SOUVERŸNE MEDIEN Jetzt, wo die Regel, die bestimmt, was zweckm”þig in Informa- tion umgesetzt werden k–nnte verschwunden ist, brechen die Medienmacher unter dem output, das sie selbst produzieren, zusammen. Auf der ganzen Welt sitzt Tag f¸r Tag die gleiche Art von Men- schen mit den gleichen Quellen und stellt die gleichen Repor- tagen zusammen, f¸r ein Publikum, das ¸berall ”hnlich nonin- teressiert ist. Die Tatsache, daþ sich die Informationsmenge alle 18 Monate verdoppelt hat bei Journalisten einen Medienre- lativismus als Konsequenz, der die gediegenste intellektuelle Anspannung zu einem Beitrag an die eigene Karriere reduziert. Daþ t”glich Hunderte von genialen Analysen der Weltereignisse publiziert werden ”ndert nichts am Geschehen. Die Kommentatoren der Nachkriegsgenerationen haben das Relati- vit”tsprinzip mit der Muttermilch eingesogen:jede Wahrnehmung im All ist gleichwertig mit jeder anderen. Die Nichtigkeit des Rechtshabens macht sie sensibel f¸r die Kehrseite der Relati- vit”t, die besagt, daþ das Objekt der Wahrnehmung sich ”ndert, weil die Wahrnehmung sich ”ndert. Ein Publikum, das sich dem Medienkonsum hingibt, verursacht, ohne selber etwas daf¸r tun zu m¸ssen, Reaktionen im Bewuþtsein der Medienpers–nlich- keiten. Groþe Schauspieler wachsen in ihrer Rolle, wenn es viele Zuschauer gibt. Wenn aber die Medien meinen, das Volks- empfinden darstellen zu m¸ssen, ver”ndern sich die besten Ab- sichten zu einer peinlichen Schau. Die Albernheit schl”gt zu. Nach wenigen gutgemeinten Versuchen, die Welt in f¸nf Minuten zusammenzufassen, kapituliert auch der beste TV-Spezialist. Hinter jedem Item versteckt sich eine komplette Gutenberg-Ga- laxie. Jede Einzelheit ist dermaþen komplex, daþ man erst nach langj”hrigem Studium einen ersten Ansatz zur Verst”ndigung erwerben kann. Auch der mediengene Weise ist mit seinem maxi- malen Vokabular nicht imstande, in ein oder zwei S”tzen den Kern der Sache zu erkl”ren. Der Sprachmangel der Aktualit”t macht es unm–glich, gr–þere Zusammenh”nge 'r¸berzubringen. Viele weigern sich, zu kommentieren. Man schweigt lieber als daþ man die Welt zu einem Statement reduziert. Es n¸tzt nichts. Die Erhebung des Volkes l”þt auf sich warten wie der Durchbruch der eigenen Originalit”t. Die upward mobiles der Medienmafia machen einen R¸ckzieher und bekennen sich, in der abgeschlossene Sph”re ihrer Logen, zum Mediennihilismus. Da gestehen sie lautstark ein, daþ sie nichts zu berichten haben und daþ die Medien sowieso noch nie eine Botschaft hatten. Jenseits der 'Emanzipation durch Information' zeigt sich, daþ es umso einfacher wird Artikel zu schreiben je weniger man an sie glaubt. Und solange die Aquisition darauf beharrt die Wer- befritzen meinten, daþ ihre Kundschaft denkt das Publikum w”re so bl–d, ihre Werbung f¸r wahr zu nehmen, str–mt das Geld rein. Der Nihilismus der Ÿra seiner technischen Reproduzier- barkeit ist im Mittelpunkt dieses Teufelskreises und der Jour- nalist versucht, seine Erkenntnis des fade-out des Wunderba- ren mit einer Ðberdosis Ÿthanol zu benebeln. Umso gef¸llter die Medien desto gr–þer der Glaube am Nichts. Dieser ausgeleierten Bedeutungsproduktion steht ein sch–pferi- scher Nihilismus gegen¸ber, in dem 'Intensit”t nicht zusammen- f”llt mit Negativit”t'. Dieses 'unbegrenzte Bejahen der Medien so wie sie sind' st¸rzt sich nicht in eine Zivilisationskrise, die den Untergang der Abendmedien predigt, sondern denkt sich arbitr”re Regeln f¸r eine friedliche Koexistenz mit Informa- tion aus. Angesteckt vom Unbehagen in den Medien gibt es immer wieder Nein-Sager, die die Einsamkeit der AV-H–hle suchen, um ihren Widerwillen gegen jede Form der Kommunikation zu einem absoluten Nullpunkt zu f¸hren. Dann