woher man die Info im Netz bekommt, was wired und was tired ist. Was die journalistische Arbeitsweise des Periodikums interessant h”lt, ist die zugrundeliegende Sicherheit, daþ alle existierenden Medien schlieþlich auf einem digitalen Standard konvergieren werden. Es erweckt bei den Modernisierungsgewinnern den Optimismus, daþ es im digitalen Goldraush noch enorme Gewinne zu machen gibt. Das Blatt berichtet ¸ber Technokultur, will diese jedoch nicht selbst verk–rpern, was Mondo 2000 wiederum wohl tut. Das letztendliche Ziel von Wired ist die Weltherrschaft mittels des Netzes. The Great Work der Mondoids wurde von Wiredos "re-invented", als Eroberung des Weltmarkts. So wie die neuere Traumfabrik Hollywood von europ”ischen Filmfans als Bedrohung unserer eigenen Filmzivilisation bek”mpft wird, w”hrend die Studiofilme von vor 1955 als H–hepunkte des Mediums bewundert werden, droht nun die explosiv wachsende Computerkultur als eine Ansammlung debilisierender Kinderspielchen und Pseudokommunikation im Netz abgelehnt zu werden, auf die wir in zwanzig Jahren als Sillicon Valleys Bl¸tezeit nostalgisch zur¸chschauen k–nnen. Der Spaþ am remote Empfang der Westcoast in Europa ist jedoch, daþ man in Kalifornien ohne jede Hemmung die heutigen technischen Entwicklungen unmittelbar durchdenkt und dann ernst nimmt. Sie interessiert sich f¸r die M–glichkeit, in jeder neuen Entdeckung die ganze Welt einer Metamorphose zu unterziehen. Es herrscht ein Glaube an die Machbarkeit der Neuen Welt und es wird sich schon zeigen, wo das Schiff landet. Zweifel an der Wichtigkeit ihrer kuriosen Entdeckungen und Trends kommen ihnen nicht. Die Kraft des Westcoast-Mythos ist, daþ man sich an der Front der westlichen Zivilisation befindet und der Rest der Welt schon hinterherziehen wird. Dort passiert es, anderswo ist man noch damit besch”ftigt, die Ðberbleibsel der Nachgeschichte aufzur”umen. Weil die Westcoast eine solche Mischung aus heterogenen Elementen ist, kann man herausholen, was einem gef”llt, und sich sowohl kaputtlachen ¸ber ihren Retro-Faschismus, als auch sich maþlos ¸ber ihren unerh–rten Optimismus aufregen. Dieser Beitrag zur Weltkultur wird vom Rest der Menschheit mit Interesse verfolgt und zwischen tausende andere Programme, die auf Erden laufen, eingef¸gt.