Tim im Banne der Bestie Ðber die Erziehung zur M”nnlichkeit "Wer ¸ber Faschismus redet und auch noch ¸ber Sexismus, tut besser daran, gar nichts zu sagen." Johan Sjerpstra Nach seiner m¸hsamen Reise durch die Sowjetunion wird Tim in den Kongo geschickt. Das ist spannend. Da gibt es L–wen und Elefanten und Leoparden und Affen nat¸rlich, und Negerm”dchen mit nackten Br¸stchen. Und es gibt Missionsstationen mit Patres, eine Landwirtschaftsschule, das Krankenhaus und die Kapelle, und da werden die 'Neger' zu zivilisierten Belgiern erzogen. "Das war 1930", sagt Tim-Autor HergÈ in einem R¸ckblick auf sein Werk, "und ich wuþte ¸ber das Land nur, was die Menschen damals dar¸ber erz”hlten. Und ich habe daher die Afrikaner nach diesen Normen gezeichnet, in dem reinen paternalistischen Geist, der damals in Belgien ¸blich war." HergÈ irrte also ebenso viel oder wenig wie zu dieser Zeit jeder Belgier in der Krise irrte. Tim im Kongo rassistisch? Man k–nnte ebensogut sagen: aus der Vorkriegszeit. Einigen wir uns auf Rassismus der Vorkriegszeit. Ende der siebziger Jahre, auf dem H–hepunkt des Feminismus und der M”nnerbewegung, wurde die Frage aufgeworfen, ob das Werk von HergÈ sexistisch sei. Es war klar, daþ die Alben mit Tim und Struppi eine groþe Rolle in der Sozialisation und Katholisierung vorpubert”rer Jungen spielten. Frauen fehlen in den Alben, Tim hat keine Mutter, keine Freundinnen und ist nie verliebt. Die Frau, die wohl vorkommt, die Operns”ngerin Bianca Castafiore, verk–rpert alle belgischen Klischees des Weiblichen und hat dann auch einen vollen Busen, sie putzt sich immer ¸berm”þig heraus und singt ausschlieþlich: "Ha, welch ein Gl¸ck, mich zu sehn, so sch–n." Bianca Castafiore ist nicht attraktiv, weil weltfremd. Sehr gegen seinen Willen verh”tschelt sie Kapit”n Haddock. Sie ist sowohl die Hure als auch die Heilige. Sie ist Objekt und kann selbst”ndig handeln. Der Preis, den sie daf¸r bezahlt, ist der Verzicht auf ihre Sexualit”t in ihrer Rolle als unbefleckte, weiþe, reine Blume. Der wichtigste Vorwurf gegen Tim-Alben war, daþ es hier um typische Jungenb¸cher ginge, die eine anti-weibliche Tendenz h”tten. Diese Sexismuskritik beschr”nkte sich darauf, auf das hinzuweisen, was fehlte, n”mlich das Weibliche. Tim selbst war nicht so einfach als Sexist zu entlarven, einfach weil ihm keine Frauen ¸ber den Weg liefen und er keine diskriminierenden Bemerkungen machte oder diskriminierendes Verhalten zur Schau stellte. Der Sexismus bestand jedoch im bewuþten Ausschlieþen von Frauen und des Weiblichen und dem Anlegen eines K–rperpanzers. Diese feministische Timkritik interessierte sich nicht daf¸r, wie die M”nnlichkeit gestaltet wurde. Im offiziellen Katalog "Het imaginair museum van Kuifje" (Casterman, 1980) wurde eine direkte Parallele zwischen dem Sexismus einerseits und dem Rassismus von Tim im Kongo andererseits gezogen: "Im Rahmen einer christlichen Erziehung, welche die Geschlechter wie Rassen unterschied, war die Frau f¸r HergÈ zun”chst eine fremdes Land, eine andere Welt." Die Idee, die dahinterstand, war die, daþ Tim seine Jungenphantasien ¸ber M”dchen auf den schwarzen Kontinent Afrika projizierte. In politisch-theoretischen Begriffen bedeutete dies, daþ Rassismus erst dann