Keine Medien ohne Drogen, keine Drogen ohne Medien "Once you've got the message, hang up the phone." 1. Black Boxes Drogen sind der Schl¸ssel im Schloþ der Gegenwart. Die Verheiþung von Drogen ist, daþ sie das Leben so intensivieren und konzentrieren k–nnen, daþ Geschehnisse im eigenen K–rper oder in der eigenen Umgebung direkt erfahrbar werden. Man wird selbst etwas erleben, hier und jetzt. Drogen beinhalten f¸r den Kleinverbraucher die Beruhigung, daþ diese eingreifenden Vorkommnisse und Einbr¸che auf touristischer Grundlage angeboten werden. Wenn der Rausch vor¸ber ist, sind bloþ Erinnerungen und M–glichkeiten vorbei. Weiter kann sich nichts ver”ndern. Abh”ngige k–nnen die R¸ckkehr in ihre soziale Umgebung nicht verkraften. Die heroischen Verbraucher, die gigantische Dosen nehmen, hoffen, durch ihr formidables High so fest in die Gegenwart verankert zu werden, daþ sie daraus nach dem Ende nicht mehr wegsacken. Drogen sind Transportmittel zum Ort, an dem man sich befindet, sie machen das Unsichtbare sichtbar: das, was man den ganzen Tag anstarrt. Es gibt keine Drogentheorie, so wie es eine Filmtheorie gibt oder eine Theorie der neuen Medien. Eine Drogentheorie dreht sich nicht um die biochemische Wirkung der verschiedenen Mittel, genausowenig wie Filmtheorie sich um technische Ins und Outs von Kameras und Projektoren dreht. Es geht ihr nicht um Nebenwirkungen. Die ausf¸hrliche Untersuchung von Zusammenstellung und Wirkung von nat¸rlichem und synthetischem Dope ist bei einer Analyse von Haschisch oder LSD ¸berfl¸ssig. Drogentheorie untersucht nicht das chemische Fundament des Bewuþtseins. Sie zeichnet keine Mitteilungen des Jenseits auf und berichtet nicht ¸ber das Drogenerlebnis. Drogentheorie muþ Bet”ubungsmittel als black boxes ansehen. Auch das Innere eines Fernsehger”tes ist Abrakadabra f¸r Zuschauer und Kulturphilosophen, aber die Programme und deren Effekte sind nicht minder kommentierbar und erkl”rbar. Was machen Drogen m–glich, welche Erfahrungen, welche Einsicht? Was wollen Drogen? 2. Genieþende Prosawesen h–chster Potenz In den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts steckt H.H. Kane eine Wasserpfeife in einem abgeschlossenen, orientalisch eingerichteten Kaffeehaus an. Es dauert eine Weile, bevor das Haschisch Wirkung zeigt, aber nach einiger Zeit merkt unser Gew”hrsmann, daþ er Dinge sieht, die bis dahin nicht im Kaffeehaus vorhanden waren. Drachen erscheinen, die so schnell zu kreiseln beginnen, daþ ihre Zungen zu einem enormen Feuerball verschmelzen, der mit einem gewaltigen Knall in den Himmel schieþt und der Sicht entschwindet. Auf ein Ger”usch einer wilden Brandung hin, die mit w¸ster Monotonie widerhallt, wird es auf einmal vollkommen still. Das Ger”usch klingt zum Gluckern eines Br¸nnchens ab, das Kane schon vorher im Raum bemerkt hatte. Das in ein darunterstehendes Glas tropfende Wasser nimmt allm”hlich die Lautst”rke einer ohrenbet”ubenden Blaskapelle an, aber davon bleibt recht schnell nur noch ein Jagdhorn ¸brig. Dieses klingt fr–hlich ¸ber eine Landschaft von H¸geln und T”lern, Mooren, Weiden und W”ldern. Auf einem H–henzug erscheint ein elegant gekleideter J”ger, das Horn unter den Arm geklemmt, abrupt gefolgt von einer Gruppe wie toll vorw”rtsst¸rmender Reiter, wonach ein hysterisch bellendes Rudel Hunde angetobt kommt. Kane, der selbst der Fuchs ist, nimmt die Beine in die Hand, f¸hlt aber Kilometer um Kilometer die Jagdhunde ¸ber die Weiden hinter ihm n”her kommen, bis er ermattet einen Wald erreicht. Er glaubt schon, sterben zu m¸ssen, als seine Hand von einer Waldmaus ergriffen und er in ihr Loch gezogen wird. Sein K–rper verl”ngert sich, um durch die unterirdischen G”nge zu passen, und wird dann ein Schlangenleib, nahe daran, die Maus, hinter der er her l”uft, zu fressen. Das klappt nicht, und, zur¸ck in einer menschlichen