DIE KOMMUNIKATIONSKATASTROPHE "Wovon man sprechen kann, davon soll man schweigen. " Der Widersacher Die Furcht vor Viren, die den PC-Proletariern von der Weltre- gierung aufgeschw”tzt wird, ist ihr von der Vorahnung eingege- ben, daþ nicht der freie Datenstrom zwischen B¸rgern, sondern das Fehlen von Austausch eine Bedrohung ihrer Allmacht sei. Das Virus kreiert ¸ber delete und overload zeitweilig einen Freiplatz, der vorher von Datenkommunikation besetzt wurde. Das Virus ist vollwertiges Mitglied der demokratischen Ge- meinschaft und partizipiert in allen Diskussionen. Es ist kei- ne Krankheit, sondern eine experimentelle Form des Argumentie- rens. Das Virus ist die konzequente Fortsetzung des langen Marschs durch die Institutionen, die die Gesellschaft von in- nen heraus ver”ndern wollte. Es hat die Maske der Bedeutung und gute Intentionen abgelegt und sieht die gegebene Datenwelt als Material, das es gegen sich selbst ausspielen kann. Es werden keine neuen Kreationen aufgetischt;der Techno-Reformis- mus bleibt leer. Der Datennihilist richtet sich nach den Worten des politischen Anarchisten Bakunin:"Die Lust zum Zerst–ren ist auch ein sch–pferischer Trieb". Der Niederschlag von Geist in Informa- tion war an sich noch nie subversiv. Information ist selber ein Virus, das sich endlos multipliziert. Um gehackte Daten erfassen zu k–nnen braucht man mehr Information, die noch mehr Daten brauchen usw. Das extatische Virus f¸hrt diesen Informa- tionswucher zum Endpunkt, indem es das Netzwerk auf den tota- len overload zusteuern l”þt. Das hungrige Virus dagegen saugt Informationen an und nimmt Kurs auf das totale delete. Es kreiert Leere indem es Daten verbrennt. Es beugt der Infor- matisierung des Bewuþtseins, die immer befrieden will, vor. Jeder nomadische Gedanke muþ sich als historische Information in der F¸lle der politischen Codifikation verantworten. Das Fehlen des Bewuþtseins ist das gr–þte Verbrechen:asozial, amo- ralisch, unrealistisch, psychiatrisch. Das Virus hat sich vom gesunden Menschenverstand abgewendet und ist zum paranoiden Pol, der die Anti-Produktion, die absolute datenfreie Kommuni- kation will, ¸bergelaufen. Das Virus ist das Gebet des compu- ters. Das Virus ist eine Datenschnur, die auf Reisen geht und ihren Autor im Sozialen zur¸ckl”þt, wo er das Etikett 'kriminell' aufgeklebt bekommt. Der Virusproduzent kann sich nie publik machen und sieht sich dadurch gezwungen, im Gespr”ch ¸ber die demokratische Bedeutung von Information mitzureden. Da findet er sich dem klassischen Hacker gegen¸ber, der das Herumtreiben im Netzwerk als Kampf gegen das Geheime betrachtet. Der Hacker meint, alle Information m¸sse –ffentlich sein, um die demokra- tischen B¸rgerrechte gestalten zu k–nnen. F¸r ihn ist Info kein Spielzeug, sondern serious business. Weil es technolo- gisch egal ist, ob irgendwo eine 0 oder eine 1 steht, sieht er sich gezwungen zur¸ckzugreifen auf alte, soziale Techniken, um den Umgang mit Information zu regulieren. Die Hackerethik versucht die klassische Abhandlung der poli- tionellen Ratio neu zu beleben, indem sie Metaphern aus der 'normalen Welt' in das Netzwerk einf¸hrt. Verkehrsregel, Ver- nunft im Verkehr, den Weg f¸r andere freihalten... Die vielen wechselnden Kontakte der Netzwerkbenutzer werden sexuell auf- geladen und bekommen Safe-Hackpflicht aufgehalst. Die Daten- welt hat aber nichts zu tun mit dem, was uns bis vor kurzem als gesellschaftliche Realit”t aufgedr”ngt wurde. Nichts exi- stiert von sich aus, es gibt nur Zeichensysteme und Zwangsco- des, um sie lesen zu k–nnen (der sogenannte gesunde Ver- stand). Wer den code beherrscht kann die Welt lenken, kontrol- lieren, exploitieren. Aber