DAS AUþERMEDIALE "Das ganz Andere is different shit. " Johan Sjerpstra Alles ist medial. Es gibt keinen urspr¸nglichen, nicht-media- len Zustand, in dem man das authentische Menschsein erleben kann. Dasjenige, das nicht unmittelbar h–rbar, sichtbar, f¸hl- bar ist, ist irgendwo gelagert, ist aber noch nicht zug”nglich f¸r die knowbots. Die Idee, es g”be noch einen auþermedialen Rest, ist Motor des exklusiven Tourismus ("Erleb Jemen mal an- ders"). Die extramediale Erfahrung macht aus dem scanning -in-progress ein einzigartiges Erlebnis. "Ich hab das erste Photo eines Ye- tis gemacht. "Das Auþermediale wird von dieser Perpektive aus gesehen als eine zu erobernde Zone oder als vernachl”ssigtes Gebiet, das zu jeder Zeit wiederentdeckt werden k–nnte. Die Idee, daþ es eine auþermediale Wirklichkeit gibt, ist selbst ein medialer Effekt und das first amendment des Medienreiches. Medien geben nicht nur Information weiter. Sie k–nnen auþer dem Aufladen von Daten mit symbolischen Werten und Bedeutungen auch noch etwas anderes. Sie sind mehr, als eine Addition von hergestellten, technischen Schaltungen. Neben der produk- tiven und der repressiven Potenz kennen Medien den Moment der Negation. Falls es ein Auþermediales gibt, dann innerhalb der Medien und nicht auþerhalb. Man k–nnte es lokalisieren an eine Kreuzung von zwei Medien, zwischen dem Nicht-mehr eines Medi- ums und dem Noch-nicht eines anderen Mediums. In diesem schwarzen Loch erreichen sie die Sinne. Kurzfristig ist die Konditionierung verschwunden, stottert die Medienmacht und werden falsche Schaltungen hergestellt, die auþerhalb der Dom”ne der Information geh–ren. Der Inhalt eines Mediums ist das vorangegangene Medium, hat Marshall McLuhan geschrieben. Eine unvermeidbare Konsequenz dieser Regel ist, daþ derjenige, der inhaltliche Tiefe an- strebt, immer bei einem vorangegangenen Medium landet. F¸r die Schrift ist das die Stimme, f¸r die Photographie das Gem”lde und die Grafik, f¸r Film das Photo und das Theater, f¸r Radio die Erz”hlung und das Konzert. F¸r das ganze massenmediale Pa- ket ist das die Oper in ihrer Gestalt des Gesamtkunstwerks des 19. Jhts. Alle anderen Kombinationen liefern so auch ihre Tie- fe. In Begriffen des eigenen Mediums:der Autor konzentriert sich auf das R”tsel des Stils. Der Photograph besch”ftigt sich mit der Technik des eingerahmten Lichts und dem Verh”ltnis von hellen und dunklen Fl”chen. Und der Filmer untersucht die Kom- bination von Standbildern und dem Schwarzen dazwischen. In- haltliche Aussagekraft ist somit immer Folge einer Retrobewe- gung. Das Eingraben in ein Medium ist notwendig, um das eigene, kreative Moment in dem Medium, das man benutzt, festzuhalten, damit man vermeiden kann, daþ man vom eigenen Werkzeug miþ- braucht oder irregef¸hrt wird. Nur die absolute Beherrschung eines Mediums f¸hrt zu Authentizit”t, das heiþt, zum totalen kontrollierten downloading eines dataflows in ein Medium. Authentisch ist die eigenwillige Benutzung der Widerst”nde eines Mediums, um dem Ausdruck Dauerhaftigkeit zu verleihen. "And words obey my call. "(Yeats) An der Grenze eines Mediums zum folgenden Medium entsteht, nach den Regeln von McLuhan, ein Augenblick, in dem Medium A seinen urspr¸nglichen Inhalt verliert, um Inhalt des Mediums B zu werden. In dem Augenblick verliert Medium A seine immatriellen Funktionen und ist nur noch ein hohler Kanal, ohne Ðbertragung und nicht l”nger als die Inhalte, die bis dahin durch den Kanal geschleust wurden. Medium A ist f¸r ei- nen Moment informationsfrei, inhaltslos, autonom, konkret und wird so zu Material, das selbst ¸bertragen werden kann. So wird das einzigartige Photo bei dem Ðbergang zu Film auf ein- mal serienm”þig hergestellt und