wirklich bek”mpft werden konnte, wenn die zugrundeliegende heterosexuelle Zwangsmoral aktiv erkannt und abgelehnt wurde. Das Ergebnis dieser Befreiungstheologie war die Errichtung einer nicht weniger zwanghaften Moral einer idealisierten inneren Harmonie zwischen dem M”nnlichen und dem Weiblichen in uns selbst. Nun war offensichtlich Schluþ mit dem unbek¸mmerten Lesen von Tim und Struppi. Das befreite Bewuþtsein sollte zur Korrektur das kastrierte Weibliche in die Alben projizieren, aber das klappte nicht so ganz. Das erneute Lesen von Tim und Struppi wurde so als Projekt der Selbstkritik begriffen. Aber diese korrekte Lesart ging an dem vorbei, was es wirklich in den Alben von Tim und Struppi zu Sehen und Erleben gab. Das Lesevergn¸gen konnte einfach nicht getr¸bt werden. Das Kritisieren und Historisieren von Tim und Struppi-Alben endete immer in einer erneuten Empfehlung, die Alben zu kaufen. Tim im Kongo handelt ausschlieþlich von der Z”hmung des m”nnlichen Geschlechts, das man sich als wilde Bestie vorstellt, welches zivilisiert werden muþ. Nicht das Weibliche, sondern das M”nnliche wird als verschlingendes Monster problematisiert. Es wird dargestellt, wie aus dem polymorph-perversen Potential eine b¸rgerliche, m”nnliche Identit”t entsteht. Dies kleidet HergÈ in die f¸r Kinder anziehende Form der Entdeckungsreise. Die kindliche Phantasie ¸ber das Unbekannte verbindet HergÈ mit der Konfrontation mit den wilden Tieren. Auf diese Weise wird Afrika zur Projektionsfl”che f¸r die Geschichte der Erziehung zur M”nnlichkeit. Tim im Kongo entstand in den Jahren 1930/1931, als Reaktion auf die –konomische und psychische Krise jener Zeit. Die Zivilisationskrise wird in eine Erz”hlung ¸ber die sexuelle Identit”t im Ðbergang vom Kind zum Jungen umgesetzt. Im Gegensatz zum zuvor erschienenen Album Tim in der Sowjetunion nimmt HergÈ keine parteipolitische, sondern eine psychopolitische Sicht ein. Die Reise ist eine Expedition zur inneren Terra incognita, in den Dschungel der westlichen Seele. F¸r die folgenden Alben sollte HergÈ Forschungen vor Ort anstellen und Sachverst”ndige um Rat fragen. Aber f¸r Tim im Kongo war das nicht n–tig. Der Kongo liegt weit weg und die Reise dorthin macht man per Schiff. Diese Seereise wird ausf¸hrlich beschrieben. Der Bericht von der R¸ckreise mit dem Flugzeug nimmt gerade mal ein Bild in Anspruch. Offensichtlich wuþte HergÈ nicht so richtig, was er Tim tun lassen sollte, dort im Kongo. Was gibt es denn alles so zu erleben auf See? Als Passagier vor allem Langeweile, an Deck herumlungern, im Liegestuhl d–sen, mit einer Wolldecke ¸ber den Beinen. Aus Langeweile geht die Phantasie durch und Tim erlebt dann auch so viel auf See, daþ er kaum zum Herumlungern und Ausruhen kommt. Auf See gibt es Haie, Zitterrochen, einen blinden Passagier nat¸rlich, einen Papagei und schwarze Diener, da gibt es immer was zu lachen. Der Schiffsarzt ist auch interessant. Sex auf See kommt nicht vor, denn auf dem Schiff herrscht eine M”nnergemeinschaft, und Sex hat man mit Frauen, nicht mit M”nnern. Schon von der ersten Seite an ger”t Struppi mit dem Tier aneinander, in diesem Fall mit einer scheuþlichen Spinne. "Das gef”llt mir gar nicht: 'Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen.'" Bei