Minigestalt, befindet er sich in einem feuchten Loch voll zischender Schlangen und Eidechsen mit unheimlichen Augen, die n”her zu kriechen beginnen. In einer Ecke liegt ein Haufen Edelsteine. Er schleicht darauf zu, beginnt sich die Taschen voll zu stopfen, wird aber dadurch so schwer, daþ er sich nicht mehr bewegen kann. Mit entleerten Taschen und Tr”nen in den Augen legt Kane die Steine zur¸ck - bis er erleichtert daran denkt, daþ er nur einen Haschischtraum erlebt. Prompt geht der Bilderstrom weiter, M”nner mit groþen Nasen erscheinen, die Nasen ver”ndern sich in Dolche usw., usw. Ja, fragt man sich als heutiger Leser unwillk¸rlich: wie schaffte es dieser Kane bloþ, das alles aus einem kleinen Joint zu zaubern? Was f¸r ein Zeug war das? Kann ich die Adresse von dem Coffeeshop haben? Der gleiche Vorfall, f¸nfzig Jahre sp”ter. 1928 steckt Walter Benjamin einen starken Joint in einem Hotelzimmer in Marseille an. Es passiert nichts. Nach einiger Zeit beschlieþt Benjamin durch die Straþen zu schlendern. Er geht in ein Restaurant, um etwas zu trinken, schaut aus einem offenen Fenster hinunter auf ein dunkles Pl”tzchen. Er bemerkt, daþ der Platz sich je nach den Menschen, die ihn betreten, ver”ndert, wie, so wird ihm pl–tzlich klar, die Portr”tmaler des siebzehnten Jahrhunderts das Dekor an die Figuren anpaþten, die sie davor abbildeten. Das Zeug wirkt! Benjamin schreibt in ein Notizbuch: "Von Jahrhundert zu Jahrhundert werden die Dinge fremder." Er versucht zu erg¸nden, warum es so herrlich ist, stoned zu sein. Das hat, denkt er, mit zwei unabh”ngig nebeneinander laufenden, aber ganz angenehmen Erfahrungen zu tun: die einer k–rperlichen und die einer geistigen Aktivit”t. Walter Benjamin: "Man m¸þte, um den R”tseln des Rauschgl¸cks n”her zu kommen, ¸ber den Ariadne-Faden nachdenken. Welche Lust in dem bloþen Akt, einen Kn”uel abzurollen. Und diese Lust ist ganz tief verwandt mit der Rauschlust wie mit der Schaffenslust. Wir gehen vorw”rts; wir entdecken dabei aber nicht nur die Windungen der H–hle, in die wir uns vorwagen, sondern genieþen dieses Entdeckergl¸ck nur auf dem Grunde jener anderen rhythmischen Seligkeit, die da im Abspulen eines Kn”uels besteht. Eine solche Gewiþheit vom kunstreich gewundenen Kn”uel, das wir abspulen - ist das nicht das Gl¸ck jeder, zumindest prosaf–rmigen, Produktivit”t? Und im Haschisch sind wir genieþende Prosawesen h–chster Potenz." Vorl”ufiger Endpunkt von Benjamins Drogengedanken. Er spaziert wieder in die Stadt. Was ver”nderte sich zwischen 1880 und 1930, unabh”ngig von Dosierung und Pers–nlichkeit der zwei beschriebenen Kiffer? H.H. Kane sah eine autonome Reihe Bilder passieren, kombiniert mit T–nen. Bild und Ton hatten freilich ihren Ausgangspunkt in der direkten Umgebung, kamen davon jedoch schnell los und f¸hrten in ganz andere Richtungen. Kane arbeitete 1880 an einem Tonfilm mit, in Farbe, eine fr¸he Version von Indiana Jones and the Temple of Doom. Er war selbst im Film zu sehen, spielte darin sogar die Hauptrolle. Allerdings hatte er noch nie einen Film in einem Kino gesehen, ganz einfach weil es die Technik noch nicht gab. Darum hatte er noch nicht gelernt, einen Bildersturm als etwas zu sehen, das auþerhalb von einem selbst vorbeizieht, auf den man mit Abstand schaut, bis er fertig ist. Er interpretierte seinen Haschischrausch daher als Vision, einen Traum, etwas Inneres. Zugleich machte er die Entdeckung, daþ man ab und zu heraustreten kann (sich klar machen, daþ man im Kino sitzt). Die Droge lieþ ihn an einem Rausch teilhaben, der erst zehn bis zwanzig Jahre sp”ter durch ein technisches Medium allgemein zug”nglich gemacht werden sollte. Im Medium Film sollte der Bilderstrom jedoch unter Kontolle gebracht sein, handhabbar gemacht, dosiert auf eine 'entspannte' Ebene. Technische Medien bringen die Welt nicht n”her, sondern r¸cken die