auf Film aneinander geschal- tet. Es verliert den einzigartigen Inhalt und Bedeutung:die Isolation eines einzigartigen Augenblickes. Medium B bespielt die Leere von A, um neue Inhalte zu hervorzubringen. Wer die Negation des eigenen Medium beobachtet, macht das, um das Medium so leer wie m–glich zu machen, damit ein neues Me- dium erscheinen muþ, um der Sinnlosigkeit des alten einen neu- en, ertr”glichen Kontext zu geben. Die Negationisten suchen keine Tiefe, sie suchen einen Ausgang:dasjenige, das die Authentiker verherrlichten, haben sie ausgekotzt. Ihr Medium funktioniert nicht mehr, w”hrend das neue Medium noch nicht da ist. Sie setzen auf das Unvorhersehbare, das auþerhalb der Grenzen des alten, medialen Programms liegt. Die Medien werden herausge- fordert zu beweisen, das sie mehr k–nnen als Information zu verarbeiten. Wenn man das Spezifische eines Mediums finden will, muþ man den Moment suchen, in dem das Medium seinen Inhalt losl”þt. Das geht, wenn das Medium sein ganzes Programm ausgesch–pft hat. Im Moment der Vollendung fallen Medium und Inhalt zusam- men und k–nnen als Material f¸r eine n”chste Runde benutzt werden. Was auf medialem Niveau der Moment der Kr–nung ist, ist von Seiten des Benutzers das Moment der Panik und Inspiration. Es ist die Erscheinung des Unvorstellbaren, die Medien antwor- ten. Die Experimente dessen, was im nachhinein avant-garde heiþt, werden nie mit einem klaren Ziel vor Augen unternommen. Man ist immer zu fr¸h oder zu sp”t. Nur die Mode ist immer rechtzeitig. Die Negation verfolgt fanatisch eine bestimmte Art der Medienbenutzung, um etwas hervorzurufen, dessen Exi- stenz als Unbehagen ¸ber die potentielle Benutzung des g”ngi- gen Mediums vermutet wurde. "Man kann groþartig am Malen sein, ja und dann?" Bis am Ende der Experimente das Medium durchknallt, durch- dreht, durchschieþt und 'es' nach auþen kommt (oder auch nicht). 'Es' ist keine aus der Subjektivit”t des Medienarbei- ters hervorgehende Erfahrung, sondern ein Techo-Effekt, eine Objektstrategie, ein Geschenk der anderen Seite, technologi- sches Gl¸ck. Gl¸ck ist eine definitive Erkenntnis, eine Erfah- rung der Sinnlichkeit, die Schaltung auf eine Frequenz, die nur du empfangen kannst, hier und jetzt. 1922 schaut Gottfried Benn auf eine extatische Zeit zur¸ck, die er im besetzten Br¸ssel, 1916, erlebt hatte: "Eigent¸mlicher Fr¸hling, drei Monate ganz ohne Vergleich, was war die Kanonade an den Yser, ohne die kein Tag verging, das Leben schwang in eine Sph”re von Schweigen und Verlorenheit, ich lebte am Rande, wo das Dasein f”llt und das Ich beginnt. Ich denke oft an diese Wo- chen zur¸ck, sie waren das Leben, sie werden nicht wiederkom- men, alles andere war Bruch." Die Wochen kommen nicht wieder, weil sie aufbewahrt werden in den R–nnegeschichten und dem Karyatidegedicht, das Benn in je- nen Wochen schrieb. Sein Medium hatte ihn v–llig unter Kon- trolle und er sein Medium, die Schrift. Das output war absolu- te Prosa, souver”ne Poesie. Als die Schaltung zwischen seinem K–rper und seinem Medium, zwischen A und B, zwischen Ich und Dasein, ¸ber alle Br¸che hinweg zustande kam, situiert Benn die Erfahrung an die Grenze von Leben und Tod. In dieser Sph”re von Schweigen und Verlo- renheit kann Benn nichts beitragen und kann sich nicht wehren: er befindet sich in der Situation des Photos, ein Bild des Films. Ein Teil des Ganzen, das die eigene Existenz l–scht und produktiv macht. Die Herstellung von medialen Schaltungen, der Moment der Abwesendheit jeder medialen Botschaft, kommt in die Sph”re der Erfahrung als Kopplung des Ichs mit dem Dasein durch. Die Medienkopplung gibt ihm den eigenen Moment. Eine Weile balanciert er auf der Grenze von Mensch und Medium. Medien