der Verfolgung der Spinne zerbricht Struppi einen Spiegel: "Verflixt! Sieben Jahre Pech..." Gleich darauf erscheint zum dritten Mal ein schlechtes Vorzeichen. Diesmal ist es der Schiffspapagei Jacko, der "Rette sich, wer kann" ruft. Struppi glaubt, daþ das Schiff sinkt und versucht in Panik einen Rettungsring umzulegen, aber als ihm das Ding auf den Kopf anstatt um seinen Hals f”llt, rennt er aus der Kabine. Pl–tzlich steht er im T¸rrahmen Auge in Auge mit dem Papagei. Es bricht ein Kampf aus, als der Papagei in Struppis Schwanz beiþt. Am n”chsten Morgen ist Struppis Schwanz ziemlich geschwollen, und beunruhigt (die Papageienkrankheit?) suchen Tim und Struppi den Schiffsarzt auf. Dieser konstatiert gl¸cklicherweise eine harmlose Entz¸ndung, der mit einer kleinen Inzision abzuhelfen ist. W”hrend Struppi auf dem Behandlungstisch liegt, kommt ein Neger mit einer groþen S”ge in der Hand herein. "O nein! So nicht! Lieber sterbe ich!" ruft Struppi aus und rennt davon. Aber es stellt sich heraus, daþ es nur der Schiffszimmermann ist. Schlieþlich gelingt es dem Schiffsarzt, Struppi zu 'schneiden', und mit einem h¸bschen Verband um seinen Schwanz verlassen sie das Behandlungszimmer. Beim Zuschlagen der T¸r wird Struppis Schw”nzchen eingeklemmt. Direkt danach folgt eine zweite Konfrontation mit dem Papagei, die damit endet, daþ Struppi durch einen L¸ftungsschacht nach unten st¸rzt. Er plumpst auf den Kopf eines blinden Passagiers. "Verflixt! Die finden mich noch wegen dieses bl–den K–ters! Ich muþ ihn unsch”dlich machen!", sagt der Schurke und packt einen Stock. Aber Struppi kann gerade noch aus dem Schiffsraum entkommen, indem er durchs Bullauge ins Meer springt. Zuf”llig sieht es Tim und ruft: "Mann ¸ber Bord!" Tim wirft Struppi eine Stahltrosse zu und zieht ihn aus dem Wasser. Genau in diesem Moment wird Struppi wiederum in seinen Schwanz gebissen, diesmal von einem Zitterrochen. Von einem gewaltigen Stromstoþ getroffen, der sich durch die Stahltrosse ausbreitet, st¸rzt Tim bewuþtlos auf das Deck. In dem Album wird systematisch ein Spiel mit dem Bewuþten und dem Unbewuþten gespielt: wenn Struppi die Sinne schwinden, kommt Tim zu Bewuþtsein, und umgekehrt. Ein schwarzer Matrose eilt zu Hilfe, indem er "Massa Hund" einen Rettungsring zuwirft. Leider wirft der dumme Neger den Ring gegen Struppis Kopf, worauf dieser bewuþtlos in die Tiefe sinkt. Genau in diesem Moment richtet Tim sich schwindelig wieder auf. Trotz der Warnung, daþ die See voller Haie ist, springt Tim mutig Struppi hinterher. Als Herrchen und Hund wieder vereinigt sind, taucht unerwartet ein Hai auf, der Tim in den Fuþ beiþt. Schuh und Socke rutschen ab und noch einmal f”llt der Hai an. Endlich bringt der Rettungsring Rettung, denn Tim st–þt ihn ins Maul des Hais, danach werden sie herausgefischt. Das Unheil, welches die Spinne ank¸ndigt, ist die Kastrationsdrohung, die von Struppi in Gang gesetzt wird und die er schlieþlich auf Tim ¸bertr”gt. Vom Biþ des Papageis, der S”ge, dem Operationsmesser, der T¸r des Behandlungszimmers bis zum Stock des Schurken, ist es Struppi, der in Gefahr ist. Das Biest von einem Zitterrochen ¸bertr”gt die Bedrohung auf Tim, der schlieþlich selbst vom Hai gebissen wird. Ohne