auch in dem Weltsystem ist die Ethik ausgeschaltet seit die chronologische Zeit der Geschich- te aufging in die Kettenreaktionen der Katastrophen. Umweltverschmutzung zum Beispiel kann man nicht mit einer Men- talit”tsver”nderung bek”mpfen, weil sie das menschliche Maþ hinter sich gelassen hat. Die virtuelle Realit”t des cyberspa- ce scheint sich noch innerhalb der human condition zu befin- den. Hard-und software sind von patentfordernden Gesch”ftsleuten ausgedacht worden und bis zum bit zur¸ckzuverfolgen. Deshalb meinen die Ethikhacker sich noch auf die M–glichkeit einer anst”ndigen Tastaturbenutzung berufen zu k–nnen. Das Virus ist aber schon einen Schritt weiter. Es hat das Menschliche, all zu Menschliche, verlassen und versucht das Undenkbare, das sich jenseits der Ideenwelt befindet. Es sucht Kontakt mit den alien im Netzwerk, die K”mpfer des anderen Kreislaufs, die rosa Panter, die aus dem Bestiarium der Cyberzoologen entkom- men sind. Es f¸hlt sich zuhause in der biologischen Komplexi- t”t der endlosen Relationen, Mutationen und crossovers. Es ist befreit von Zielsetzungen und ist nur alert gegen¸ber der ket- tenreaktion”ren Befreiung des Erstaunlichen. Auch wenn das Virus als eine Katastrophe f¸r die (be)herrschende Ordnung erscheint, ist es ein Botschafter einer anderen, metarealiti- schen Ordnung. In der ersten Phase des Computermediums stattete die Hackerbe- wegung das milit”rische Fahrzeug mit einer demokratischen Ide- ologie aus. Das Zusammenflieþen von milit”rischem und zivilem Raum durch massive Bewaffnung der Bev–lkerung mit PC konnte deswegen unter dem historischen Zeichen der Freiheit, Gleichheit und Br¸derlichkeit stattfinden. Mit dem Erreichen der totalen Akzeptanz elektronischer Heimarbeit konnte der traditionelle, milit”rische Apparat abgetakelt werden und tra- ten wir in das Stadium des Entwaffnungswettlaufs von Gorbat- schov(1985-1991) und der NATO ein. Der Einsatz war nicht das Geiseln der Weltbev–lkerung, sondern das Verh”ngen von globa- lem Bewuþtsein ¸ber die Legionen der komplett isolierten PC- Zivilisten. Die Erkenntnis, an der w”hrend des Kalten Krieges noch gezweifelt wurde, ist dadurch jetzt allgemein gewor- den:Wir sitzen alle auf dem gleichen chip, der auf einen Schlag gel–scht werden kann. In dieser zweiten Phase sieht sich die professionelle Hacker- gemeinschaft unangenehm ¸berrascht von auftauchenden Cyberpfu- schern, Soft-Wareverr”tern und von der Hackerhierarchie frus- trierten Besserwissern, die harte Datenaktionen durchf¸hrten nach dem Motto:"We are the hunters/gatherers of the world of CommTech. "Die Antwort war der Ein-Netzwerk-oder-kein-Netz- werk-Gedanke. Absolute Sicherheit gibt es in der Datenindustr- ie nicht und Hacker m¸ssen deshalb ihre Moral mittels 'Infor- mationsverantwortlichkeit' absichern, eine Moral, die, wie sie selbst wissen, prinzipiell Abstoþung und Rebellion hervorruft. Selber haben sie auch angefangen als wizzkids, die das Ab- schirmen von Information von Datensecuritates in einem techno- logischen, revolution”ren Geist attackierten. Vor uns liegt nicht eine Datenreise ¸ber gesicherte Wege, sondern das Aufgehen im Cyberrausch. Da k–nnte der riot der Hacker den totalen sensorischen clash herrschen, aber ebenso die spiralisierende Seligkeit des New Age. Auch diesbez¸glich wird nichts neues passieren. Dennoch funkt das sich unaufhalt- sam multiplizierende Virus, daþ die Metarealit”t bereit ist, in alle Zonen, in die der code entgleist ist, einzudringen. Der Fremde ist noch nicht unter uns, aber er steht bereit. Er weiþ. Er wartet. Er wartet auf uns. Es ist an den cyber- punks, ein B¸ndnis mit ihm einzugehen. Die Zukunft kommt von drauþen.