fangen an, mit der Ðbernahme des vorangegangenen Medi- ums als Inhalt. In den F¸nfziger Jahren zeigte das Fernsehen Dramen inklusive Pausen, in virtual reality konstruierte man leere B¸rointerieure. Aber dann entdeckt irgendjemand, l”þt ein Medium entdecken, daþ es mit dem alten Material auch etwas anderes kann:das ist die einzigm–gliche Art, das R”tsel, das allen vorangegangenen Medien fehlte, anzudeuten. Es f¸gt der Provinz der Erfahrung eine Zone hinzu oder macht sie zug”ng- lich. Aber, sobald ein Medium sein R”tsel zeigt, l”þt es den Ðbergang aus dem vorangegangenen Medium hinter sich und wird souver”n. Wenn ein Medium nur noch Medium ist und seinen eige- nen Moment ins Spiel bringt, forciert es keine Daten, die es ¸bertragen soll und ¸bt keinen Zwang aus auf diejenigen, die an das Medium angeschaltet sind. Benn schrieb Gedichte "ohne Glauben, Hoffnung und Liebe." In Benns Br¸sseler Erfahrung brachte sein Medium etwas zum Leben, das nicht existierte solange, sein Medium nicht souver”n war. In anthropologischen Begriffen:Was tot war, solange das Ritual der Auswechslung des Toten und des Lebendigen nicht durchge- f¸hrt wurde, das Schweigen und die Worte auf Papier. Das Ritu- al des Spaziergangs und des Schreibens in Benns "drei Monate ganz ohne Vergleich" machte sein Leben lebenswert und verhin- derte, daþ er nur Ðberlebender war. Es bot einen Ausweg und eine Wiederkehr:es hielt seine Welt aufrecht. Benn schreibt 1949 in einer Einleitung zu fr¸heren Werken:"Im allgemeinen weiþ ich nicht, was ich schreibe, was ich vorhabe und wie etwas in mir entsteht, damals wie heute, ich weiþ nur , wann das Einzelne fertig ist. Aber das Ganze ist nie fer- tig."'Die Krone der Sch–pfung, das Schwein, der Mensch', schreibt mein Freund Oelze abratend und bedenklich, sei ein entscheidender Vers in diesem Buch. Er ist nicht nur inferna- lisch, er ist ungoethisch, er schmeckt nach Schwefel und Ab- sinth, aber ich griff ihn w”hrend meines Lebens in meinen Ar- beiten wieder auf." Auf was genau kam er zur¸ck? Nachdem der junge Benn w”hrend seines Medizinstudiums etwa zweitausend Leichen zerschnitten hatte, hatte er jedes ertr”gliche Menschenbild verloren. Daraufhin wurde es absolut still, kamen sechs Gedichte zu Papier, die erste Poesie, die er geschrieben hat. Die Kunst kam aus einer Leere, nach dem K–rper-als-toter- Gegenstand, nach der totalen Negation des K–rpers als Medium des Lebens und die Leere antwortete und wurde die Stimme sei- ner Poesie. Das Medium Poesie w”hlte ihn. Die Schaltung von verschwundenem K–rper und auf Papier entstehendem Text war die Medienkopplung, die Benn zum Schreiben brachte. Ob er nun wollte oder nicht, um Poesie schreiben zu k–nnen, muþte er, von da an, f¸r jedes neues Gedicht zur¸ck durch das Tor der Morgue, in die Benn den K–rper f¸r immer entleert hatte, um anschlieþend Poesie aus ihm herauszuholen. Um eine Handvoll trostreicher Verse schreiben zu k–nnen, muþte Benn immer vor- her den absoluten Verfall und die Verlotterung des Lebens hin- ter der f¸r ihn pr”destinierten(oder besser:der ihn auserw”h- lenden) Seziersaalt¸r anschauen. Jeder hat eine solche T¸r. Sie ist deine Position. Benn zerschnitt das Medium K–rper und landete im Medium Poesie. So wurde der K–rper (der eigene und der der Anderen) zu Material f¸r seine Sprache. Auch die Medien in ihrer heutigen Gestalt suchen die T¸r zu dem n”chsten Medium, eine T¸r nach einem Auþen, aber sie scheinen noch weit von diesem Punkt entfernt zu sein. Heutige Medien entziehen ihren Inhalt noch einem Etwas auþerhalb von sich selbst, sie wollen gef¸llt werden und ihr ganzes Programm ausprobieren. Die Massenmedien befinden sich immer noch in einem Stadium, in dem sie alle angesaugten Materialen