das Kind beim Namen nennen zu m¸ssen, macht HergÈ mit dieser Abfolge klar, was der eigentliche Grund der Reise ist. Die wilde Natur scheint nur an einem interessiert zu sein, n”mlich dem Schwanz. Um ihn herum schwebt eine bedrohliche Sph”re, welche die Reise in den Kongo spannend macht. Das Ziel der Reise wird sein, diese Bedrohung zu neutralisieren, indem Tim sich seiner M”nnlichkeit bewuþt wird. Tim im Kongo ist im Gegensatz zu sp”teren Alben ohne festes Szenario gemacht. Die Geschichte ist dann auch recht zusammenhangslos. Der Schurke, der von Anfang an dabei ist, gewinnt keine Konturen, und wird auf k¸nstliche Weise aus der Geschichte geschrieben. Was ein Leitmotiv hatte werden sollen, erweist sich als Einbahnstraþe. Weil HergÈ Schwierigkeiten mit dem Erz”hlstrang hatte, setzte er ganz auf seine Phantasie und Erfindungsgabe und kommt mit spontanen Einf”llen. Das f¸hrte unter anderem zu unverh”ltnism”þigen Metzeleien in der Savanne, die damals noch nicht Naturreservat hieþ. Zum Beispiel t–tet Tim versehentlich 15 Antilopen anstatt nur einer, nimmt die Stoþz”hne eines von ihm get–teten Elefantes mit, schieþt auf Krokodile wo er nur kann, jagt mit Sprengstoff aus Spaþ ein Nashorn in die Luft und macht sich keine Gedanken ¸ber die Anziehungskraft einer echten L–wenjagd. Sp”ter sollte HergÈ wegen dieses begeisterten und ungehemmten Tiermordes Reue zeigen. Er sei sich dessen w”hrend der Arbeit an den w–chentlichen Folgen von Tintin en Congo nicht bewuþt gewesen, weil er keine Ðbersicht hatte. Er hatte ganz einfach das 'Es' ungeniert aus seinem Stift flieþen lassen. Die –kologische Kritik begn¸gt sich damit, die Lust am T–ten zu verurteilen und verpaþt so die Gelegenheit, das allt”gliche Unbewuþte auf einen Begriff zu bringen. Tim im Kongo ist ein offenes Buch des Es. Einmal auf dem schwarzen Kontinent angekommen, nimmt sich Tim die Zeit, sich einen Ðberblick ¸ber die komplexen Bedrohungen zu verschaffen. HergÈ f¸hrt die unbekannten Gefahren auf drei Elemente zur¸ck: die Neger, den Schurken und die Tiere. Zentraler Punkt ist die kindliche Tolpatschigkeit der Neger. So versuchen sie in der Schule einen ganzen Tag lang, 2 + 2 auszurechnen, ohne die richtige L–sung zu finden. Als Tim mit seinem Spezial-Safari-Automobil auf Reise geht, bleibt er irgendwann auf einem Gleis¸bergang stecken. Ein Zusammenstoþ mit dem sich n”hernden Zug ist unvermeidlich, weil der schwarze Lokf¸hrer im Halbschlaf aus dem Seitenfenster der Lokomotive in die Ferne starrt, anstatt auf die Gleise zu achten. "Hilfe! Der Zug wird uns zermalmen!", ruft Tim erschreckt aus. Zu jedermanns purem Erstaunen purzelt die Lokomotive beim Zusammenstoþ von den Gleisen, w”hrend Tims Fahrzeug unbeschadet auf seinem Platz stehen bleibt. Der Zug ist offensichtlich so alt und klapprig, daþ er in einer Konfrontation mit dem Auto spontan versagt. Die autochtonen Reisenden scheinen nicht nur dumm und zur¸ckgeblieben, sondern auch erzfaul. Struppi ruft aus: "Los, ans Werk, ihr Faulpelze!" Es kostet Tim einige Ðberredungskraft, um die Lokomotive mit vereinten Kr”ften zur¸ck auf die Gleise zu hieven. Die Lokomotive scheint nicht mehr zu funktionieren, also lassen sie sich vom Tims modernem Auto ziehen und jeder ist wieder