INTELLIGENTE MEDIEN "ITV will let you massage the medium and the message. " Mike Saenz & Michael Synergy Das Medium Medien ist mondial eingef¸hrt und hat seine Akzep- tierungsphase hinter sich. Die letzten Winkel der Satelliten- bahnen werden kolonialisiert und nur innerhalb des Kanalange- bots findet noch innermediales Wachtum statt. Aber mit dem Er- reichen der adulten Phase sehen die Medien die midlife Krise auf sich zu kommen. Die Gleichg¸ltigkeit der Glotzfanatiker wurde von Anfang an erkannt und radikal pariert durch die Be- schleunigung von Bildern und das Erregen des Partizipationsge- f¸hls, ganz in das Medium aufgenommen zu sein. Die Indiffe- renz, so bef¸rchten die Medien, wird sich in der grenzenlosen Welt von morgen wie eine Epidemie verbreiten und zu unvorher- sehbaren Situationen f¸hren. In Ðbereinstimmung mit der alten Markeingidee wird darauf mit einer maximalen Differenzierung des Produktes geantwortet, damit alle Marktnischen eingeschal- tet bleiben:ein stalinistischer Kanal f¸r Altkommunisten, Ba- by-TV, Tierfernsehen f¸r Freilandferkel etc., 24 Stunden am Tag. Das ist aber keine Antwort auf das scharenweise Ðberlaufen zur Realit”t, das eine viel gr–þere Gefahr ist. Das wachsende Be- d¸rfnis, neben der Arbeit selbst auch mal Geschichte, wenn auch nur in der Sph”re des Tourismus oder Hobbyismus, schrei- ben zu k–nnen, schiebt die Medien in den Schatten des Ereig- nisses. F¸r einen Moment hat man keine Zeit f¸r die Medien. Listig verweisen die Erfahrungmacher die Medien auf die allzu bekannten, historischen Symbole, die Teil des Bilderarsenals der Mediasten sind und die Suggestion in sich haben, es stehe etwas bevor. Mittels dieser Medienfalle schaufeln sich die aktiven Tagesausfl¸gler den Weg frei, um anderswo the right thing anzurichten. In den westlichen Museumsst”dten hat sich daraus eine Bastel- gemeinschaft gebildet, die antimediale Bewegung, die alle Ver- bindungen abbricht nach dem Motto 'zerst–r mal ein Medium'. Mittels Verschwindungsaktionen kreiert sie, bis zum Terroris- mus mit Hilfe von harmlosen Antisatellit-Laserkanonen, zeit- weilige und –rtliche medienfreie Zonen. Sie ist die geheime Bewegung schlechthin, denn sie wird sorgf”ltig auþerhalb der Berichterstattung gehalten und zeigt ihr Dasein nur in Form von St–rung und Sabotage. Alle Ereignisse, die nicht zu den Medien durchdringen, beansprucht sie als Sieg ihrerseits und reicht sie weiter an die auþermediale Szene, mit der sie sich verwandt f¸hlt. Aufgeschreckt von dieser Gewalt, dazu der be- unruhigende Zuwachs der Gleichg¸ltigkeit und die Fragmentari- sierung der Einschaltquoten, wird die Mentalit”tspolizei dazu gezwungen werden, eine gesellschaftliche Diskussion ¸ber die Medienzukunft auszul–sen. Die Medienlobbyisten wollten das Diskussionsergebnis nicht abwarten und haben schon mal ange- fangen mit dem R&D der unvermeidlichen Antwort:die intelligen- te Medien. W”hrend interaktive Medien vom Subjekt heraus argumentieren und die Wirklichkeit ¸berfl¸þig machen, denkt das Intelligente Medium(IM) vom Objekt heraus und versucht zu bestimmen, was vor dem Bildschirm geschieht. Die Fragmentarisierung des Zu- schauerverhaltens in der vorangegangenen starren Medien”ra wurde vom Remote-control verursacht. Die Fernsehproduzenten negierten die Zapp-Praxis, oder versuchten, ihr vorzubeugen, indem noch h¸bschere Programme zusammengestellt oder Variatio- nen der gleichen Geschichte auf mehreren Kan”len ausgestrahlt wurden. Auþerdem wurde die angebotene Diversit”t ¸ber 24 Stunden verteilt, eine Reliquie der juvenilen Phase, als die Nation den halben Abend lang nur einer Sendeanstalt zuschaute. Jetzt, wo die Einschaltquoten, wegen des Umschaltens, f¸r die Werbungsk”ufer ihren Wert verlieren, schaltet man um auf die Registrierung der eingeschalteten Kanalzeit:die Minutenzahl, die ein Zuschauer in einem Kanal h”ngen bleibt. Ein extra chip in der Fernbedienung macht es m–glich. Das digitale IM geht noch einen Schritt weiter. Es bekommt ein permanentes Feedback des Zuschauerverhaltens und installiert Minimalwerte, die bestimmen, ob das Produkt unver”ndert die Bildschirme erreicht. Wenn die Kanalzeit diesen Minimalwert zu unterschreiten droht, startet IM eine sublime Untersuchung, um heraus zu bekommen welche Elemente am Programm hinzugef¸gt oder ver”ndert werden sollten(Aktualit”t, Sex, personality, B¸hnenbild, Dialoge, Musik, Farbe). Die Programmproduzenten liefern nur noch potentielle Programme, die Chance f¸r einen alten Kinoerfolg, ausgestrahlt zu werden, ist