DROGENTRIPTYCHON "Die Kunst hat ihre Geschichte und insofern ihre Zeit. Es ist jedoch noch etwas anderes, Vulkanisches, in ihr verborgen, ein Urstoff, der unter der Gestaltung wirkt. " Ernst J¸nger 1. Drogen als Medien Sobald die Pilze anfangen, zu sprechen, betreten wir die Dom”- ne der wahren Erkenntnis:"I am old, fifty times older that thought in your species, and I come from the stars". Wir fra- gen den Pilz, wie er auf Erden gekommen ist, aber das will er nicht sagen:"If I showed you the flying saucer for five minu- tes, you would figure out how it works". Warum sind Sie ei- gentlich Pilz? "Listen, if you're a mushroom, you live cheap;besides, this was a very nice neighbourhood until the monkeys got out of control. " Die pflanzlichen Drogen sind die teleports, die Zugang zu der parallelen Welt bieten. Sie machen auch die immatriellen Daten sichtbar. Wir sehen die Worte von Mund zum Ohr fliegen. Aber, enthalten Drogen selbst den Informationscluster oder sind sie nur die Kan”le, durch die die Erkenntnisse von anderswo durch- kommen?Seine These, das Medium sei die message, zeigt, daþ Mcluhan Drogenkonsument war, obwohl er keine pflanzlichen Mit- tel zu sich nahm. Die Generation der sixties muþte wohl anneh- men, daþ McLuhans K–rper selbst LSD produzierte. Ein fremdes Element der Mediengurus war, daþ ihre trips in Form der Apho- rismen erschienen, w”hrend dem Normalverbraucher, ohne das Niveau des belesenen Kammergelehrten zu erreichen, nur Bilder erschienen, deren Informationsgehalt mittels der Synapse ge- f”hrliche H–hen erreichte. Die Demokratisierung der totalen Erkenntnis f¸hrte letztendlich zu einer neuen Bilder”sthetik, aber kaum zu Welt- texten, die den Leser in das Drogenuniversum ziehen konnten. Die Erkenntnisse ¸ber G–tter, goldene Zeiten, auþerirdische, kleine M”nnlein, die Urhorde und das Weltkomplott stehen heute zu unserer Verf¸gung, sind in der Praxis aber kaum n¸tzlich. H–chstens blockieren sie unsere T”tigkeiten und f¸hren uns zu erfolgreichen Erfolgsstreiks. "Man steht vor Reichen, un- benennbar, in denen keine Siege zu erringen sind. "(Benn) Der Drogenkonsum bleibt in touristischen Ausfl¸gen in das letzte Paradies stecken und ist damit gruns”tzlich nur Unter- haltung. Man konnte mal kurz abschalten. Der Spielraum, den die berauschenden Drogen bieten, ist der der Dosierung:nehmen wir eine heroische Dosis oder bleiben wir Wochenendbenut- zer?Wie jedes Medium eine Masse kreiert, haben auch Drogen einen Weltmarkt erobert. Keine Kreation ohne Rekreation. Wenn es dein Zeitplan und dein Geldbeutel zulassen, kann die eige- ne, langweilige Umgebung pl–tzlich eine ¸berraschende Spannung bekommen. Drogen verdrehen und intensivieren die lokale Erfahrung und tragen so dazu bei, die Welt so zu akzeptieren, wie sie ist. Alles stimmt und der Andere ist auch in Ordnung. Das Verm–gen eines Buches oder Films, an einem Abend eine ganze Reihe von Details in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, kann auch auf pflanzliche Art erreicht werden. Ein Spaziergang durch die Stadt wird zu einem Videoclip, Karneval in Rio, ei- nem fl”mischen Primitiven, einem Photoalbum von Robert Frank, einem Godard mit voneinander unabh”ngigen Ton- und Bildb”n- dern, einer visuellen Version der soft machine oder zu einer Begegnung mit einem Zombie. Auch hier ist ein positives Ende eine Frage der richtigen Dosierung. 2. Medien als Drogen Das Fernsehen kennt ein merkw¸rdiges Ursprungsmythos. Als die CIA sich, anfang f¸nfziger Jahren, mit der Frage konfrontiert sah, was die Massendroge der Nachkriegszeit werden soll, z–- gerte sie zwischen LSD und Fernsehen. Die Beherrschungsm–g- lichkeiten, die man urspr¸nglich in den Psychedelika entdeckt hatte, zeigten nach wenigen Jahren unerw¸nschte Nebenwirkun- gen. Die Versuchspersonen entwickelten ein kosmisches Bewuþt- sein, das ohne Gesellschaftsordnung und Karrierezwang auskam. Dann entschloþ man sich dazu, die Bewuþtseinsmanipulation des Individuums mittels TV aufzum–beln, indem man die Ger”te und Programme auf die Nation loslieþ. Die Lehre der Massenpsycho- logie wurde von der Massenkommunikation ersetzt. Das Verm–gen zur Abstumpfung durch das neue Medium konnte nur effektiv sein, wenn die Freizeit radikal kolonialisiert wurde. Das Bil- derangebot des Fernsehens ist besser kontrollierbar als die souver”nen Phantasmen des trips und die devianten Nebenwirkun- gen des Fernsehens sind kaum meþbar. Nur noch ein Handvoll Zivilisationsmelancholiker glaubt an die Existenz einer Fern- sehsucht. Alle anderen akzeptieren die real-existierende Fas- zination und den demokratisierenden Effekt der elektronischen Droge. Nur wenn ein neues