zufrieden. Ebensowenig wie das Rumoromavolk einen Draht zur Technik hat, haben sie auch f¸r Politik kein feeling. Ihr K–nig muþ einmal so dumm gewesen sein, das urspr¸ngliche, reichverzierte Szepter f¸r eine ganz gew–hnliche h–lzerne Teigrolle einzutauschen. Wo der weiþe Mann herrscht, ist die Frau K¸chenfee, aber wo der Neger herrscht, hat die Teigrolle das Sagen. Von ÷konomie und Rechtsprechung haben sie auch wenig begriffen. Nachdem Tim zum "H”uptling der Dingsbums Marodi" ernannt wird, l–st er auf ¸berlegene Weise einen Streit zwischen zwei Stammesmitgliedern. Beide behaupten, Eigent¸mer eines Strohhuts zu sein und Tim tritt als Richter auf. Anstatt den Hut dem rechtm”þigen Eigent¸mer zuzusprechen, schneidet Tim, wie K–nig Salomon, den Hut in zwei Teile. Ein Weiþer w¸rde ¸ber diese Zerst–rung in Wut ausbrechen, aber die Neger sind alle beide zufrieden: "Jetzt ich Hut und du Hut... weiþer H”uptling sehr dingsbums." Die 'indigenous people', der Andere, oder das radikal Exotische, wie 'die Neger' gegenw”rtig wohl heiþen, ben–tigt HergÈ, um die Komplexit”t der Gefahr zu bestimmen. Sie werden ¸bertrieben kindlich hingestellt, um die indigenous readers auf fr–hliche Weise Abschied von ihrer eigenen Kindheit nehmen zu lassen. Indem man Kind bleibt, kommt man nicht weiter und wird nie erwachsen. Der zur¸ckliegende Verlust der Unschuld wird mit dem Erwerb der m”nnlichen Identit”t belohnt. Weil die Neger so dumm und unschuldig dargestellt werden, sind sie willenlose Beute sowohl des B–sen, in Gestalt des Schurken, als des Guten, dem Kolonialherr-Reisenden-Missionar-Reporter. Daher k–nnen sie keine erwachsene Verantwortlicheit ¸bernehmen. Die Neger sind nur ein Zerrspiegel und verk–rpern nicht das eigentliche Problem. Der weiþe Schurke dagegen ist die Personifikation des versteckten B–sen, das als blinder Passagier mitreist. Er empfing den Auftrag, Tim aus dem Weg zu r”umen, in Amerika, von Al Capone pers–nlich. Al Capone hatte vor, die Diamantenproduktion Afrikas in die H”nde zu bekommen und glaubte, daþ Tim auf Expedition ging, um ihn daran zu hindern. Aber unser Reporter wuþte von nichts. En passant gelingt es Tim, die Gangsterbande hochgehen zu lassen. Es begann schon damit, daþ der Schurke Struppi ins Meer schlug. In Afrika stiehlt er Tims Safariauto und versucht sp”ter, Tim den Krokodilen zum Fraþ vorzuwerfen. Aber was er auch versucht, es gelingt dem Halunken nicht, Tim auszuschalten. Als er einen Stammeskrieg ausl–st, endet das nicht mit Tims Tod, sondern Tim wird zum "K–nig der Tschibo" ernannt. Der Schurke schafft es, jedesmal zu entkommen, bis schlieþlich ein Kampf von Mann zu Mann zwischen ihm und Tim am Rande eines Abgrunds stattfindet. Beide fallen hinunter, aber Tim landet auf dem weichen R¸cken eines molligen Nilpferds, w”hrend der Schurke den Krokodilen zur Beute wird. Er geht buchst”blich im Biest auf. Dadurch zeigt HergÈ, daþ letztendlich nicht der Schurke, sondern das wilde Tier die eigentliche Gefahr darstellt, auch wenn der Schurke sich dessen nicht bewuþt war. Das wilde Tier steht als ungez”hmte Natur f¸r die Gefahr, die ¸berwunden werden muþ. Afrika ist ein Tiergarten ohne Gitterst”be, wo die Tiere gehen und stehen wo sie wollen. Die einzige Art, sie zu beherrschen, ist, sie