stehen sie auf und sehen eine neue mediale Sonne erste- hen, die strahlt, ohne sich darum zu k¸mmern von wem die Strahlung aufgefangen wird. Sie betreten den Raum der souver”- nen Medien und schlieþen ein B¸ndnis mit dem Faktor, der jedes Medium von innen angreift:das Ger”usch, Mutter aller Informa- tion. Souver”ne Medien zerst–ren den Wirklichkeitseffekt der b¸rgerlichen Medien, indem sie hinreiþend zeigen, daþ Medien immer nur Ger”usch produzieren. Das ist keine Kritik, sondern eine Ehrerweisung an dieses einzigartige Verm–gen der techni- schen Prothesen. Das mediale Ger”usch korrespondiert mit dem Ger”usch in den K–pfen und Herzen und die Technik ist nicht dazu da, eine Dolby-C Taste in das Bewuþtsein zu montieren. Produzent und Benutzer sind auf einander abgestimmt, und es gibt keinen absoluten Maþstab, mit dem der eine den anderen ein Regime der Ger”uschunterdr¸ckung aufzwingen kann. Man kann Ger”usch und Bedeutung gleichwertig behandeln aber auch die Information an sich zum Rauschen bringen. Souver”ne Medien sind das Ergebnis einer Entwicklung, die von politischer Gegen–ffentlichkeit ¸ber alternative und eigene Medien bis zu 'Kan”len, die sich vom potentiellen Publikum emanzipiert haben', verl”uft. Souver”ne Medien haben einen eigenen Startmotor und m¸ssen sich nicht von m–glichen Vorg”n- gern oder anderen Medien abstoþen. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zu dem Konzept der alternativen Medien, die nach '68 entstanden sind und auch zu dem der autonomen 'eigenen Medien' der Achzigern. Alternative Medien arbeiteten mit dem Begriff 'Gegen–ffent- lichkeit', und spiegelten sich an den b¸rgerlichen Medien. Es galt, zu korrigieren und zu erg”nzen. Die Strategie war darauf gerichtet, dem Individuum sowohl sein Verhalten als auch seine Meinung bewuþt zu machen. Dieser Prozeþ sollte in eine ver”n- derte –ffentliche Meinung m¸nden. Diese kleinen Medien hatten keine allgemeinen Anspr¸che, arbeiteten aber mit einer positi- ven Variante des Krebsmodells, das davon ausging, daþ jeder langfristig, indirekt, oder ¸ber die groþen Medien ¸ber das aktuelle Item informiert werden w¸rde. Die Pr”misse war ein dichtes Netz, das ¸ber und durch die Ge- sellschaft gespannt war, damit der Aktivismus Einzelner eine Kettenreaktion ausl–sen w¸rde. Bis dahin war man auf eine -re- lativ- kleine Gruppe gerichtet, in der Ðberzeugung, daþ die Infos nicht im Ghetto h”ngen bleiben oder sich im Kreis bewe- gen w¸rden. Dieses Megaphonmodell richtete sich insbesondere auf linksliberale opinionleaders, die keine Zeit hatten, In- formation zu sammeln und sich Argumente auszudenken und diese undankbare Arbeit politisch motivierten Spezialisten ¸berlie- þen. Bewegungen der sechziger und siebziger Jahre haben auf diese Weise Themen wie Feminismus, Dritte Welt und Umwelt eine groþe Reichweite gegeben. Professionalisierung und Marktkonformismus f¸hrten allerdings dazu, daþ man umstieg auf 'richtige'Medien. Die Labore, in denen Information und Argumentation ausgetestet werden sind heute eingebunden in dem Medienherstellungsverfah- ren, da die sozialen Bewegungen genau so virtuell geworden sind wie die Medien, in denen sie figurieren. Die Umweltmulti- nationalen schlagen sich 'rum mit der Errungenschaft, eine Karteikarte f¸r Millionen zu sein und nur noch kontom”þig eine Verbindung zur Basis zu haben. Safe politics kann weiter nichts fordern, ohne in den Verdacht zu geraten, mit totalit”- ren Viren infiziert zu sein. Radikale, die es Ende der siebziger Jahre satt hatten noch l”nger auf eine von anderen organisierte Weltverbesserung zu warten, gr¸ndeten soganannte 'eigene Medien'. Genau in dem Mo- ment, in dem die offiziellen Medien von der Relativit”tstheo- rie angefressen