t–ten m¸ssen, um selbst ¸berleben zu k–nnen. Jeder, der sich ins Bild bringen oder registrieren l”þt, 'stirbt', verliert seine K–rperlichkeit, seine Anwesenheit an einer Stelle und wird eine Sammlung bits, die ¸berall gleichzeitig ausgestrahlt wer- den k–nnte. Diese Vampirmedien haben das eigene R”tsel, auþer- halb der materiellen Wirklichkeit, noch nicht gefunden. Erst wenn sie die Dematerialisierung hinter sich haben, k–nnen sie sich im Immateriellen aufl–sen. Die Medien bilden jetzt schon ein System, in dem Menschen nicht mehr notwendig sind, es sei denn als Scannerern”hrung. Im Netzwerk der Medien ist der Mensch eher ein l”stiges Objekt, eher ein St–rsender und Ge- r”uscherreger als existenzielle Voraussetzung. Wenn die Medien wirklich st–rungsfrei den Rausch des eigenen Funktionierens austoben wollen, m¸ssen sie sich des Menschen entledigen. Die Potenz der digitalen Medien ist, daþ sie Bilder, Ton und Text von mathematischen Formeln heraus produzieren. Sie haben eine Auþenwelt, in der sie gar keine Schmarotzer brauchen. Das Auþermediale ist dasjenige, das, wie vollendet Medien in ihrer Reproduktiomstechnik auch sein m–gen und wie perfekt die Benutzer ihr Medium auch beherrschen m–gen, nie ausgedruckt werden kann, nie, innerhalb der Leistungen des betreffenden Medienpakets, verstanden werden kann. Das Auþermediale wird von den Medien aus dem Feld der Erkenntnis ausgesperrt, aber gerade deshalb erfahrbar gemacht - als dasjenige, das fehlt. Und das ist der eigene Moment des spezifischen Mediums. Schweigen kann man nur h–ren, wenn die Stimme nicht spricht, aber Stille erm–glicht erst das Sprechen. Das Auþermediale ist wie das Atommodell:wenn man es sich r”umlich vorstellen kann, hat man es nicht verstanden, dennoch ist es das Fundament des Existierenden. Das Auþermediale erscheint als Negation der Information eines Mediums. Es ist nicht die Gegebenheit, das sich vor oder hin- ter der Kamera als eine bestimmte Situation abgespielt hat, nicht die Darstellung auf einem Photo, sondern das Photogene. Ohne Photographie h”tte niemand gewuþt, daþ manche Gesichter, Haltungen, Landschaftselemente, in einem bestimmten Licht, vielleicht aus einem bestimmten Winkel heraus, etwas haben, das ohne Photo unsichtbar w”re:das Photogene. Nur sagt das gar nichts ¸ber dasjenige, das auf dem Photo abgebildet worden ist. Das Photogene ist ein technisches Gl¸ck. Wenn der Photo- graph sich den Kontaktabzug eines Film anschaut, ist es die Kraft, an dem man das entg¸ltige Photo wiedererkennt. Was Abbildung war (Photo), metamorphorisiert zu etwas, das auf der Abbildung nie da war(das Photogene). F¸r Filmbilder ist der photogene Effekt als dritte Bedeutung benannt worden:das, was bleibt, wenn man von manchen Filmsequenzen ihre Bedeutung innerhalb der Geschichte und die symbolische Deutung weganaly- siert. Ein Wecker, ein Haarknoten, ein paar Hausschuhe, Bett- her an der W”scheleine. Der Mehrwert, die Anwesendheit von Toten, die Stille, hervorgerufen in der Schrift des Photos, der Sprache, des Films oder Videos, in Erz”hlformen, symboli- schen Inhalten, aber auþerhalb Reichweite bleibend, wie weit die auch ausgedehnt werden mag. Aber genau deshalb wird sie ausgedehnt. Das Auþermediale ist die denkbar unkritischste Kategorie und die strengste. Nur von einem anderen Medium aus ist der eigene Moment eines Mediums zu entdecken, aber weder innerhalb des Medium selbst noch im Medium neben ihm ist ausdr¸ckbar, was das Eigene ist. Das Eigene existiert nur als Schaltung zwischen zwei Medien und das Photo sieht im Film etwas anderes, als der Film im Photo sieht, aber es gibt auch einen anderen eigenen Moment, wenn das Photo vom Gem”lde, von der Schrift oder vom Ton oder vom Tastsinn der Dinge