ARBEIT, SEX UND MEDIEN Je gr–þer der Glauben an das Mediensupremat ist, desto zwin- gender wird 'die Frage' der Medien und desto lauter ist der Ruf nach einer allumfassenden Theorie. Diese muþ von den Me- dien formuliert und begrifflich gemacht werden, damit eine Politik gemacht werden kann. Das Fehlen einer klaren Analyse wird als wichtigste Ursache des Wildwuchs auf technologischem und kommerziellem Gebiet gesehen. Es ist aber die Frage, ob eine totale Machtsanalyse f¸r Medien formuliert werden kann. Zu Beginn des 20. Jhts ist schon auf verschiedenen Gebieten versucht worden, eine solche determinierende Abhandlungsma- schine in Gang zu bringen. Auf den Gebieten der Sexualit”t und Arbeit ist das damals gelungen. Psychoanalyse und Marxismus sind keine Nebenerscheinungen geblieben, sie haben den Lauf der Dinge ganz klar mitbestimmt. Sie haben nicht nur die Welt interpretiert, sondern auch ge”ndert und besprechbar gemacht. Beide Theorien hatten einen Totalanspruch, der unvers–hnlich war und in der Metatheorie Grund zu endlosen Debatten waren. Auf Straþenniveau korrespondierte die Abhandlungskollision mit revolution”rer Gewalt, die den demokratischen Staaten nicht gewachsen waren. Dennoch konnten im nachhinein die nichtver- standenen Kr”fte hinter den totalit”ren Bewegungen von einer freudomarxistischen Perspektive erkl”rt werden:indem Sex und Arbeit mit einander verkn¸pft wurden, wurde klar, daþ beide vor dem Krieg eine psychosoziale Identit”t bildeten und daþ Arbeiter aufgepeitscht werden konnten, indem man sexuell an sie herantrat. Die katastrophalen Folgen dieser versp”teten Erkenntnis, schweben zur Zeit wie dunkle Wolken ¸ber der Me- dientheorie-in-Aufbau. Wenn nicht jetzt eine Antwort auf die Medienproblematik gefunden wird, hat der Golfkrieg eine Probe gezeigt von dem, was uns noch bevor steht, behauptet das in- tellektuelle Unbehagen. Deshalb ist Saddam schlimmer als Hit- ler. Wie Freud keine Notiz von Marx genommen hat, nimmt die Medien- theorie keine Notiz von Freud und Marx. Kommunikationsspezia- listen suggerieren, daþ die alten Theorien nicht f”hig sind die Mediengesellschaft zu beschreiben und zu analysieren. Sind Sex und Arbeit vorher noch bestimmende Faktoren gewesen seien sie jetzt nicht mehr als Ableitung einer theoretisch (noch) unverstandenen 'Medienrealit”t'. Beide ausrangierten, sozialen Gr–þen erscheinen in den Medien, haben aber eine begrenzte G¸ltigkeit. Sie tragen nicht dazu bei, die ¸bergreifende Ge- setzm”þigkeit, die die Medien vorantreiben w¸rde, zu ent- schl¸sseln. Etwas Derartiges wollen ¸brigens Psychoanalyse oder Marxismus auch nicht. Indem sie erkannten, daþ die Faktoren Arbeit und Sex in die Medien inkorporiert worden sind, haben diese Theo- rien ihre Totalanspr¸che reichlich relativiert. Die Pr”tentionen des Denkens sind nicht mehr totalit”r. Der demokratische Taylorismus hat in der Theorie gesiegt, obwohl noch nicht klar ist, welches Produkt am Ende der laufenden Un- tersuchungen vom Flieþband rollen wird. Die kurzen Geschichten der Theorie sind Halbprodukte, die im Zeichen des Sachverstan- des in den Medien erscheinen. Diese Expertise ist Folge einer erfolgreichen Marketingstrategie, sucht immer die Modetrends und es ist ihr also vorbestimmt schnell zu verschwinden. Eine solche virtuelle Kondition ist ertr”glich, solange dem eine materielle Existenzsicherheit gegen¸ber steht. Die Kapitula- tion der Forschungsinstitutionen den Medien gegen¸ber best”- tigt einmal mehr die un¸berbr¸ckbare Abgrund zwischen Medien- praxis und -theorie. Sogar das Experiment in der Peripherie, das noch einen Allge- meinanspruch hat, operiert in einem Feld, das pr”zise abge- steckt worden ist. Es mag Kunst heiþen oder underground, Sub- kultur, oder lifestyle und wird wegen den Betriebsrisiken de- legiert. sobald aber