eigenen Erfahrungen auf Abstand. Walter Benjamin jedoch hatte schon Filme gesehen, sogar sehr viele, und sein Bilderrausch spielte sich dann auch nicht mehr in seinem eigenen Kopf ab, sondern auþerhalb von ihm selbst, in der Stadt, auf unabh”ngigem Terrain. Das Haschisch war das Medium, die optische Technik, die ihn die Auþenwelt auf eine Weise wahrnehmen lieþ, die sich von dem unterschied, was er mit unbewaffneten Augen sah. Als Benjamin merkw¸rdige Dinge auf dem Platz wahrnahm, konnte er diese in die Vorgeschichte der technischen Bilder plazieren und erdachte eine Theorie ¸ber die Portr”tkunst des siebzehnten Jahrhunderts. Benjamin erfuhr seinen Rausch als einen Strom von W–rtern, ein Kn”uel Prosa, das sich allm”hlich abrollte. H.H. Kane machte erst hinterher eine journalistische Beschreibung seines Rausches. W”hrend Kanes Geist ganz und gar kreativ einen abendf¸llenden Film produzierte, stellte Benjamin eine Theorie ¸ber die abspulende Arbeitsweise der Produktivit”t auf. Stoned ersch¸ttert notierte er: "Wie die Dinge den Blicken standhalten." Denn Walter Benjamin erfuhr dies als eine Degradierung: seine Erfahrung blieb 'nur' Prosa, sei sie auch von h–chster Potenz. Was Kane als Magie erfuhr, war bei Benjamin Kultur geworden, die sich auf geistiger Ebene befand und deswegen nach einer Erkl”rung fragte. Solange der K–rper mit sich selbst zusammenf”llt, ist Nachdenken nicht wirklich notwendig. Anstelle eines Mittels zu k–rperlichen Erfahrungen war Haschisch f¸r Benjamin eine Methode, Erkenntnis zu sammeln. Er sollte seine Hascherfahrung im sinnierenden, ”uþerst konzentrierten Schreibstil seiner kritischen Theorie ausarbeiten. Dennoch sp¸rte er eine Degradierung. Die Filmtechnik hatte seine K–rpererfahrung reprogrammiert: sie hatte eine Abstraktionsebene installiert, die bei Kane noch fehlte. Auch wenn Benjamin oder sonst jemand Kanes Kaffeehaus gefunden h”tte, h”tte er nie mehr das erleben k–nnen, was dem zufriedenen Kiffer 1880 zuteil wurde. Das Erlebnis, welches das technische Medium Film hervorruft, hat denselben Aufbau wie das der soft drugs. W”hrend des Rausches sammelt der Kiffer Aus- und Einsichten und danach nimmt das Leben wieder seinen Lauf. Eben weil Haschisch es erm–glicht, eine Zeitlang merkw¸rdige Dinge anzuschauen, erlaubt es dem Kiffer, den Zustand davor und danach als 'normal' zu erfahren. Nicht die Welt, sondern das Kino ist eine Filmvorf¸hrung. Der Bilderstrom, den das Leben auf Erden vorf¸hrt, ist echt, weil die str–menden Bilder auf der Filmleinwand es nicht sind. Weil Kino ein Rauschmittel ist, ist das nicht-filmische Universum keines. Soft drugs ver”nderen nichts Fundamentales an der condition humaine, sie machen sie im Gegenteil zu einem selbstverst”ndlichen Faktum, etwas, wohin man jederzeit zur¸ckkehren kann. 3. Die gr–þtm–gliche Negierung der Respektabilit”t Im M”rz 1953 geht William Burroughs auf Expedition nach Kolumbien. Er hat von der Existenz einer starken lokalen Droge geh–rt, Yage, die es m–glich machen soll, in telepathischen Kontakt mit Mitmenschen, Geistern, G–ttern oder was auch immer zu treten. Dieses Dope ist der Treibstoff der Indianergesellschaften in den Urw”ldern. Burroughs hat die Erfahrung mit den klassischen Drogen satt (nach jahrelangem Gebrauch). Er hat gemerkt, daþ die existierenden Mittel nur Privatzust”nde verursachen, Vergr–þerungen oder Verformungen von dem, was die pers–nliche Vorgeschichte an Material in einem hinterlassen hat. Burroughs Beanstandung gegen die ihm bekannten Drogen ist, daþ sie keinen Kontakt mit einem nicht-gesellschaftlich bestimmten 'Auþen' oder mit einem mehr als einem Individuum umfassenden Bewuþtsein zustande bringen. Sie machen nur die Einsamkeit des zwanzigsten Jahrhunderts ertr”glich. Telepathische Drogen, so wie Yage, versprechen jedoch einen Ausbruch aus dem Ich und seiner