heraus betrachtet wird. Der Inhalt ei- nes Mediums ist der Benutzer des Mediums. Kommunikation exi- stiert nicht. Zwei Medien streifen einander, registrieren, was wahrnehmbar ist aus der eigenen Perpektive und erfahren so etwas wie Gemeinsamkeit, wenn sie den Medieneigenenmoment des Anderen wiedererkennen. Das ist Verst”ndnis: A sieht in B, was nur A in B sehen kann und B sagt nichts zur¸ck, denn sieht in A, was nur B in A zu sehen vermag. Wenn es etwas gemeinschafliches auf diesem Pla- neten gibt, dan dasjenige, das prinzipiell inkommunikabel ist, auþerinformativ, nicht-medial, nur erkennbar als Schaltung eines Mediums zum anderen. Dieses Miþverst”ndnis erzeugt Krea- tivit”t wie kein anderer Faktor. Handeln, man findet sich, man baut. So wie ein Regisseur im eigenen Land als nationalisti- scher Nostalgiker beschimpft und in einem anderen Land als erstklassiger K¸nstler, der die Filmkunst auf ein h–heres Ni- veau bringt, betrachtet werden kann. Das Miþverst”ndnis ist das Gef”hrt f¸r die kulturelle Ðbertragung. Das Auþermedediale ist keine subjektive, psychologische Reak- tion, sondern eine physische Erfahrung, die von Medien hervor- gerufen wird. Zum Beispiel die dritte Bedeutung im Film. In schwarz-weiþ Filmen erscheint die dritte Bedeutung als eroti- scher Effekt. Mittels hyperproportionaler Vergr–þerung eines Gesichts auf der Leinwand(close-up) wird der Effekt von einem Gesicht, dem man sich dermaþen n”hert, daþ man es wohl k¸ssen muþ, hervorgerufen. Das Gesicht entledigt sich, mittels der Schauspieler und Beleuchtung, aller erkennbaren Ausdr¸cke und bekommt so eine physische Ladung. Garbo und Dietrich brauchten keine lasziven Blicke, um k–rperliche Reaktionen beim Publikum hervorzurufen. Der close-up in Farbe muþ auf diesen Effekt verzichten, aber erreicht ”hnliches, indem der ganze K–rper gezeigt wird. Madonna wirkt auf die K–rper der Zuschauern, nicht mit ihrem Gesicht, sondern mit total shots. Bei ihr z”hlen die Bewegungen von Busen und Oberschenkel. Von den Medien selbst aus gesehen, ist das Auþermediale nicht die dritte Bedeutung oder der photogene Effekt, sondern die K–rper der Benutzer. Daher die optische Obsession, endlos um den K–rper zu kreisen. Alles und jeder muþ ins Bild gezwungen werden, ganz und m–glichst live. F¸r Filme sind K–rper extra- informativ:Die K–rper k–nnen mit Bildern, dem Informativen, ber¸hrt werden, aber diese dringen nie tiefer durch, dashalb wird das Publikum des Films nie ¸berdr¸ssig und wird ein gan- zer Industriezweig besch”ftigt. Medien suchen aktiv Wege, um das Auþermediale zu realisieren, f¸r sie die einzigm–gliche Form der K–rperlichkeit. Aber es funkt nicht, nur weil man viele K–rper auf die Leinwand bringt. Das passiert nur, wenn Bedeutung III ins Spiel kommt. Die ist nicht qualitativ oder quantitativ, sie ist der Aufh”nger, an dem man h”ngen bleibt. Medien k–nnen gar keine materiellen K–rper hervorbringen, h–chstens die body-awareness polieren. Medien produzieren nur nachfolgende Medien und tragen das Geheimnis ihres Eintreffens mit sich herum. Das Geheimnis der Photographie ist die nach- folgende Bewegung, das Geheimnis des Kinofilms die allgegen- w”rtigen Fernsehbilder, das Geheimnis des Fernsehens die auto- nom generierten digitalen Bilder und der autarke Stillstand der chemischen und biologischen Drogen. Vom K–rper aus gese- hen, bleiben alle Bilder drauþen. Der K–rper kam ohne Bild- schirm und Zelluloid aus, die visuellen Medien aber nicht ohne K–rper. Das ”ndert sich erst bei den computergraphics und Psy- chedelika. Die alte Medien enth¸llten nicht die Existenz eines universel- len Weltr”tsels, sie zeigten im Gegenteil, daþ jede Leere ein eigenes R”tsel umfaþt, ein eigenes Auþermediales, das R”tsel, das nur von dem einen spezifischen Medium gefunden werden konnte -so wie die Sprache das Schweigen entdeckte. Bei jeder Medienbenutzung geht es um die Schaltung. "Make it new"(Ezra Pound). steht f¸r das Aktualisieren eines alten Mediums, indem es an das neue gekoppelt wird, wie Pound es in 'Cantos' vormachte. "Il faut etre absolument moderne."