Form und Inhalt auskristallisiert sind, wird es als Geschichte komprimiert als Gewinn f¸r das Medien- angebot. So hat z.B. die Betriebswirtschaft der Multimediashow das ganze Forschungsfeld im Griff und es scheint kein Entkom- men m–glich. Sogar der Elfenbeinturm der Wissenschaft ist mit Lautsprechern von K–nig Medien tapeziert, da, wo fr¸her K–nig Arbeit und K–nigin Sex schmetterten. Das zeigt, daþ wir es gewohnt sind, noch immer unterw¸rfig in Begriffen wie absolu- ter Monarchie und allgegenw”rtige Macht zu denken. Man wartet auf den Sigmund Marx oder Karl Freud der Medien”ra, der uns eine Vision eines postmedialen Reichs der Freiheit zeigt. Er, oder sie, wird die intellektuelle Erstarrung und Kleinkariertheit beenden und die Tische der postmodernen Be- griffsaustauscher umst¸rzen, damit die Theorie wieder der Leitfaden aller V–lker wird. Wie die Quantenphysik, m¸þte auch die Medienphilosophie eine Theorie Ðber Alles formulieren, die als Aufh”nger f¸r die meist unterschiedlichen Problematiken fungieren kann. Als Begriff haben 'Medien' ihren Ursprung in der Ph”nomenolo- gie von Hegel. Sein Prinzip des Geistes als Medium machte aus der b¸rgerlichen Gesellschaft eine wirksame Einheit. Das Medi- um des Geistes sorgt daf¸r, daþ ein qualitativer Sprung m–g- lich ist, durch welchen z.B. der kindliche, unschuldige K–rper sich in einen sexuellen K–rper verwandelt und dennoch gleich bleibt. Andererseits heiþt 'Medien', daþ von der Perspektive der Macht aus gesehen, die K–rper kontrollierbar und produktiv werden. Das Medium schafft eine Einheit, indem es zwischen Macht und K–rper vermittelt, sodaþ beide Polen wechselseitig abh”ngig sind. Die Macht kann nicht ohne K–rper und die K–r- per k–nnen nicht ohne Macht. Das Problem kann also nicht sein: Macht oder keine Macht, sondern: welcher Machttypus ist wirk- sam, wie es die Foucaultsche Schule formuliert hat. Charakteristisch f¸r den Machttypus des 20. Jhts ist die Kopp- lung von Medien, Arbeit und Sex, die die Organisation des –f- fentlichen Lebens auf ingeni–se Art mit dem Privatleben ver- flochten hat. Sex und Arbeit sind insofern Medien, als sie zwischen den K–rpern und dem Sozialen vermitteln. Wie Sex zwi- schen den K–rpern vermittelte, vermittelte Arbeit zwischen den Klassen. Sex und Arbeit bildeten als identit”tsf–rderndes Paar ein b”renstarkes Medium, weil beide Medien, in einer coopera- tiven Vereinigung, der Trennung von privat und –ffentlich eine produktive Kraft verliehen. So konnten sozial-–konomische Pro- bleme in psychosexuelle Begriffe ¸bersetzt werden. Gesell- schaftliche Gegens”tze wurden so auf psychischem Niveau als sexuelle Konflikte erfahren. Indem die Masse sich also psy- chisch an die sozial-–konomische Realit”t gebunden f¸hlte, konnte sie auf irrationale Art und Weise auf Angelegenheiten des nationalen Interesses angesprochen werden. So ist die Hy- sterie des Nationalsozialimus begreifbar gemacht worden. Die Geschichte l”þt sich periodisieren an Hand von auf einan- derfolgenden Machttypen, wobei der alte in den neuen ¸berf¸hrt wird. Wenn der heutige Machttyp von 'den Medien' definiert wird, nimmt er den psychosozialen Komplex mit, ohne von ihm beherrscht zu werden. Die Medien k–nnen denn auch nicht von einer kombinierten(oder auch nicht kombinierten) Offensive der sexuellen Disposition gest¸rzt werden:eine revolution”r-sexu- elle Berwegung wird m¸helos von den Medien geschlagen werden. Gleiches gilt f¸r das Soziale. Kreierte die Arbeitslosigkeit in den dreiþiger Jahren eine unmittelbare, revolution”re Si- tuation, so ist das jetzt, unter dem Regime der Medien, ausge- schlossen. Jeder (sexpol)Widerstand wird aufgezeichnet, nicht um ihn im Keim zu ersticken, sondern um das item-Potential testen zu k–nnen. Alte M”chte k–nnen sich fundamental ”ndern, ohne den neuen