politisch- sozial-historisch-–kologischen Umgebung. Bet”ubungsmittel, sollte Burroughs sp”ter schreiben, erlauben nur die Einsicht in die eigene "algebra of needs". Wie Avital Ronell 1992 verallgemeinerte: "Drogen, zeigt sich nun, sind weniger auf Suche nach einer ”uþeren, transzendentalen Dimension - einer vierten oder f¸nften Dimension -, sondern erforschen vielmehr fraktale Innerlichkeiten." Wie tief man auch abtaucht in die Mathematik seiner Bed¸rfnisse, man begegnet auf jeder folgenden Ebene immer dem Gleichen. Letztendlich ist jeder Film nicht mehr als ein Film, ungeachtet des Vorf¸hrungsortes und ungeachtet seiner Qualit”t. Wer sich mit diesem Zustand nicht zufriedengeben will, muþ st”rkere Maþregeln ergreifen. In Bogota begegnet Burroughs dem Ethnobotanisten Richard Evans Schultes, der Dutzende von halluzinogenen Pflanzen in den Urw”ldern S¸damerikas untersucht hat. Er gibt Burroughs einen Hinweis, wo dieser sein Yage, oder Ayahuasca, finden kann (ein Gebr”u aus der Rinde der Liane Banisteriopsis caapi). Bei einem Medizinmann irgendwo in den W”ldern trinkt Burroughs schlieþlich einen Plastikbecher voll Yage in einem Zug leer. Er denkt noch: "Das war nicht genug", um sich dann dar¸ber klar zu werden, daþ er eine Ðberdosis genommen hat. Unmittelbares Erbrechen, Magenkr”mpfe, Konvulsionen. Zwischen den Brechanf”llen w¸rgt er einige Nembutals in sich hinein. Und dann beginnt es. Wie sein Biograph es beschreibt: "He felt himself changed into a Negress with convulsions of lust. Then he was a Negro fucking a Negress. Everything was writhing as in a Van Gogh painting. Complete bisexuality was attained. He was a man or a woman alternately or by will. Yage, he later reflected, really did what other drugs were supposed to do. It really bent your mind. It was the most complete negation possible of respectability." Diese Droge machte ein Erleben m–glich, das einen nicht weg- und zur¸ckf¸hrte aus und in einen 'normalen' Zustand, sie ver”nderte die Norm selbst. Burroughs sah keine Malerei, so wie Walter Benjamin, er lebte sie. Yage griff willk¸rlich Gestalt und Inhalt seines K–rpers an und machte ihn zu einem Fahrzeug, das durch alle K–rperformen reisen konnte: nicht wie einen Abend ausgehen, sondern als Mutation oder Metamorphose. Als Unvermeidbarkeit. Alle biologischen Grenzen im K–rper - Mann, Frau, Rassen, Krankheiten - erwiesen sich als ¸berschreitbar. Einige Wochen sp”ter, auf einem letzten Yagetrip, durchl”uft Burroughs noch viel mehr K–rper, als jene, auf die in seinem Vaterland von respektablen Leuten gespuckt wird. Burroughs: "Das Blut und die Substanz von vielen Rassen, negroide, polynesische, bergmongolische, w¸stennomadische, polyglottische aus dem Nahen Osten, indianische - neue Rassen, die noch nicht konzipiert und geboren sind, noch nicht verwirklichte Kombinationen ziehen durch deinen K–rper. Migrationen, unglaubliche Reisen durch W¸sten und Dschungel und Berggebiete (Stillstand und Tod in abgeschlossenen T”lern, wo Pflanzen aus dem Gestein wachsen und unermeþliche Schalentiere in der H¸lle ihren K–rper ausbr¸ten und nach auþen brechen), ¸ber den Stillen Ozean in einem Kanu mit herausspringenden Rudergabeln, Richtung Osterinseln." William Burroughs befand sich nicht, wie H.H. Kane, in der amerikanischen Natur des neunzehnten Jahrhunderts und auch nicht, wie Walter Benjamin, in der europ”ischen Stadt des fr¸hen zwanzigsten Jahrhunderts. Die Erde und all ihre Bewohner schienen Burroughs nat¸rliche Umgebung geworden zu sein. In seinem Yagebewuþtsein war Burroughs in der ganzen Welt zugleich pr”sent. Er entdeckte, daþ das 'Hier und Jetzt', in dem man Erfahrungen sammelt, nicht l”nger in der Natur oder der Stadt lag, sondern den gesamten Globus umfaþte. Jeder war jeder: jedes Individuum hatte alle anderen in sich und wuþte sich in jeder Landschaft beheimatet. Die Erfahrung, die