(Rimbaud) ist das Gegenst¸ck dazu und will die alten Medien verlassen und aufgehen in dem Neuen. Alle Medien, die es bis jetzt gab, erscheinen in der Sprache. Auch cyberspace hatte seine Premiere in Buchform (William Gibsons 'Neuromancer'). Die Sprache absorbierte eben- so viele alte Medien wie Fernsehen und gedieh, w”hrend Photo und Film Schwierigkeiten bekamen. Das Programm der Sprache bleibt vorerst universell oder wenigstens so vielumfassend wie das der Daten. In der Medientheorie gibt es den Tod nicht, sie ist eine vita- listische Lehre. Medien haben nur eine Verbindung mit dem Sterben und sind Spektakel. Der Tod ist das Nichtmediale. Auch neardeath Erfahrungen gibt es gerade nicht. Das Auþermediale f”llt nicht zusammen mit diesem Nichtmedialen, denn das Auþer- mediale ist undenkbar, unerfahrbar ohne mediales Inneres. Das Auþermediale ist die Negation des informativen Inhalts der Medien, der Tod ist die Negation der Medien an sich. Das Au- þermediale ist die Erfahrung von dem, das keine Information ist. Der Tod ist aber die Dom”ne von dem, was unerfahrbar bleibt. Vielleicht ist der Tod nichtmal die Grenze des Erfahr- baren, sondern eher eine Insel auþerhalb des mainlands. Mit Toten kann man genau so gut kommunizieren wie mit Lebendigen: jeder entdeckt das Seine. Photos von Geistern, Filme von Zom- bies, polternde Tische, abgesperrte R”ume f¸r Engel, un- deutliche Stimme auf Band:kein Medium schreckt davor zur¸ck, den Toten, in f¸r uns verst”ndlichen formats, zum Reden zu br- ingen. Aber, wie die Lebendigen aufgeh–rt haben, eine Defini- tion f¸r 'Leben' zu formulieren - die unm–gliche Frage - so schweigen die Toten ¸ber den Tod. Dar¸ber hat man sich gegen- seitig nichts zu melden. Am 10. August, 1941, sitzt Klaus Mann in New York. Heiþer Som- mer, jeder hat die Stadt verlassen. Er muþ an nr. 5 der 'Deci- sion', der von ihm gegr¸ndeten Zeitschrift f¸r amerikanische und Exilliteratur, arbeiten. Hitze. Weit und breit keine fri- sche Brise. Er –ffnet sein Tagebuch. Die letzte Notiz ist vom 29. Juni. Hitlers Armee hat gerade die UdSSR ¸berfallen. "Ist er toll, dieser Hitler?Er hat einen Fehler gemacht, den entscheidenden. Es ist der Anfang vom Ende." Die Freunde und Familie, bei denen er immer herumlungert, die interessanten Kontakte und Begegnungen, sind alle nach k¸hleren Orten abge- reist. Zehnter August. "Einsamer nie als im August...", Mann notiert auf dem Weiþen, unter den S”tzen ¸ber den Ðberfall der UdSSR, eine vage Erinnerung, fast ein Klischee-Zitat. Einfach so ein Satz. Und er erinnert sich an dessen Sch–pfer - da - und notiert anschlieþend zwei Strophen, an die er sich erin- nert, von Benn: "Einsamer nie als im August: Erf¸llungsstunde -, im Gel”nde die roten und die goldenen Br”nde, Doch wo ist deiner G”rten Lust? Wo alles sich durch Gl¸ck beweist und tauscht den Blick und tauscht die Ringe im Weingeruch, im Rausch der Dinge, dienst du dem Gegengl¸ck, dem Geist. " Das Gegengl¸ck. Etwas war nicht mehr dasselbe in Klaus Mann. Ich und das faszinierende Leben in mir. Nur Erfolg gewesen. Und nichts ist erreicht worden. Schreiberling unter vielen. Alles war zu einfach gewesen. Immer auf andere geh–rt, um et- was zu lernen. Immer der Rausch der Dinge und das Austauschen der Blicke und was dann kam. Aber der Arzt dadr¸ben... Ist Decision das Gegengl¸ck?Reicht es, daþ es mir jetzt zuwider ist, um als Gl¸ck