Medium introduziert wird, tritt eine hallizunierende Wirkung auf. Man denke an die erste Radfahrt mit walkman oder die erste Begegnung mit cyberspace. Der milde Rausch des Informationsoverloads ('kicks for nix') ver- schwindet, sobald der Benutzer gelernt hat, etwa 95% der Im- pulse auf subliminales Niveau zu senken. Die zwei Minuten des trailers enthalten gen¸gend Information, um den ganzen Spiel- film ableiten zu k–nnen. Auch die panische Montage des video- clips enth”lt die 5%, die man f¸r eine runde Geschichte braucht. Es wird erst spannend, wenn die ¸berfl¸ssigen 95% als essentiell pr”sentiert werden und die 5% Bedeutung nie auf den Bildschirm erscheinen, wie es bei 'Twin Peaks' der Fall war. Das Fernsehen beh”lt unvermindert seine erleichternde Wir- kung:man treibt Jahr f¸r Jahr angenehm mit der Informations- flut, die nichts mit der eigenen Existenz zu tun hat, mit. Das Fernsehen muþ uns auf touristische Art fesseln:95% bullshit, mit dem Versprechen, daþ irgendwann irgendwo die wahren 5% erscheinen werden. Die zappenden multi-media-users werden an- getrieben von der zwanghaften Vorstellung, die entscheidenden Momente miterleben zu k–nnen. In der Zwischenzeit treiben sie wohlgelaunt herum und akzeptieren dankbar den Rausch. 3. Medien und Drogen Das n¸chterne Zusichnehmen der Medienbotschaft m¸ndet schon schnell in einen Ausnahmezustand. Um den zu vermeiden, hat sich Kaffee bei den Tagesthemen und Bier beim Spielfilm intro- duziert. Die ¸berf¸llten Aschenbecher werden am Ende des Abends geleert. Dennoch ist der benebelte Zustand des Rezi- pienten ein Tabu der Medienkritik. Filmrezensenten wird unwohl bei dem Gedanken, daþ das Kinopublikum –fters bekifft oder angetrunken ist. Die anget–rnte Interpretation scheint eine Beleidigung f¸r das Kunstwerk zu sein. Sex- und Drogenkonsum d¸rfen nur auf der Leinwand erscheinen. Die westliche Zivili- sation schreibt vor, daþ der Abstand zwischen Werk und W¸rdi- gung beachtet wird. Es wird nicht akzeptiert, daþ die soziale Bagage mit der Eintrittskarte abgegeben wird und daþ man nicht von einem theoretischen Rahmen aus zuschaut, sondern im Rahmen des Films selbst einsteigt. Die drohende Ðberdetermination der Konsumartikel frustriert die kulturelle Ðbertragung. Man darf eine originel- le Geschichte aus dem Film heraus lesen, aber die Bilder nicht f¸r eine eigene Reise miþbrauchen. Jetzt, wo man mit erh–htem Bewuþtsein den Film mit einem Blick durchschauen kann, wird das soziale Ritual des Nachplauderns v–llig ¸berfl¸ssig. Das einzige Vergn¸gen, das bleibt ist schlucken, schnupfen oder rauchen und den n”chsten kick zu suchen. Die drogierte Datenproduktion ist dagegen v–llig akzeptiert. Unter Musikern ist die Zeit zwischen Drogenkonsum und B¸hnen- auftritt genau festgelegt und das Publikum benutzt die Gele- genheit dankbar, um das eigene Drogenniveau an das der Laut- st”rke anzupassen. Die cocktails, die Softwareautoren zu sich nehmen, sind von der Computerindustrie akzeptiert, ebenfalls die trips, die die Kapitalm”rkte so rentabel machen. Amerika- nische K¸nstler sind stolz auf ihren A-Dealer, w”hrend Anf”n- ger abh”ngig sind von zweifelhaften dealern an den Straþene F¸r ge¸bte Leser ist der Drogengehalt ihrer Autoren m¸he- los zu erforschen. Nicht das Schreiben ¸ber Drogen oder das Filmen der Tat ist interessant, sondern das 'writing on drugs' eines Avital Ronell, der shot im Rausch von David Lynch, das Kaffeeoevre Benns, die Haschoffenbarungen der Madame Blavat- sky, das Bourgognedenken des Adrien Turel, Baudrillards Ziga- rettenhype, cokepaintings von Rob Scholte, XTC-Art ý la Paul Perry, die ganja-songs Bob Marleys, das speedy Tempo des punk, die Marihuana-dialoge von Robert Altman und die high politics von Clinton und Gore. Drogen und Medien sind gleichwertige Partner. Solange der com- puter noch nicht unmittelbar an das Gehirn angeschlossen ist (und damit an den Sch–pfungsprozeþ), sind hemmende und be- schleunigende Drogen notwendig, um einen k¸hlen Kopf behalten zu k–nnen inmitten der unvorstellbaren Dateninteraktionen, die Grundlage f¸r die k¸nstlichen Realit”ten sind. Drogen k–nnen als Metamedium benutzt werden, um die technischen Medien be- herrschen zu k–nnen. Wenn sie fehlen, ist der Punkt der Uner- tr”glichkeit schnell erreicht. Drogen erm–glichen eine Kommu- nikation mit (auþer)irdischen Intelligenzen. Aber gleichzeitig machen sie aus den eigenen Nervenstr”ngen technische Medien, die mit gleicher Geschwindigkeit wie die auþerk–rperlichen Ger”te funktionieren. Jetzt, wo Datenerzeugung ohne Drogen un- denkbar geworden ist, ist es an der Zeit, daþ die Drogen sel- ber zu Wort kommen. Zeigt den Koks von windows.