Burroughs mit Yage machte, war die physische Form des Effektes, der zehn, zwanzig Jahre sp”ter durch das live-Fernsehen hervorgerufen werden sollte. Wenn die Kameras irgendwo im Universum laufen, ist der Platz damit automatisch in allen Wohnzimmern der Welt anwesend, wo ein Bildschirm steht. Und mit den Ðberwachungssatelliten wird jeder Fleck auf Erden konstant gefilmt und auf jedem Fleck der Erde ist auch irgendwo ein Fernsehapparat zu finden. Jeder ist jederzeit ¸berall in die Aktualit”t eingeschaltet. Burroughs schwamm in seinem Yagerausch durch die Kan”le, er zappte, oder eigentlich: er wurde gezappt. Denn das war der Unterschied zu dem, was Fernsehen bieten sollte. Im Fernsehen ist das gesamte Leben gegenw”rtig, aber auf Abstand. Man lebt mit, selbst erlebt man nichts. Burroughs war kein Tourist in fernen L”ndern, bei fremden V–lkern, er war einer der ihren, und mit ihnen. Er war ¸berall im Auþen pr”sent, seine Metamorphosen spielten sich nicht in seinem Kopf oder Geist ab, sondern in seinem ganzen K–rper. Er f¸hlte sich jemand anderes werden, und wieder jemand anderes, endlos weiter. Es gab nur fortdauernde Verwandlung. Als Burroughs eine Schreibtechnik suchte, um seine Eindr¸cke in Worte zu fassen, entwickelte er seinen Zapstil, in dem nur lose Fetzen hintereinander gesetzt werden, ohne 'masterplan' oder Programmschema, das die Fragmente zu einem Gesamten zusammenschaltet. Fernsehen bietet keine Metamorphosen, es zeigt sie lediglich: st”ndig sieht man etwas anderes in der Glotze, aber immer woanders. TV macht uns zum Touristen in der eigenen Existenz, das ist die Ver”nderung, die das Fernsehen in unserer Norm verursacht hat. Wir schauen immer von auþen auf uns selbst und unsere Umgebung. Tourismus ist unsere Normalit”t. Burroughs nannte seine Fernseherfahrung mit Yage 'The Composite City', die Stadt der Zusammenstellungen, bewohnt von 'larvenhaften Wesen, die auf einen Lebenden warten...' Das ÷kosystem dieser Wesen wurde der Fernsehapparat, und als sich die Larven als Pr”sentatoren und tv-Pers–nlichkeiten entpuppten, erwies sich der Lebende, der Zuschauer, als physisch unerreichbar. Die Telepathie, die Fernsehen mit der 'Auþenwelt' erreicht, dringt nicht tiefer ein, als die zwei Dimensionen des Bildes. Die Stadt-als-Kino von Benjamin ist ersetzt durch die Wohnung-als-Bildschirm von Burroughs. Doch wo William Burroughs damals versuchen muþte, die Brechanf”lle des Yage zu ¸berleben, k–nnen wir die Erfahrungen, die er sammelte, in einer handlichen und 'entspannten' Form konsumieren. In der Fernsehkultur hat Yage seinen Ruf als telepathische Droge verloren (der aktive Bestandteil schien bei n”herer Analyse nicht der einzigartige Stoff Telepathin zu sein, sondern das h”ufiger vorkommende Alkaloid Harmin). 4. Das kosmische Kichern Februar und M”rz 1972 macht Terence McKenna mit einer Gruppe Geistesverwandter eine Reise durch die Urw”lder von Kolumbien. Er folgt anf”nglich exakt derselben Route wie William Burroughs, nur ist die McKenna-Gruppe nicht auf der Suche nach Yage, sondern nach der exotischeren Droge Oo-koo-he (mit dem Harz von Virola theiodora). Den Berichten von Richard Evans Schulte hat er entnommen, daþ darin nat¸rliches DMT vorkommt, Dimethyltryptamin. Mit dessen Gebrauch hat McKenna gute Erfahrungen gemacht: die Ekstase setzt nahezu unmittelbar ein, dauert drei bis f¸nf Minuten und nach einer Viertelstunde ist jede Spur eines Rausches verschwunden. In den wenigen aktiven Minuten wird man in einen parallelen Raum lanciert, direkt neben dem unseren, in dem kleine, friedliebende, rasendschnell metamorphosierende Wesen leben, die alles sind und alles wissen und einem das auch erkl”ren w¸rden, w”re die Dauer des Verbleibens nur nicht so kurz. Oo-koo-he soll die DMT-Anwesenheit verl”ngern k–nnen, sodaþ h–chstnotwendige Einsichten gesammelt werden k–nnen. Nach dem ¸blichen Jetlag kommt die Gruppe in La Chorrera an, ein offenes St¸ck Land um einen Missionsposten am Fluþ. Ein St¸ck weiter oben liegt der Urwald, wo die Witoto leben, das Volk der Droge. Im Wald sammeln sie einige Yage-Lianen von den ¸berall wachsenden Banisteriopsis caapi. Ðber die Weiden streifen K¸he und auf ihren Fladen entdeckt McKenna Gruppen prachtvoller Pilze, offensichtlich Stropharia cubensis. Die Reisenden, alle Drogenspezialisten, wissen, daþ in diesem Schwamm die h–chste nat¸rliche Konzentration des psychedelischen Stoffes Psilocybin vorkommt. Sie beschlieþen, davon am Abend je sechs St¸ck pro Person einzunehmen. Diese Nacht –ffnet sich ein Universum, eine andere Dimension, die sie das Oo-koo-he endg¸ltig vergessen l”þt. Terence McKenna f¸hlt sich an der Schwelle zu einer tiefgreifenden, allumfassenden, erleuchtenden Erfahrung. Er steht kurz davor, den Raum, den er in seinen DMT-Trips entdeckt hat, endg¸ltig zu betreten. Mehr als das: der entdeckte Innenraum wird sich –ffnen und nach auþen dringen, f¸r jeden zug”nglich werden und die Auþenwelt ersetzen. Alle Probleme auf Erden w”ren dann gel–st. Auch Dennis McKenna, der Bruder von Terence, der als wissenschaftlicher Narcobotanist und Kenner von Halluzinogenen mitgekommen ist, hat einen merkw¸rdigen Sinneseindruck. Er h–rt in seinem Rausch einen Summton aus dem Urwald kommen. Nach einigem Z–gern kann er den Ton nachmachen, als sei er ein Radio, das ein nichtmenschliches Ger”usch widergibt. In dem Moment, in dem der Ton aus seinem Mund erklingt, wird ihm klar, wie unvorstellbar viel Energie in dem Signal vorhanden ist. Er bemerkt, daþ der Sington die Umsetzung der Droge in seinem K–rper beschleunigt. Das kann nichts anderes bedeuten, folgert Dennis, als daþ der Summton der h–rbar gemachte Klang aller metabolisierenden psychedelischen Stoffe im lebendigen Urwald um ihn hin ist. Er hat einen genialen Einfall. Wenn man den Pilz mit Yage kombinieren w¸rde, w¸rde das Harmin aus dieser Droge den Abbau des Psilocybins hemmen und so dessen Wirkung gewaltig intensivieren. Wenn er dann unter Einfluþ beider Stoffe den Summton erklingen lassen w¸rde, m¸þten in den Psilocybinmolek¸len eigenartige Effekte auftreten. Mehr noch, die Kombination von Summen und Drogencocktail w¸rde es m–glich machen, die aktiven Bestandteile des psychedelischen Stoffes in die eigene DNA einzubauen. Durch ein von Dennis entdecktes Zusammenspiel von Quantenmechanik, Supraleitung, Resonanzabsorption und chemischem Austausch w¸rde die in der DNA implantierte Droge wie ein Radio funktionieren. Alle Informationen, die im genetischen Material gespeichert sind - alle Erfahrungen aller Organismen, die es je gegeben hat und noch gibt - w¸rden ¸ber diese Antenne direkt h–rbar und faþbar f¸r den Menschen werden. Ðber unsere DNA w¸rden wir endlich wirklich Kontakt miteinander und der Welt bekommen. Leicht beunruhigt ¸ber diesen Ausbruch wissenschaftlicher Intuition kommt die Gruppe zum Schluþ, daþ ein Experiment n–tig ist. Die zweite M–glichkeit, daþ Dennis verr¸ckt geworden ist, wird in Betracht gezogen, aber bis auf weiteres verworfen. Dennis schl”gt das folgende Experiment f¸r seine krassen Behauptungen vor: sie w¸rden einen lebenden Stropharia mit Mist ins Zimmer stellen und dann sollten alle Pilze und Yage essen. Wenn die Drogen ihre Wirkung zeigen, wird er den Summton erklingen lassen. In diesem Moment wird das Psilocybin in der lebenden Droge elektrochemisch so angesprochen werden, daþ der Pilz spontan explodiert. Dann kann jeder mit eigenen Augen sehen, ob er recht hat oder phantasiert. Das Experiment wird f¸r die Nacht zum 4. M”rz geplant. F¸r Terence hat das Experiment eine andere Bedeutung als f¸r Dennis. Er weiþ, daþ Yage nicht n–tig ist. Alles ist im kosmischen Pilz selbst enthalten. Das Yage wirkt nicht mehr oder sie nehmen viel zu kleine Dosen