KOLLABORIERENDE MEDIEN "Wenn der Zug abf”hrt, ist es m–glich, daþ er nur wenige Rei- sende mitf¸hrt - nur jene, die die Stunde nicht vers”umt ha- ben. Es w”re auch m–glich, daþ die meisten die Stunde vers”u- men wollen, weil ihnen die Station angenehmer, heimischer, vertrauter erscheint als die Fahrt. " Ernst J¸nger Es hat sich herausgestellt, daþ kollaborierende Medien zum Feind ¸bergelaufen sind. Sie schreiben eine Strecke vor und zwingen einen Daueraufenthalt auf einem Kanal auf. Sie sind nicht demokratisch, weil sie ein unverbindliches Herumschwei- fen durch das Medienangebot verbieten. Sie zwingen zu komplet- ter Rezeption. Leute, die auf halber H–he einsteigen, werden blitzschnell abgestoþen, was einen Groll auf Lebzeit verur- sacht. Die sofortige Verf¸gbarkeit, die Merkmal der offenen Gesellschaft ist, wird negiert und ruft deshalb Miþtrauen be- z¸glich der Intentionen, die der Reproduktion vorangegangen sind, hervor. Es kommt aber keine positive Resonanz. Kollabo- rierende Medien schweigen zu dem Unbehagen, das sie hervorru- fen und sind Meister im Vertuschen der hintergr¸ndigen Inter- essen. Hinter diesen Medien versteckt sich eine Welt, die in die aufeinanderfolgenden Stadien der technischen Ÿra mitko- piert wird, ohne sich je dem Tageslicht zu zeigen. Es gibt die furchtbare Vermutung, sie umfassen das technische Bewuþtsein und haben es schon l”ngst analysiert, w”hrend der achtlose Interessent noch voll damit besch”ftigt ist. Kontempor”re Medien sind immer eingeschaltet. Wir steigen des- halb grunds”tzlich erst ein, wenn das Programm schon lange un- terwegs ist. Wir besuchen eine Welt, die auch ohne uns weiter sendet. Positive Medien fangen immer wieder von vorne an und erkl”ren jede halbe Stunde, wie sie funktionieren und was sie behandeln. Bei kollaborierenden Medien dagegen, ist der Mo- ment, in dem wir h”tten eingeweiht werden k–nnen, nicht mehr aufzufinden. Wenn wir verstanden h”tten, wovon sie handeln, h”tten wir uns mit ihrer Komplexit”t abgefunden. Von ihrem Ur- sprung aus gedacht, ist ihrem tieferen Wissen noch durch gr¸ndliches Studium beizukommen. Der R¸ckstand ist aber schon so groþ und die Zeit so knapp, daþ von einem Aufholprogramm nicht die Rede sein kann. Hinter den Mauern, die hochgezogen werden, muþ sich wohl das Geheimnis eines b–sen Genies ver- stecken. Aber das Subjekt hinter dem Medium offenbart seine Machtgier, die demokratischen Medien gef¸gig zu machen, nicht. Es sitzt auf einem geistigen Schatz, den es nicht mit uns tei- len will. Warum aber teilt es unseren Trieb zur Multiplizie- rung?Ist es ein Agent auþermedialer M”chte oder vielleicht ein Zauberer?Warum muþte dieses Werk jemals erscheinen? Das moderne Ph”nomen der Einleitung bekommt kollaborierende Medien nicht in den Griff. Jede Bildung geht daneben. Kollabo- rierende Medien erregen Irritation, weil sie entweder zu fr¸h oder zu sp”t erscheinen. Sie sind zu klein, um als Alternative n¸tzlich zu sein, zu groþ, um negiert zu werden. Sie dr”ngen sich als r”tselhaftes oeuvre oder als Opus Magnus auf. Ihre Potenz ist riesig, findet aber nie den Raum, sich entfalten zu k–nnen. Ihre Werke bleiben kl”glich in einem Kreis der zugeta- nen Adepten stecken. Sie befassen sich mit m–glichen L–sungen und Ereignissen, die nie stattfanden, oder schon morgen einen Ausweg bieten. Es sind Handb¸cher f¸r das falsche Universum. Kollaborierende Medien unterscheiden sich prinzipiell von Sendern mit einer kollaborierenden Botschaft. Diese sind sich einer lebendigen Interaktion mit der medialen Umgebung sicher. Wenn die falsche Bemerkung gemacht worden ist, kann die Kommu- nikation starten. Die falsche Bemerkung ist Z¸ndstoff der –f- fentlichen Darlegung. Der falsche Inhalt ist keine Attacke auf Andersdenkende, sondern eine Bitte, Teil der Mediensph”re wer- den zu d¸rfen. Vor dem coming-out als Liebhaber krummer Touren konnten die Kollaborateure ihre Meinung noch frei ”uþern in einer gem¸tlichen pr”medialen Sph”re. An Straþenecken, in Kaffeeh”usern und Eckkneipen verbreiten schon Generationen von Dampfablassern