Machttyp anzutasten. Der psychische Komplex der K–rper ist nicht mehr unmittelbar an Sex und Arbeit gebunden, sondern spiegelt sich in immer wechselnden Bildern und Programmen, mit denen die Medien ar- beiten. Konnten die alten Medien nicht umhin, den K–rpern fe- ste und klare Identit”ten zu verschaffen, k–nnen die neue Medien nicht ohne polymorph pervertierte Identit”ten. Das heiþt nicht, daþ Medien keine Einheit kreieren. Ablenkung ist das, was Millionen bindet und besch”ftigt. Der Ðberfluþ an Diver- sit”t ist produktiv, weil unterschiedliche Elemente unmittel- bar aneinander gekoppelt werden k–nnen. Das unendliche Poten- tial an Kombinationen hat die festen Koordinaten von Zeit und Raum, mit denen der ehemalige Arbeit&Sex-Komplex noch auskom- men muþte, aufgehoben. Es ist schwierig, sich in Zeit und Raum fortzubewegen, wenn man mit jedem Schritt Blut und Boden mit- schleppen muþ. Viele der Vorw¸rfe, die den Medien gemacht werden, stammen aus einem Festhalten an einem Machttypus, der seine Wirkung schon verloren hat. Medien seien viel zu oberfl”chlig, um den Kon- text der Realit”t angemessen beleuchten zu k–nnen. Oberfl”ch- ligkeit kann nur als st–rendes Element erfahren werden, wenn man Wert legt auf Identit”ten, die verankert sind und f¸r so wichtig gehalten werden, daþ man sie nicht leicht nehmen darf. Auch die Idee, hinter oder unter dem Bildschirm w¸rden die wahren Kr”ften entschleiert, geht davon aus, daþ nicht die Medien selber die Macht haben, sondern Mittel in den H”nden manipulierender Dritter sind. Die unsichtbaren Schaltungen machen die Macht selbst unsichtbar und die Suche nach der ver- steckten Macht verkennt nicht nur dieses Merkmal der Medien- macht, sondern h”lt sich fest an den Regeln der ehemaligen Macht, die nun ja in die Medien verschwunden ist. Gleiches gilt f¸r die Klage, es g”be zuviel Information und Am¸sement und ihre Synthese infotainment. Das festgestellte Ðberangebot wird als Vergeudung von Energie, Zeit und Geld, wof¸r es eine viel bessere Verwendung g”be, erfahren. Diese Verschwendungs- metapher stammt noch aus der sexuellen Disposition, in der Energie entweder in Arbeit oder in Emotionalit”t umgesetzt werden muþte. Verschwendung war da ein Problem, weil es die Logik der (getrennten) Familien- und Fabrikarbeit gef”hrdete und die notwendigen Reserven nutzlos ersch–pfte. Was aber, medien-–kologisch betrachtet, Verschwendung ist, ist in der Mediensph”re das Testbild. Wo Verschwendung sich in Knappheit gr¸ndet und deren Ausnahmezustand ist, ist Ðberfluþ f¸r die Medien Existenzbedingung. War Verschwendung mal eine vernichtende Explosion, ist sie f¸r die Medien eine produktive Implosion par excellence, die die Schaltm–glichkeit um ein Vielfaches potenziert. Eigentlich m–chten die ÷kologen die Me- dien bis auf einen prime-time-Qualit”tskanal reduzieren-das deutet auf eine Sehnsucht nach Unterwerfung der Medien an eine nostalgisch gewordene Ordnung, die ein Leben in Verantwort- lichkeit scharf abgrenzt. All dieses Unbehagen sucht sich einen Ausweg und es ist an der Medientheorie, diese Unzufriedenheit therapeutisch zu behan- deln, damit die Benutzer wieder ausgeglichen funktionieren k–nnen und nicht l”nger in ihrem Kontakt mit den Medien fru- striert werden. Eine Therapie, die sich als Theorie pr”sen- tiert, soll die Angst vor Technik nehmen und kann dabei, grob gesagt, zwischen dem Verbalisieren oder dem Herabsetzen dieser Angst w”hlen. Theorie, die der gesellschaftlichen Frage nach Medientherapie aus dem Wege gehen will, muþ dagegen ¸ber die Grenzen der Medienrealit”t hinwegschauen. Wo Therapie die Me- diengest–rten heilt, m¸þte Theorie sie als Grenzf”lle, die den Blick auf die Medienmacht sch”rfen, betrachten. Medienketzer und -perverse enth¸llen mittels ihrer Abweichung die Normali- t”t. Bis jetzt macht