gelten zu k–nnen?Weshalb bin ich nicht in der Armee, wie Tomski(sein Freund). Ruft jede Woche aus dem Trainingslager an:marschieren, schieþen, w¸tende Feldwebel. Und ich so faul. Er beneidet mich deswegen. Ist das nun Freiheit? Mann codiert darauf die Metamorphose die er durchmacht:Deci- sion ist nicht genug, Artikel schreiben ist nicht genug, ich muþ etwas Gr–þeres schreiben, etwas Groþes:ein Buch!Er hat im- mer in der Sph”re der Literatur gelebt und die produziert jetzt die literarische Codierung f¸r dasjenige, das in ihm zu str–men beginnt. Und die Sph”re der Freundschaften, in der er immer gelebt hat, produziert den Satz: "...damit ich Tomski etwas zu berichten habe, wenn der 'person-to-person-call aus Savannah kommt. Imagine!The first chapter is practically fi- nished...". Nach dem Schreiben dieses Satzes, steht Mann ab- rubt auf und geht hinaus. Gottfried Benn schrieb das Gedicht am 4. September 1936 in Hannover, fast als eine Best”tigung von dem, was Klaus Mann ihm '34 ¸ber seine Pr”ferenz f¸r die Nazis geschrieben hatte:"Wenn einige Geister von Rang immer noch nicht wissen, wohin sie geh–ren -:die dort dr¸ben wissen ja ganz genau, wer nicht zu ihnen geh–rt, namlich der GEIST". Benn schickte das Gedicht am 4. September per Briefkarte sei- nem Freund Oelze. Erste Publikation in 'Ausgew”hlte Gedich- te'1936. Klaus Mann schrieb dar¸ber '37 eine Kritik. Er schrieb zu der Gelegenheit: "Ist es nicht eine Selbstverst”nd- lichkeit, daþ er (Benn) heute sich entt”uscht, vereinsamt, desillusioniert befindet, da er sich ja in eine v–llig unm–g- liche Position man–vriert hat?Da man ihn ja nicht will bei den Nazis - die einen untr¸glichen Instinkt haben gegen alle seine Qualit”ten? Da er ja in Deutschland ¸berhaupt kein Publikum mehr findet, die wenigen Leser, die er jemals hatte, vertrie- ben oder doch mundtot gemacht sieht? Nun sitzt er als ein gr”mlicher Stabarzt in Hannover - was eine beneidenswerte Po- sition kaum sein d¸rfte." Aber, f¸gte Mann hinzu: "Das ist jetzt egal, Benn haben wir hinter uns." Bis, Jahre sp”ter, das Gedicht in ihm hochkam, die Artikula- tion des kaum beneidenswerten Stabarztes, der seine wenigen Leser mundtot weiþ. Etwas verschiebt sich in Klaus Mann. Eine Selbstverst”ndlichkeit. Diese Dichter und diese interessanten Leute die ich hier kenne, vergiþ es -nur die Arbeit ist wich- tig. Die groþe Arbeit. K¸mmer dich um die eigene Sachen und laþ die Anderen ihre Sachen machen. Als Mann wieder in sein Apartement kommt schreibt er weiter an dem Tagebuch, Whisky-soda zur Hand. :"Aber was f¸r ein Buch? Die Stunde ist ernst. Ich weiþ um den Ernst der Stunde. Mir ist ernst zumute. Ich will ein ernstes Buch schreiben, ein aufrichtiges Buch. Kann ein Roman ganz ernst, ganz aufrichtig sein? Vielleicht. Aber ich will keinen schreiben;nicht jetzt, nicht zu dieser Stunde. Ich bin m¸de aller literarischen Cli- chÈs und Tricks. Ich bin m¸de aller Masken, aller Verstel- lungsk¸nste. Ist es die Kunst selbst, deren ich m¸de bin?Ich will nicht mehr spielen. Ich will bekennen. Die ernste Stunde- das ist die Stunde der Konfession. " Und er entschlieþt sich dazu, ein Buch auf englisch zu schrei- ben:The turning point - sp”ter von ihm selbst ¸bersetzt als 'Der Wendepunkt' und erg”nzt von Tagebuchnotizen der Kriegs- jahre. Mann erlebt die Stunde der Metamorphose, die Stunde der Vollendung eines Oevres:eine Vollendung, die eine negative Version der eigenen Existenz inclusive seiner B¸cher ist, - nicht betrachtet als etwas, das er gelebt und geschrieben hat, sondern als Material zur Bearbeitung auf einem n”chsten Ni- veau, das der Autobiographie. Und in diesem neuen Raum muþ er nicht mehr brilliant sein, endlich. Das strengste Kriterium. Aber was bewegt das