davon. Stropharia geh–rt zu der Sorte von Schw”mmen, die ¸berall auf der Erde vorkommen. Im Unterschied zu Yage oder Oo-koo-he ist der magic mushroom nicht einzigartiges Eigentum eines kleinen Stammes in der Wildnis von S¸damerika und ebensowenig ein typisch westliches Produkt. Der Pilz kommt in allen Kulturen vor. W”hrend des Experiments w¸rde das Psilocybin in jedem existierenden Pilz angesprochen werden und damit unmittelbar die DNA in jedem Menschen aktivieren. Dennis' Ziel ist es, ein internes Radio zu konstruieren, das jeden mit jedem ¸ber den Pilz verbindet. Dann wird universelle Kommunikation m–glich, Frieden. Und genau das hat Yage (Fernsehen) nie zu verwirklichen gewuþt, trotz aller anf”nglichen Versprechungen. Das Experiment beginnt. Sie f¸hlen, daþ das Psilocybin in ihrem K–rper aktiviert wird und wie die Harminmolek¸le darauf zu wirken beginnen. Dennis h–rt den Summton aus der Umgebung auf sich zukommen und gibt ihn weiter. Terence, der das Meisterst¸ck beschrieben hat, f¸hlt, wie das Psilocybin in seinem K–rper auf der Frequenz des Summens vibriert. Und es entsteht eine Stille. Die Nacht is vorbei. Ein Hahn kr”ht dreimal. Man erwartet, daþ, wenn der Pilz explodiert, der Stein der Weisen erscheint und derjenige, in dessen DNA das Psilocybin eingebaut ist, diesen in die Hand nimmt. "Schau!" sagt Dennis. Terence beugt sich ¸ber den lebenden Pilz, der gl¸ht. Als kurz ein Schatten darauf f”llt, sieht Terence anstelle des Schwammes "einen Planeten, die Erde, gl”nzend und lebendig, blau und br”unlich und blendend weiþ." Eine Explosition war nicht n–tig. "Es ist unsere Welt," sagt Dennis. "We have succeeded." Als sie am fr¸hen Morgen ein wenig Luft schnappen gehen, wird Terence wieder von Zweifeln ¸berfallen. Eine fremde Energie ist in ihm freigeworden. "Ich frage mich nur, warum es f¸r mich so einfach war, den Sprung vom Gedanken, daþ wir ein sonderbares, ortsgebundenes Erlebnis hatten, zur Idee, daþ wir eine Schl¸sselposition in einem planetenumfassenden Ph”nomen einnehmen, zu machen. Ich war das Opfer von etwas, das ich eine kognitive Halluzination nennen m–chte. Anstelle einer visuellen Erfahrung von etwas, daþ nicht wirklich da ist, ist eine kognitive Halluzination eine totale Verschiebung der h–chsten Ebenen unserer Beziehung mit der Welt." Wor¸ber spricht McKenna? Was genau erlebten sie? Im Moment des Ðbergangs in den anderen Raum, in den man durch DMT und Psilocybin transportiert wird, "st¸lpt sich die Welt entspannt nach auþen um und was verborgen war, wird enth¸llt: die magische Sichtweise, eine andere mentale Landschaft, die man noch nie zuvor gesehen hat, und diese Landschaft wird wirklich. Es ist das Reich des kosmischen Kicherns. UFOs, Elfen und die wimmelnden Pantheons aller Religionen sind die Bewohner dieser einst unsichtbaren Landschaft. Man erreicht die Kontinente und Ozeane der Einbildung, Welten, die jeden unterhalten k–nnen, der bereit ist, zu spielen, und dann geht das Spiel tiefer und tiefer..." Was Terence McKenna hier beschreibt, ist der Traum von Virtual Reality, beziehungsweise der Science Fiction von Autoren wie William Gibson und Neal Stephenson: Cyberspace, Metaverse. Dieselbe Technik ¸brigens, die schon f¸nf bis zehn Jahren nach McKennas Vision in verschiedenen Laboratorien entwickelt wurde. Wenn bald via VR alle Information der Erde in 3D verf¸gbar wird, und alle sind eingeschaltet, ist der Computer die neue Erscheinungsform unseres blauen, br”unlichen, blendend weiþen Planeten geworden. VR ist der Stein der Weisen. Das technische Medium Virtual Reality ist einen Schritt weiter als das TV, da es den Abstand zum Bild aufgehoben hat. Die Auþenwelt ist nach Innen geholt, man tritt in die Bilder ein. Die McKennas meinten, die menschliche DNA zum Weltempf”nger und - transformator umbauen zu m¸ssen, aber die universelle Kommunikation erwies