KRIEGER UND IHRE MEDIEN "Die unsichtbaren Krieger werden ein Spiegel des Schicksals gewesen sein. " Christian Unverzagt Die Ramboiden. Mit dem Verschwinden des lokalisierbaren Kampfschauplatzes zu Gunsten des virtuellen Krieges im Entwaffnungswettlauf der achtziger Jahre tauchte die Figur Rambo auf. Als Antwort auf die erfolgreiche Taktik des Dschungelkommandos Ho Chi Mins war er die Verk–rperung der Aufl–sung der organisierten Armee. Er erkl”rte der Befehlsstruktur des 19. Jh, die in der Elektronik des 20. Jh Gestalt angenommen hatte, den Krieg. Die Armee, die nicht mehr f”hig war, Krieg zu f¸hren, weil sie Teil der Ab- schreckung geworden war, ersetzte er, indem er selbst Krieg wurde. Nachdem der Frontsoldat in der Materialschlacht des 1. Weltkrieges und in den Urelektronika des 2. Weltkrieges seine K–rperlichkeit verloren hatte, fand er sein Bild wieder als Medienkonsument des anabolen, steroiden K–rpers des Ramboman- nes. Der Ramboaufzug ¸bernahm die musealen Formen und Sitten, die der anthropologische Konservierungskolonialsmus aus der Tris- tesse der Tropen mitgebracht hatte. Diese Tracht verdankte ihre Popularit”t den Fernsehspezialisten und B¸chergemein- schaften. Der Rambo kombinierte die Tracht der pr”medialen Krieger mit der Effizienz hochmoderner Kompaktwaffen. Er ist aber in dem Bewuþstsein der Homeboxbenutzer zu lokalisieren. Eingesperrt in die imagin”re Wirklichkeit des Bilderreichs wurde er dazu gezwungen, medialer Krieger zu sein. Sein Auf- trag war nicht, wie bei einem Guerillak”mpfer, die Befreiung der unterdr¸ckten Bev–lkerung. Ihm ging es um das coming-out der Eigenheit, in der der Zuschauer sich spiegeln konnte. Um die Subjektivit”t seiner Identit”t gestalten zu k–nnen, muþte er, ohne politische oder agressive Motive, immer wieder an die Front zur¸ckkehren, um als vollwertiges Individuum neugeboren werden zu k–nnen. In der Unsichtbarkeit des permanenten Krie- ges mimte er das st–rende Element, das einen zu Folklore ge- wordenen Kampfgeist sich austoben lieþ. In einem Zustand des absoluten Weltfriedens konnte er nicht mehr sein als eine nostalgische Identifikation von Zuschauern mit den Akteuren, die sie selbst nicht mehr sein konnten. Ein- zelne Zuschauer, die das Moment der Identifikation mit Rambo umsetzten in Mordlust und eine Spielplatzbev–lkerung abknall- ten, wurden als arme Schweine, die Realit”t und Phantasie nicht auseinander halten konnten, psychiatrisiert. Rambo sein war lifestyle, kein Akt der Entscheidung. Nach dem Fall der Mauer und dem Verschwinden des Rambo-Kults tauchten im neuen Europa pl–tzlich Ramboiden auf, die als Freis–ldner Amok lie- fen. Kroatische und serbische Milizen pr”sentierten sich als Stallones Klone und wurden als soche sofort erkannt. Deren Erscheinung rief aber keine Nostalgie oder Faszination hervor, sondern Ekel ¸ber soviel Anachronismus. Ihr Freiheitskampf erregte ¸berhaupt keine Sympathie, weil er sich der Embleme des Hollywood'schen Kalten Krieges bediente, die von der Neuen Weltordnung schon schnell verdr”ngt waren. Der Privatkrieg gegen die eigene Bev–lkerung fiel so sehr aus dem Rahmen der EG und UNO, daþ ex-Jugoslavien sich in einer un¸berbr¸ckbaren Entfernung zur Weltrepublik befand. Die physische Abkehr wur- de so groþ, daþ der Balkan im eigenen Fett schmoren durfte(so- lange er sich nicht ¸ber die Grenzen wagte). Rambo's Kampflust erregt nicht l”nger die Phantasie. Die Zeichenmeister Im Universum der medialen Netzwerke gibt es keine senkrechte Verbindungen zwischen den Zeichen und der Realit”t, es gibt nur horizontale Verbindungen zwischen den Zeichen. Diese kre- ieren eine eigene Wirklichkeit. Die Metarealisten suchen nach passwords um in diese Matrix eindringen zu k–nnen. Einerseits gibt es Datenmacher, andererseits Datenreisende. Beide sind Medienkrieger. Von einem auþermedialen Standort aus lancieren die Medienmacher Zeichen, um eine –ffentliche Wirklichkeit auf dem Bildschirm herzustellen. Absicht ist, die Welt zu ver”n- dern, im Glauben, daþ Information die Mentalit”t antastet. Sie k”mpfen mit Hilfe von Datenmanipulation und Imagebesch”digung gegen Rassismus, Sexismus und Umweltverschmutzung und vermei- den gewaltt”tige Auseinandersetzungen mit der politionellen Macht. Sie brauchen die Medien f¸r Blockaden, Einbr¸che, riots und Popkonzerte. Sie gehen aber keinen Schritt weiter als die kritische Generation, die mittels Diskussionsbeitr”ge die Me- dienmacht