absolute Gedicht bei Mann, was macht ein altes Medium, wenn es Inhalt des n”chsten wird?Rilke hat das in einem seiner absoluten Gedichte erkl”rt, vierzig Jahre be- vor Mann es erlebte. Rilke beschrieb in dem Gedicht ein souve- r”nes Medium:ein vollkommenes Bild der Antike, vollkommen we- gen dem Fehlen eines Kopfes, der Arme, der Beine, des Ge- schlechts. Nur der Torso war da:in sich geschlossen, keinen Blick nach drauþen. Hermetisch. Rilkes Beschreibung dieses Mediums war selbst in sich geschlossen, alles paþte zueinan- der:die v–llige Beherrschung der Sprache f¸hrte zu einem v–l- lig authentischen Ausdruck. Aber als er seine vollendete Be- schreibung beendet hatte, folgte, einfach so, der Satz:"Du muþt dein Leben ”ndern."(Archaischer Torso Appolos). Pl–tzlich bot das einen exit. Die du-muþt-dein-Leben-”ndern-Erfahrung beim Lesen/Sehen/H–ren von souver”nen Medien, war dasjenige, das Klaus Mann erlebte. Er sp¸rte es und zog Konsequenzen. Nun ist Rilkes Satz nat¸rlich doppeltdeutig. Man kann endlos interpretieren, was genau gesagt wird. Bedeutet er:”ndere dein Leben, um selbst souver”ne Kunst zu werden - wie Rilke es ge- macht hat:Frau und Kind verlassen, vagabundieren. Oder ist es: ”ndere dein Leben, damit du selbst souver”n wirst. Oder sagt er m–glicherweise:Skulptur, ”ndere dich und werde zu Fleisch. F¸r diejenigen aber, die von der Ausstrahlung des Absoluten getroffen werden, ist diese Hermeneutik nur noch Teil eines Spiels. "Ich will nicht mehr spielen."(Mann) Ÿndere dein Leben, in diesem Moment der Vervollst”ndigung gibt es eine ÷ffnung, jetzt! - das strahlt das souver”ne Medium aus. Die Ÿnderung hat schon begonnen. Du bist ein Anderer jetzt. Sp”ter folgt die erstaunte Konstatierung:ich kann mir das Leben ohne dieses Gedicht, ohne den Tag, ohne die Gestalt, die pl–tzlich in der T¸r stand und mir klar machte, wie unbe- holfen ich war, gar nicht mehr vorstellen. Die Gegebenheit, daþ sich das Absolute ¸berhaupt nicht um die Auþenwelt k¸m- mert, wird von dem, der das bemerkt, in seiner Existenz best”- tigt;das ist die Ÿnderung. Die bei jedem anwesende Sehnsucht, anderswo sein zu wollen, von sich selbst befreit zu werden, verwandelt sich in die Sicherheit, hier zu sein, gerade zu dieser Zeit und in diesem Raum, in diesem Ich, in diesem Da- sein. Nur wer v–llig mit sich selbst zusammenf”llt, ist f”hig zu der Metamorphose, die ihn aus ihm selbst herausf¸hrt, ihn ”ndert. Offensichtlich ist das Vervollst”ndigung. Hermetik ist Diskontinuit”tsproduktion, es entsteht ein Raum auþerhalb des 'Ich und Dasein':die Metamorphose setzt ein. Etwas, etwas von woanders, von auþerhalb, erscheint im Jetzt. Es. Das Unartikulierbare. Eine Sph”re von Schweigen und Ver- lorenheit. Technologisches Gl¸ck. Souver”ne Medien. Ein gele- sener Satz. Lichteinfall. An dem Tag war es wahnsinnig klar. Ein Gestalt am Fenster. Bist du es, dachte ich? Das menschliche Bewuþtsein schaltet von Medium zu Medium und wird sich seiner Medialit”t in den Momenten des Ðbergangs be- wuþt. Wo ein Medium f”llt und das andere beginnt, gibt es f¸r kurze Zeit gar kein Medium. Da ist das Uncodierbare pr”sent, das Kanallose, das Schweigen der G–tter, l'inhumain. Raum, M–glichkeitsr”ume. Unwirkliche Stille. Dieses Auþermediale ist die Negativit”t. Negation heiþt:das Uncodierbare str–mt durch ein Medium und l”þt es wieder fallen. Nur wer sein Medium ver- nichtet, bringt dasjenige zum Ausdruck, das Ausdruck forderte: dasjenige, das keinen Ausdruck hat, auþerhalb den Medien steht. Souver”ne Medien kombinieren deshalb das Mediale mit dem Trieb zur Vernichtung der Medien und fordern von jedem Medium die Vollkommenheit. Denn Vollkommenheit ist die beste Destruktion. Anschlieþend k¸ndigt sich ein n”chstes Medium an.