sich als etwas weniger krude und unhandlich realisierbar. Mit dem einzigen Unterschied, daþ in der VR nicht alle im K–rper gespeicherte Information verf¸gbar und sichtbar wird, sondern daþ im Gegenteil, alle Information der Welt via Computer und elektronischen Schaltungen in den K–rper eindringen. Der Code, in den die McKennas ihre Erfahrung einschreiben wollten - das DNA mit seinen vier Basiselementen - wurde ersetzt durch einen bin”ren Code mit nur zwei Elementen, der 0 und der 1, womit die gesamte Software des digitalen Netzes geschrieben ist: die "deep structure" von Cyberspace selbst. Schon wieder eine Degradierung. Virtual Reality strebt danach, die Auþenwelt zu ersetzen, und hat keine Botschaft an die K–rper, die darin leben. Die kognitive Verschiebung, die wir in unserer Beziehung mit der Erde erleben, besteht darin, daþ wir dabei sind, uns selbst ¸berfl¸ssig zu machen. VR, und auch die Biosph”re, funktionieren eigentlich viel besser ohne den Menschen. Im Gegenzug zu dieser grellen Ahnung bekommen wir die M–glichkeit eines Spiels endloser Metamorphosen mit unserem K–rperbild und mit dem Bild der Welt, in die wir hineingeraten sind. Auþerdem wird es keinen Abstand den Bildern gegen¸ber mehr geben, aber wohl gegen¸ber unserem K–rper. Dieser bleibt in der hinderlichen materiellen Wirklichkeit h”ngen und kehrt unvermeidlich dorthin zur¸ck. An die VR angeschlossen ist unser K–rper, wie der der McKennas, in welchem die Molek¸le ihre Kombinationen bildeten, eine Maschine zur Informationsverarbeitung geworden, ein Medium. Selbst macht er nichts mehr. 5. Hier bleiben Drogen schaffen keine neue Welt, sie brechen die bestehende auf. Die Frage, was fr¸her war, das Drogenerlebnis oder das technische Medium, mit dem das Drogenerlebnis gedeutet werden kann, ist eine Henne-oder-Ei-Frage. Die Tendenz von H.H. Kane und Benjamin ¸ber Burroughs zu den McKennas ist, daþ das Hier und Jetzt, in dem sie zu leben entdecken, immer gr–þere Raum- und Zeitabst”nde umfaþt. Burroughs hatte genug von der lokalen Filmerfahrung der klassischen Drogen - "How many of you people can live without film coverage?" - und riet, sofort das Kino des allt”glichen Lebens zu verlassen. Mit Yage machte er eine ekstatische Fernseherfahrung, in der er zugleich in der ganzen Auþenwelt anwesend war. F¸r die TV-Generation der McKennas war dieser Rausch wirkungslos. Sie entdeckten Cyberspace: die unmittelbare Anwesenheit der kompletten Innenwelt auþerhalb des eigenen Geistes - in der neuen Apparatur n”mlich. Das Auþen, das Andere, das, was auþerhalb des Bekannten liegt, erweist sich als ein noch nicht konzipiertes und verwirklichtes technisches Medium. Auff”llig ist, daþ sowohl Kane, Burroughs als auch McKenna ihre neuen Erfahrungen aus Drogen holten, die Teil einer Kultur ohne technische Medien waren. Die Drogen waren selbst die Kommunikationsmittel. Wenn die Welt das Restprodukt von VR ist, bietet das Entkommen daraus die M–glichkeit einer auþervirtuellen Erfahrung. Die Drogenerfahrung der Gegenwart entdeckt das Vorgef¸hl einer unbekannten Maschine. Solange es Medien gibt, wird es ein 'Drogenproblem' geben, wird nach dem Ausgang durch Intensit”t gesucht werden. Der Konsum von Bet”ubungsmitteln ist, so gesehen, ein vergeblicher Versuch, aus den Medien herauszutreten. Das klappt bei denjenigen, die heroische Dosen nehmen. F¸r diejenigen, die mit weniger auskommen, sind Drogen eher spezifische Mittel, um mit der selben Geschwindigkeit, Intensit”t und Konzentration zu arbeiten wie die modernen Elektronika. Die Drogen lehren, daþ das Leben nicht mehr als eine Reihe medialer Erfahrungen und M–glichkeiten ist. Anwesenheit in der Gegenwart bedeutet dann ausschlieþlich, dem herrschenden Medium zu entkommen. Andererseits k–nnten die Drogen nat¸rlich auch so ihre eigenen Absichten haben, was Bewuþtseinserweiterung betrifft.