bek”mpfen wollte. Diese orale Kultur ist heute er- setzt von spektakul”ren Bildern der Medienrealit”t und die Aktivisten sind deshalb Zeichenk¸nstler geworden. Auch Datenreisende k–nnen nicht ohne die Medien. Als Reisende mit Lichtgeschwindigkeit machen Hacker Blitzbesuche in anderen Kontinenten. In diesem 6. Kontinent ohne geographische Ein- schr”nkungen ist die k–rperliche Anstrengung ersetzt worden von der Sensation, quer durch die Ðberwachungsprogramme bre- chen zu k–nnen. Wie klassische Touristen ihren Namen in flo- rentinische Fresken einritzten, hinterlassen diese Pioniere des elektronischen Einbruchs ihre Chiffren in den verbotenen Zonen des planet”ren Netzwerkes. Der Ðbergang von Name in Vi- rus ist der Beginn der Emigration in das Land der unbegrenzten M–glichkeiten. Ihre Trojanische Pferde sind Zeichen, die eine Wirklichkeit sortieren. Als Effekt existieren sie dank des Zerst–rens der arbitr”ren Ordnung des elektronischen Reichs. In einer n”chsten Phase werden cyberpunks als outlaws in Data- land wohnen. Sie werden selber Zeichen, die den physischen Tod als flatlines, die als hidden files gelagert werden, ¸berle- ben. Eine n”chste Generation der Aktions-Akteure und apokalip- tischen cyberpunks wird die auþermediale Zielsetzung preisge- ben und eindringen, um das extreme Drauþen zu realisieren:Das totale delete. Die schwarze Hand Alles wird registriert. Ereignisse werden als Beweismaterial festgelegt und als Waffe im Informationskrieg benutzt. Das passiert sowohl auf groþe Distanz, mittels milit”rischer Satelliten und telezoom, als auch auf kurze Entfernung mittels einfacher Kameras und Camcorder. Dennoch gibt es in diesen Zeiten der absoluten Transparanz immer noch Cliquen, die tun als ob sie das Private als unantastbares Privileg hegen und pflegen k–nnen:Mafia, GSG 9, Geheim Dienste, Anti-Impi's, Sta- si und informellen Mitarbeitern, autonome K”mpfer, K–nigsh”u- ser und andere geheime Logen. Sie umgeben sich mit Leibw”ch- tern, die als anti-mediale Krieger auftreten. Sie sollen als schwarze L–cher funktionieren, die Medienmaterie ansaugen, um das Ereignis verschwinden zu lassen. In der Praxis aber sind sie Magneten f¸r die Presse und heimlich genieþen sie es, wenn die Anonymit”t durchbrochen wird und ihr Gesicht auf dem Schi- rm erscheint. Sie f¸hren einen heroischen Kampf im Niemands- land zwischen Medien und klassischer Wirklichkeit. Wir sehen sie auf der letzten Filmrolle, wenn die Hand die Kamera weg- dr”ngt, der Soldat mit seinem Gewehr auf die Zuschauer zielt und schieþt oder der Erlaþ erscheint, daþ nicht weiter gefilmt werden darf. Das sieht nach anti-Werbung aus, die aber ihr Ziel verfehlt, denn verbotene Bilder erzielen bei den Informationsverteilern den h–chsten Marktpreis. Diese zeigen, daþ Glasnost auf Welt- niveau immer noch ein work-in-progress ist und daþ Medien ein Existenzrecht haben. Solange es Leute gibt, die so tun als ob die Allmacht der Kamaras zu stoppen w”re, w”chst ihre Allge- genw”rtigkeit. An allen Fronten, an denen die Medien noch un- registrierte Ereignisse ergattern k–nnen, ist das Motto:anti- Werbung ist Werbung. Bis zu dem Moment, in dem Medien, mangels authentischer Regionen, selbst Enth¸llungen verhindern m¸ssen und Krieger anheuern, um Zuschauern Bilder vorzuenthalten. Die Abwesenden Es gibt das Ger¸cht ¸ber Gl¸ckselige, die sich jenseits des Horizonts der Ereignisse aufhalten und sich hinter der Ge- schichte versteckt haben. Sie schauen Medien, wie andere Fern- sehen. Unter ihnen befinden sich extramediale Krieger. Ihr Zeit-Raumverh”ltnis verl”uft parallel zu unserem und hat be- stenfalls nur einige Ber¸hrungspunkte. Wie der klassische Krieger beherrschen sie die Kunst, in die Leere hineinzugehen und von dort her auf unerwarteten Realit”tsebenen aufzutau- chen. Ihre Wege sind f¸r das Medienauge unsichtbar, denn sie bewegen sich in einer Dimension, die bestenfalls horizontale Zeichenstr–me durchschneidet. An diesen Schnittpunkten entste- hen die Katastrophen des medialen Zeichenverkehrs, die als terroristische Aktionen des anderen Kreises erscheinen. Die Medien beabsichtigen, nachdem das Universum sichtbar gemacht worden ist, auch die Schnittpunkte zum Reden zu bringen. Die Krieger beantworten aber lediglich nicht-gestellte Fragen, die die Medien zum Schweigen bringen. Sie erscheinen als Flimmern, das die Bildordnung zerst–rt. Das Rauschen des Bildes ist ihre allerletzte Information.