wurden und Begriffe wie 'Presse' und '–ffent- liche Meinung' von der B¸hne verschwanden, k¸ndigte eine Grup- pe Aktivisten den Glauben in schwerh–rige Mitb¸rger und legte los. Obwohl sie f¸r die ahnungslose Auþenwelt aussahen wie eine Fortsetzung der alternativen Medienemsigkeit l–sten sie sich vom Krebsmodell und - wie die offiziellen Medien - schwebten. Der Spiegel der alternativen Medien wurde zertr¸m- mert. Es war sinnlos geworden, noch l”nger an die phonies-out- there zu appellieren;man muþte eine neue imagin”re Gr–þe su- chen, auf die man zielen konnte:die Bewegung. Obwohl nur lokal distribuiert ignorierten die 'eigenen Medien' die –rtlichen Einschr”nkungen, die die aufkommenden lokalen Medien sich selbst verh”ngten. Sie wollten keine alternative Stadtzeitung sein. Sowohl formal als auch inhaltlich wurden sie transnational, wie die globalen Zeitgenossen. Nur von Wachstum wollten sie nichts wissen. Der geniale Dilettantismus war kei- ne Kinderkrankheit sondern ein konstituierendes Element. Als Restprodukt ausgetrockneter, autonomer Bewegungen, die ab und zu wieder aufflammen, ist ihre Kontinuit”t und Unver”nderbar- keit bis heute atemberaubend. Man kann das nicht auf Dogmatis- mus zur¸ckf¸hren. Sie haben sich von der kurzen Medienzeit abgewendet und operieren in einem eigenen Zeit-Continuum, in dem auch die verschwundenen Bewegungen eines Tages wieder auf- tauchen k–nnen. Diese survivalists hausen in einer eigenen Grotte des Mediengebirges und wollen sich vorl”ufig nicht zei- gen. Die Wende kommt mit den souver”nen Medien. Ihre Sendungen brauchen kein Publikum, nicht mal das eigene. Anders als offi- zielle, alternative und 'eigene Medien' erzeugen sie keine Di- stanz und Gleichk¸ltigkeit, sondern f¸hren zu einem Rausch der puren Daten-Extase. Ziel und Legitimation liegen nicht auþer- halb der Medien an sich, sondern in der Realisierung der 'to- talen Dekontrolle'. Das - anscheinend - narzistische Verhalten zeigt eine Rechthaberei, die nicht ausgetragen wird. Das Si- gnal ist da, darf aufgeschnappt werden, aber das ”ndert nichts. Es l”dt nur ein, im Medienschiff am Kommunikationsho- rizont vorbeizusegeln. Hier ist nicht die Rede von innerer Immigration sondern von heiþem Interesse an der Auþenwelt. Nur, diese befindet sich nicht in einem imgin”ren Teil der Menschwelt sondern in einem virtuellen Raum, der sich –ffnet, wenn das Medienarchiv der ganzen Welt ge–ffnet wird. Diese verschn–rkelten Datenbanken werden von ihnen nicht kritisiert oder als Bedrohung erfahren, sondern als Schatztruhen, in denen nach Belieben herumgekramt werden darf, betrachtet. Auch die Zeit ist kein Problem-es ist Platz f¸r sowohl die extended version als auch f¸r das gesam- pelte Zitat. Souver”ne Medien verk¸nden eine Politik, die in der b¸rgerli- chen ÷ffentlichkeit keine Rolle spielen m–chte oder k–nnte, weil sie die von auþen betrachtet und als Material sieht. Sie haben jede existierende Verbindung zu Wahrheit, Wirklichkeit und Repr”sentation abgebrochen. Sie zielen nicht auf W¸nsche einer k¸nstlichen Rezeptionsgruppe, wie es die 'eigenen'Medien taten. Sie entledigen jede Information ihrer belastenden Aufgabe, ¸ber etwas anders zu informieren als ¸ber ihr eigenes, erhabe- nes Funktionieren. Sie stellen die falschen Fragen mit der Einstellung, daþ sie schon immer die falschen Antworten erga- ben. Einmal souver”n werden diese Medien nicht mehr angegrif- fen sondern toleriert und, vor allem, negiert. Dieses Desin- teresse ist aber keine Folge der Geringsch”tzung Dilettanten oder politischen Infantilisten gegen¸ber, es ist ¸berhaupt die heutige Haltung gegen¸ber jedem Bild oder Ton, der der Welt geschenkt wird. Wo der Journalist in Stress ger”t, atmet der Souver”n frei