abzuschieþen. Obwohl Tim mit seinem treuen Vierf¸þler Struppi eine Freundschaft f¸rs Leben verbindet, sind die unzivilisierten Tiere Fremdk–rper f¸r ihn, mit denen jede Gemeinsamkeit ausgeschlossen ist. Selbst Struppi f¸hlt sich nicht mit den wilden Tieren verwandt. Tim begegnet Schlangen, Giraffen, einem Nashorn, Affen, er ist st”ndig mit der afrikanischen Fauna zugange. Die meisten dieser Darstellungen haben nur eine komische Wirkung, ohne daþ die Gefahr n”her bestimmt wird. In drei F”llen wird das Thema der Seereise nachdr¸cklich weiter ausgearbeitet, in seinen Begegnungen mit K–nig L–we, einem Leopard und einer Herde B¸ffel. Nach dem Abschleppen der verungl¸ckten Lokomotive kommt Tim als "guter Dingsbums Weiþer" die Ehre zu, von K–nig Teigrolle eingeladen zu werden, an einer echten L–wenjagd teilzunehmen. Der L–we verr”t sich durch fortw”hrendes Br¸llen. Pl–tzlich steht Tim Nase an Nase mit dem L–wen, der keinen Moment z–gert und unseren Helden bewuþtlos schl”gt. Jetzt ist es an Struppi, einzugreifen. Er beiþt sich im Schwanz des L–wen fest, woraufhin dieser Tim losl”þt. Im folgenden Kampf verliert der L–we seinen halben Schwanz. Benommen sitzt Struppi da, mit dem Schwanzende in seinem Maul, und Tim kommt wieder zu sich. Der L–we ist w¸tend, br¸llt noch lauter und f”llt die ruraromatischen J”ger an. Sobald jedoch der L–we Struppi mit der Beute in seinem Maul sieht, verwandelt er sich auf einen Schlag in einen zahmen Zirkusl–wen. Struppi warnt ihn: "Und fang nicht wieder an, sonst reiþ ich dir den Rest vom Schwanz auch noch ab!" Triumphierend bringt Tim den gez”hmten L–wen an einer Leine ins Dorf, w”hrend der L–we gebannt auf seinen verlorenen K–rperteil schaut. Die Verbindung zwischen Kastration und dem Verlust von Macht und Potenz ist nun offensichtlich. Das Kastrationsthema, das am Anfang noch durch eine undurchsichtige Aufeinanderfolge verdeckt wird, wird nun in aller Offenheit ausgemalt. HergÈ deutet damit an, daþ nicht die Kastration selbst, sondern die Drohung damit die eigentliche Gefahr ist. Nachdem Tim das Gangsterkomplott hat auffliegen lassen, geht er am Tag danach auf Safari. Pl–tzlich lassen die Neger den Tragesessel fallen und ergreifen die Flucht. "Verflixt, ein Leopard!" Einen Augenblick hofft Tim noch, daþ es ein gez”hmter Leopard ist, dann nimmt er seine Sodaflasche und spritzt dem Biest in die Augen, in einem Versuch, es zu verjagen. Der Leopard zeigt sich nicht beeindruckt und kommt zur¸ck. "Was habe ich denn sonst noch? Ah, ein Spiegel - warum nicht?" Erschreckt schaut der Leopard in den Spiegel. Anstelle von Tims M”nnlichkeit sieht der Leopard den Kopf eines wilden Tiers. Er fl¸chtet Hals ¸ber Kopf und ruft aus "Was f¸r ein gr”þliches Tier." Tim wirft einen Ausschnitt der Bedrohung zur¸ck auf das wilde Tier. Den Leopard erschreckt, daþ der weiþe Mann so viel Potenz hat. Es geht HergÈ darum, zu zeigen, daþ das wilde Tier verjagt werden und dem disziplinierten und gehorsamen Tier Platz machen muþ. Auf dem n”chsten Bild sitzt Struppi sch–n aufrecht in Bettelhaltung und ein erleichterter Tim mit dem leeren Spiegel zwischen den Beinen ruft: "Weg ist er!" HergÈ hat deutlich gemacht, daþ die Gefahr der ungehemmten M”nnlichkeit durch Z”hmung gebannt