minimal. Fort- w”hrend werden Konkurrenzkan”le auf attraktivere bits gescanned. Das klas- sische 'nacheinander' Montieren von Bild und Ton ist durch synchron Mischen eines Zentralcomputers ersetzt worden. Ein Beitrag ist gelungen, wenn die Manipulationen nicht auffallen. Wenn nichtdestotrotz die untere Schwelle des Minimalwerts er- reicht ist, steigen wir unbemerkt auf einen ganz anderen Pro- grammteil um. Die Fragmentarisierung wird bleiben, weil der Geschmack sich st”ndig ”ndert und weil es early adopter und Nachfolger gibt. Aber von der Bedrohung ist sie zur Existenz- voraussetzung geworden. Dennoch nimmt IM nicht das Unbehagen in den Medien weg. Das Intelligente Medium f¸hrt zu einer totalen Informationsrelati- vit”t. Wenn ein Item nicht interessant ist, bekommt es langsam einen neuen Inhalt. Die Gemeinschaft der wahren Demokraten flippt aus und wird, mit dem Ergebnis der gesellschaftlichen Diskussion zur Hand, alternative L–sungen fordern, um die In- formation vor ihrem Untergang zu retten. Da die TV-Gesichter der Letzten der Poliker von den Medien abh”ngig werden, wollen sie Rache. Sie k–nnen mit ihren ÷ffentlich-Rechtlichen den Kampf mit den dynamischen Medien nicht mehr gewinnen und kom- men deshalb mit vern¸nftigen Vorschl”gen. Sie fordern ein Mar- kenzeichen der Realit”tsgarantie linksoben im Bildschirm. Das IM wird hierauf nicht eingehen, gibt aber zur Kompensation be- stimmte Zonen frei, in der die Gemeinde selbst medientr”ge Realit”tsregionen schaffen kann. Diese sind auch dazu gedacht, die antimediale Bewegung in einen radikalen Fl¸gel und einen Teil, der verhandeln m–chte, aufzuspalten. Die Demokraten behaupten als n”chstes, daþ eine Mediendi”t notwendig ist, will man gesellschaftlich funktionieren k–nnen. Manche Patienten werden weniger, manche mehr zuschauen m¸ssen. Von IM wird gefordert, daþ es ein ÷koprinzip einbaut:sobald die Zuschauerzahl das absolute Minumum unterschreitet schaltet der Kanal automatisch ab;wird ein absolutes Maximum erreicht, soll der Informationsgehalt vergr–þert werden, sodaþ das Info- tainmentgleichgewicht wieder erreicht wird. Das Ausfallen von Kan”len dauert einen Tag oder eine Woche, f¸r die IM-Magnate ist es aber viel attraktiver, wenn es ein entg¸ltiges Ausfal- len w”re, denn es erh–ht die Spannung des Zuschauens und er- h–ht somit die Kanalzeit der schlechten Kan”le. Die Medienpo- lizei fordert dazu noch eine Eind”mmung der ¸berfl¸þigen In- formation, um das Wesentliche wieder an die Oberfl”che der Geschichte zu bekommen. Das IM kann da aber keine Zusagen ma- chen, denn alle Information ist nunmal Ger”usch. Das Angebot, die Politik auf einem eigenen Kanal zu parken, wird abgelehnt, denn der Kanal w”re innerhalb von einer Woche verschwunden. Die Demokraten werden immer eine intolerante Minderheit inner- halb einer absoluten demokratisierten Medienordnung bleiben. Die ÷korestriktionen werden von dem IM als Legitimation zur permanenten Kontrolle der Medienbenutzung und damit auf allen Bewegungen innerhalb des Sensorenstrahls benutzt werden. Der gemeinsame Nenner bleibt, daþ, koste es was es wolle, in den Medien partizipiert werden muþ. Die intelligente Antwort auf IM kommt von IM selbst:PTV. Das Personal Television ist, sofern es Bildnahrung betrifft, nicht exclusiv auf das Angebot von IM angewiesen, sondern be- dient sich von souver”nem Bildmaterial, um eigene sampler und remixes herstellen zu k–nnen. PTV f¸hrt das videogame aus den Kinderschuhen heraus und stellt dem Interaktivist einen zen- tralen Bilderpool zur Verf¸gung. Neben Archiv und aktuellem Material bekommt man unbegrenzt footage von Ðberwachungskame- ras, Satelliten, Camcordervereinen und Ðberlebensreisen. Jeder PTVist schickt selbstverst”ndlich die eigene Version eines Ereignisses an den pool zur¸ck, damit andere herumbasteln k–n- nen. So soll das do-it-yourself Medium die Kreativit”tsideolo- gie retten. Die einzige Ðberlebensstrategie der Medien ist, unter allen Umst”nden interessanter als die Realit”t zu sein. PTV versucht das Selber-Geschichte-Schreiben durch einen letz- ten technofix zu ersetzen. Mit PTV erreichen die Medien die dritte Existenzphase. Aber die Realit”t kann man nicht f¸r immer als touristische Attrak- tion in einen Vergn¸gungspark einsperren. Sie lauert auf eine Chance, um alle Medienmacher fr¸her oder sp”ter ¸berfallen zu k–nnen. Die auþermediale Szene ist schon unter uns, gibt sich aber keine Bl–þe und bleibt so unrreichbar f¸r die touristi- sche Erfahrung. Sie wartet in aller Gelassenheit auf den Tod der Medien.