auf.Souver”ne Medien wollen nicht aus Nostalgie das H–rspiel, die Rede, oder Augenzeugenberichte mit anderen Mitteln weiter- f¸hren. Ebensowenig wollen sie zur¸ck zum Schwarz-Weiþfernse- hen oder der Stummfilm. Souver”ne sind nicht melancholisch, avantgardistisch, absolutistisch oder puristisch, sondern hy- bristisch. Das Mischen der Apparate und ihrer Signale ist die antreibende Passion, ihre Ÿsthetik eine der aufgeweckten In- tensit”t. Ohne Kritik bevorzugen sie im hier und jetzt zu le- ben, ohne globale Pr”tentionen oder neue Perpektiven. Souver”ne Medien schirmen sich ab von der hyperculture. Sie suchen keinen Anschluþ, sondern Abkopplung. Da liegt ihr Abfahrtsort-we have a lift off. Sie verlassen die Medienfl”- che, um als Satelliten um das Netzwerk herumzukreisen. Dieser Akt ist eine Verneinung des Prinzips:'Ich bin angeschlossen, also ich bin. 'Abgekoppelt von jedem sinngebenden Kontext schalten sie ruckartig von einer Audio/Videokollektion zur anderen um. Die sich autonom fortpflanzenden Verbindungen ge- nerieren einen sensorischen Raum, der sowohl entspannend als auch nervenaufreibend ist. Alle Daten der Welt bilden abwech- selnd einen gem¸tlichen Vergn¸gungspark und eine F¸nfsterne- ¸berlebensreise in die paranoide Kategorie, in der, wenn es eng wird, der Humor als rettender Engel zur Erde kommt, um das Programm aus dem Sumpf zu holen. Das geht nur dank der Nicht-Profilierung. Ohne Heimlichtuerei bleibt die Existenz der Souver”nen unbemerkt, da sie sich in dem blinden Fleck aufhalten, den die gleiþende Medienausstrah- lung verursacht. So brauchen sie auch nicht als neue Str–mung bemerkt zu werden , die der Kunst 'mal wieder neue Impulse ge- ben soll. Anders als die Anti-Kunst, deren Prinzip eine Kritik an der kapitalistischen (Kunst)Produktion ist haben souver”ne Medien sich der politischen und k¸nstlerischen Emsigkeit ent- fremdet. Ein avanciertes, gegenseitiges Desinteresse verhin- dert jedes Gespr”ch. Man lebt in zwei parallelen Welten, die sich gegenseitig nicht bel”stigen. Als besondere Kategorie sind souver”ne Medien schlecht wieder- zuerkennen, weil die Gestalten, in denen sie erscheinen, groþ- artig leuchten k–nnen. Die Produzenten zeigen sich nicht, man sieht nur ihre Masken in den uns bekannten Formaten. Jedes ge- lungene Experiment, das als k¸nstlerischer oder politischer Ausdruck gedeutet werden k–nnte, wird sofort Verschmutzung ausgesetzt. Die Mischer-von-Geburt-an provozieren nicht, sondern beschmut- zen zuf”llige Passanten mit krankhaften Banalit”ten, die sich mit freundlicher Nichtigkeit pr”sentieren. Ein nichtzuentwir- rendes Kn”uel der Sinngebung und Ironie macht es f¸r ge¸bte Medienleser unm–glich, da noch durchzublicken. Die negativen Medien lassen sich nicht positiv definieren und taugen zu gar nichts. Die Atmosph”re, die sie verbreiten strebt gegen die Netzwerkideologie der multimedialen Interak- tivit”t. Der Computer als zentrale Koordinierungsmachine un- terwirft alle alten Medien dem digitalen Regime. Die Schaltun- gen der souver”nen Medien dagegen sind andersartig, sie kann man nicht in einen universellen Code umsetzen. Da die Technik keinen Respekt einfl–þt, wird High-Tech unbeschwert getestet und umgekrempelt. Diese Reise ins Innere der Maschine f¸hrt aber nicht zum -zigsten multimedialen Gesamtkunstwerk. Dazu ist der Unglaube an die totale Inanspruchnahme der Sinnlichkeit und an die technisch perfekte Vorstellung zu groþ. Die notwendige Energie wird aus Kurzschluþ, Sprachverwirrung, atmosph”rischen St–rungen und aufeinander prallenden Kulturen beschafft. Erst wenn die Computer ihre eigenen interfaces rui- nieren und die Datenarbeiter in Schrecken versetzen ist es f¸r die Souver”nen an der Zeit, sich einzuloggen.