wird. W”hrend Filmaufnahmen l”uft Struppi begeistert auf eine Herde K¸he zu. "Vorsicht, Struppi! Das sind B¸ffel, die sind sehr gef”hrlich!" "Aber Tim, ich bin doch kein Kind mehr..." Aber schon ist das Unheil geschehen. Tim versucht den Anf¸hrer der Herde zu z”hmen und t–tet ihn schlieþlich mit einem Katapult. Dann ist die ganze Herde hinter ihm her, um Rache zu nehmen. "Rette sich, wer kann!" ahmt Tim den Papagei Jacko nach. "Ein B¸ffel geht ja noch, aber f¸nfzig sind zu viele!" Dann h–rt er Motorenger”usch und wird gerade noch rechtzeitig von einem zuf”llig vorbeifliegenden Flugzeug mit der Strickleiter hochgeholt. Die Technik ist ein Geschenk des Himmels und als deus ex machina das Medium der Z”hmung. "Na sowas..." schreit der Copilot des Doppeldeckers, "Seit einem Monat suchen wir Sie. Wir sollen Sie nach Europa zur¸ckbringen. Sie haben einen neuen Auftrag... Sie sollen in Chicago eine Reportage machen..." Und so nimmt Tim betr¸bt Abschied von seiner kindlichen Naivit”t: "Leb wohl, Afrika! Ich wollte noch soviel von dir sehen... und nun muþ ich schon wieder nach Europa und Amerika!" Dem ungehemmten m”nnlichen Trieb, der die blinde Potenz einer durchgegangenen Herde B¸ffel hat, kann man nur mit Hilfe von auþen entkommen. Hierin liegt, nach HergÈ, die L–sung des Problems. Kurz vor seiner Rettung gibt Tim seine eigene black box, die Filmkamera, mit der die Erinnerungen aufgenommen wurden, der wilden Natur preis. Er entkommt dem Fluch, der von Anfang an auf der Suche ¸ber den schwarzen Kontinent gelegen hat. Ohne Technik w¸rde seine Konfrontation mit seiner eigenen wilden Natur zu Verdammnis f¸hren. Die Moral davon ist, daþ keine Zivilisation inmitten der rasenden Natur m–glich ist. Es hat auch keinen Sinn, diese mit Gewalt zu t–ten. Sie kann nur mit Hilfe von Technik gez¸gelt werden. HergÈ betrachtet, wie auch sein Zeitgenosse Wilhelm Reich, die sexuelle Energie als Kraftquelle, die gesellschaftlich eingesetzt werden muþ. Es ist ein Reservoir mit einer grenzenlosen Potenz, von der der gr–þte Teil abgetrennt werden muþ, um in den Dienst der Technik gestellt werden zu k–nnen, wie Autofahren, Filmen und Fliegen. Der Rest dient der Reproduktion der eigenen Art, in der Erscheinung einer gesunden Sexualit”t in der modernen Ehe. Die Technik ist nicht das Messer, mit dem der Mann entmannt wird, sondern ein Transformator, ein Interface f¸r die Umsetzung von wilder Energie in geregelte Arbeit. Der Zweck der S”ge war es nicht, das m”nnliche Organ, sondern ein Brett durchzus”gen. Nicht das Geschlecht, sondern die Energie wird abgeschnitten. Das Ergebnis der Entdeckungsreise ist, daþ das aufbl¸hende sexuelle Bewuþtsein die Kastration nicht mehr wortw–rtlich, sondern energetisch begreift. Der schwarze Kontinent ist f¸r HergÈ keine fremde Rasse oder eine Frau, sondern eine unirdische ÷lquelle, die exploitiert werden muþ. Mit dieser Energie kann der neue Kontinent entdeckt werden. In Amerika k”mpft Tim dann auch nicht l”nger mit der (inneren) Bestie, sondern nimmt den Kampf mit der Gangsterbande von Al Capone auf. Durch die Ver–ffentlichung seiner inneren Regungen hat HergÈ seinen Namen etabliert und wird als erwachsener Comicstrip-Zeichner betrachtet. Die Serienproduktion von Alben kann beginnen.