die Medientheorie nicht viel mehr, als das Finden von Begriffen, mit denen die Introduktion von neuen Technologien begleitet werden kann. Meist passiert das, indem die Maschinengrammatik von innen heraus beschrieben wird, so- daþ wir sie in ihrer Sprache verstehen und ansprechen k–nnen. Die Medien werden mit Geschichte und Zukunft best¸ckt. Auþer Betrachtung bleibt hierbei die Realit”tsproduktion des neuen Machtstypus im Hier und Jetzt. Das Paradoxon jeder Medientheorie ist, daþ sie die (Hyper)Rea- lit”t nur durch Kriterien, die sich jenseits der Medien befin- den, kategorisieren kann. Theorie soll widerstandimmanent sein und das Unbehagen nicht ausl–schen, sondern verst”rken. Sie soll sich nicht gegen die Medien wenden, sondern an ihnen vor- beigehen. Die Annahme der Medienallmacht ist dagegen einen Versuch, das Unheil der brave new mediaworld hervorzurufen und anschlieþend zu beschw–ren, indem die subversiven Elemente ausgesperrt werden. Gleiches gilt f¸r die Relativierung der Medien zu unbedeutendem Datenstaub. Die Bagatellisierung ist eine Verneinung der (virtuellen) Realit”t, indem das Virtuelle als Virtualit”t verselbst”ndigt wird. Auch bei dieser Herange- hensweise kommt das Gegenw”rtige, mit seinen Paradoxon und Absurdit”ten schlecht davon. Das genaue Studieren der Mikro- physik der Medien wird ¸berfl¸ssig, denn Medien sind doch nur virtuell. Die Medientheorie neigt dazu, entweder die eine oder die andere Seite zu schwer zu bewerten und groþartig zu gesti- kulieren, statt die kleinen Geschichten aufzuzeichnen. Sie ¸berl”þt diese Drecksarbeit dem allt”glichen Journalismus. Medientheorie bl¸ht erst im Abendrot der Medien auf. Die Fa- schismustheorie brauchte den ganzen kalten Krieg, um ausreifen zu k–nnen. Der Appell der ÷kologen, die Medien einzufrieren, ist ein forcierter Versuch, die Wucherungen unter Kontrolle zu bekommen, damit die Forschung aufbl¸hen kann. Sie vergessen dabei aber, daþ das nur gelingen kann, wenn vorher eine Kata- strophe passiert ist. Wenn ISDN, HDTV und VR blockiert werden und damit die notwendige, permanente Innovation zum Stillstand kommt, ist gleichzeitig der Motor der globalen ÷konomie zer- st–rt. Die ÷kologen pl”dieren also f¸r eine Krise ohnegleichen, zu der im Vergleich der B–rsenkrach ein Kinder- spiel ist. Um ihre apokalyptische Sehnsucht akzeptabel zu ma- chen, schlagen sie pr”ventive Reformen vor, um die Medien zu b”ndigen(damit das Buch wieder in die Hand genommen werden kann). Es ist die Frage, ob Medientheorie ohne eine Weltkrise aus- kommt. Kann die Medienmauer fallen, wie der Eiserne Vorhang, unerwartet und ohne Blutvergieþen?Das Paar 'Vernichtung und Modernisierung', das der Motor des 20. Jhts war, kann im Me- dienzeitalter, ohne Gewalt anzuwenden, funktional bleiben. Gewalt wird eben freigesetzt, gecovered und anschlieþend aus- gesperrt als das primitive Kommunikationsmittel der waste- lands, die nicht angeschlossen sind. Medien werden weder von Gewalt ern”hrt, noch ern”hren sie Gewalt. Sie sind aber erstes Ziel, gef¸hrt von Medien–kologen. Ihre Empfindlichkeit zwingt die Medien dazu, f¸r eine Weltregierung, die alle Gewalt aus- sperrt und innerhalb der Netzwerke undenkbar macht, zu pl”die- ren. Diese unheimliche Ahnung der Medien mag gerechtfertigt sein, sie zeigen damit gleichzeitig, daþ sie noch in die (po- litische) Macht, die aus der Ÿra von Arbeit&Sex datiert, glau- ben. Jede Medientheorie, die auch Machtsanalyse sein will, ist ver- altet im Moment des Erscheinens. Will die Medientheorie die Medien analysieren, ohne daþ sie dazu einen Weltbrand oder Verschw–rung des milit”r-–konomischen Komplex braucht, muþ sie die Idee, Medien haben irgendetwas mit Macht zu tun, hinter sich lassen. Der Vorwurf der Oberfl”chlichkeit ist das gr–þte Kompliment, das man den Medien machen kann.