die falsche Meinung zu Religion, Revolution und Rasse. Wenn sie aber im Inneren der Medien ankommen, brennen alle Sicherungen durch. Kollaborieren im Zeitalter der tech- nischen Reproduzierbarkeit:der Dreck darf reichlich str–men, denn die Mikrophone sind eingeschaltet. Der Mangel an Meinung schein kurzfristig beschw–rt zu sein und die V–lkerge- meinschaft formiert sich um den Fall der Medienkollaboration. Die Aufgabe der opinionleader und Infomakler ist es, die Ge- fahr der vielen eigenen Meinungen so schnell wie m–glich unter den Teppich zu kehren, indem eine –ffentliche Diskussion orga- nisiert wird. In einem Versuch, Kommunikation mit den zur¸ckgezogenen, kol- laborierenden Medien zustande zu bringen, wird –fters der Trick angewendet, falsche Aussagen aufzusp¸ren. Man geht davon aus, daþ jeder Schriftsteller oder K¸nstler kollaboriert auþer denjenigen, die dazu noch keine Chance hatten. Umso weiter wir uns vom 20. Jh entfernen, umso klarer wird es, daþ jeder in diesem Zeitalter kollaboriert hat. Die Pauschalurteile sind faszinierend:diejenigen, die nichts getan haben, h”tten sich engagieren sollen und diejenigen, die sich engagiert haben, h”tten die Klappe halten sollen. Die Fl¸chtlinge h”tten zu Hause bleiben sollen und die Daheimgebliebenen h”tten abhauen sollen. Die K¸nstler h”tten das Wesentliche der Technik erfor- schen sollen und die Techniker h”tten ihre Pfoten von der Kunst lassen sollen. Der Kommunist h”tte auf sexuelle Begier- den einwirken sollen, w”hrend der Faschist sich mit anderen Menschen h”tte bekannt machen sollen. Die Demokraten h”tten nicht vor sich hin d–sen sollen und die Reichen h”tten sich weniger auf ihre Klasseninteressen konzentrieren sollen. Die Kolonien h”tten schon l”ngst frei sein sollen, damit die Schwarzen im Homeland h”tten bleiben k–nnen. Evangelen, Katho- len und Lutheraner h”tten nicht solche Umst”nden machen sol- len, denn sie sind jetzt alle Christ-Demokraten. Die Wis- senschaft h”tte sich nicht wertfrei miþbrauchen lassen sollen, sondern h”tte eine Weltregierung aus Spezialisten formieren sollen, die die Probleme h”tte l–sen k–nnen. Denn die gab es ja allerhand in jenem Jahrhundert. Problememacher bekamen viel Raum, w”hrend der wenige, rationelle Intellekt sich in einer Ecke mockierte. Was haben die Leute im 20. Jh um Gottes willen mit all der Energie und Rohstoffe, die so massiv vergeudet wurden, gemacht? Aufbau und Abbau waren unzertrennlich mit einander verbunden. Kollaborierende Medien sind nie von dieser Zeit. Die Unzeitge- m”þheit ist ihr Wesensmerkmal. Jeder Versuch, aus kollaborie- renden Medien einen Extrakt zu ziehen, k–nnte fatal sein. Wenn Produzenten kollaborierender Medien ihre Ideen in die Praxis umsetzen wollen, geht es erst richtig daneben. Die Kunst des kollaborierenden Denkens ist, die Einladungen des Zeitgeists zu ignorieren. Es fordert eine Menge Aufmerksamkeit und Wende- f”higkeit, um immer wieder daneben zu liegen. Das kann man, indem man polemisch schweigt oder radikal naiv ist oder unzer- r¸ttbar am eigenen Kurs festh”lt, auch wenn der die Modernit”t ¸berschneidet, indem man genadenlos negativ oder aktiv vergeþ- lich ist, indem man die eigene Zeit bis in die extreme Konse- quez weiterdenkt, indem man sorgenlos in die Geschichte oder eine touristische Selbstdeutung fl¸chtet oder durch einen ent- fremdeten Blick auf das eigene Herumkrebsen oder eine anthro- pologische Betrachtungsweise der lokalen Rituale, durch regel- m”þigen Kontakt zu Auþererdischen, durch zweckwidrige Benut- zung von Philosophie und Frauenzeitschriften, durch das Mischen von Referaten, die nicht zusammen geh–ren oder durch eintreffende Ferngespr”che - man wird immer angerufen. Kollaborierende Medien sind keine Sprungbretter, sondern Lei- tern, mit denen man in die schwarzen L–cher klettert. Sie ¸bersteigen nur m¸hselig die eigene Richtigkeit. Wenn man ein- mal oben ist, ist der Blick ¸ber die moralische Landschaft faszinierend. Man sieht alles und kann nichts damit anfangen. Von der Erfahrung erz”hlen die kollaborierenden Medien.