TOTALE MEDIEN "Wer mehr h–rt und mehr sieht, lebt k¸rzer" Luis de Gongora Solange es das Auþermediale gibt sind Medien nicht total. Auch wenn wir die technischen Entwicklungen von Multimedien, Tele- pr”senz und Interaktivit”t ¸ber ihr Ende denken, bleibt die nagende Vermutung, daþ nicht alles gecovered wurde. So gab es immer items, die es nicht geschafft haben, Konsumenten, die zuf”lligerweise nicht eingeschaltet waren, miþratene takes, fast-Daten, einseitig zielende Registrierungsger”te, die im moment suprËme die falsche Seite abtasteten und ideologische Raster, durch die manches durchrutschte. Der Golfkrieg hat nicht nur gezeigt, daþ Medien einen event auf allen Fronten beherrschen k–nnen, er lieferte uns auch das Gesetz von Husse- in:man kan immer unsichtbar bleiben. Auch wenn Satelliten dei- ne Bewegungsfreiheit mit einer Genauigkeit von bis zu 30cm festlegen k–nnen gibt es noch gen¸gend M–glichkeiten zur Me- diencamouflage. Der Reiz einer Operation wie Desertstorm ist, daþ die Konzen- tration von extensions um einen Fokus einen medialen Schlag- schatten gleicher Gr–þe ergibt. Aktionen gegen den Krieg be- kommen ihre Zeitweilige Autonome Zone (Hakim Bey) zugewiesen, in der sie, nicht gest–rt von der Pflicht zur Eindeutigkeit und ohne Bilderschminke, eine eigene Strecke entdecken k–nnen. Saddam Hussein bescherte den westlichen Kontinenten ein paar Wochen lang die fr–hliche Erfahrung, die zweite Geige spielen zu d¸rfen, auþerhalb des Medienvisiers. Die mobilisierten Me- dialen f¸hrten den Neuen Weltkrieg mit einer Philosophie der achtziger Jahre, der der Globalit”t, in der die ganze Welt die gleichen Bilder verarbeiten muþ. Was auf lokaler Ebene pas- sierte, ging an ihr vorbei und das wurde ihr w”hrend des n”ch- sten Gemetzel, in Jugoslavien, wo es nirgendwo Medien gab, heimgezahlt. Jetzt, wo die Erde fragmentiert und lokale Bev–lkerungen bese- ssen sind von auftauenden Vorfahrn und von dem Eigenen ihres Ortes, bekommen die Medien das unangenehme Gef¸hl, ein abge- nagtes Kunstst¸ck aufzuf¸hren. Schon seit der Landung auf dem Mond investieren sie ihre Ressource im Glaubw¸rdigmachen des Slogans:"The sun is coming up somewhere all the time. "Heute ist die "consumer confidence" in diesen "24hour marketplace" verblaþt. Die nonsense-Mentalit”t der neunziger Jahre fordert eine ver”nderte Betrachtung der Medien, in denen eine lokale Omnipr”senz garantieren soll, daþ die geniale Verg”nglichkeit der Momente nur vor dem Auge einer oder zwei, drei, vieler Kameras gefeiert wird. Die unwiderstehliche Tr”gheit der Exi- stenz zersplittert Gottes Auge. Der Ernst der klassischen Wel- tthemen wie Ozon, Treibhaus, Aids, Asyl, Drogen, Rezession, Mafia und kommunistisches Erbe ist gefragt, um die Benutzer in die Medien hinein zu saugen. Die Konzentration der Zuschauer ist der Brennstoff, durch den der Medienmotor l”uft. Das wi- derspricht aber dem Verlangen des 20. Jh nach touristischer Erfahrung. Fordern die Medien, daþ man sich v–llig in ihnen aufl–st, m–chte der Tourist 'mal v–llig abschalten. Diese op- positionelle Konstellation ist nicht nur Grund des medialen Unbehagens des/der M/F auf der Straþe, sondern produziert gleichzeitig Widerwillen bei den Medien ihren ungl”ubigen Mas- sen gegen¸ber. Materielle Medien sind nicht mehr als technische Schaltungen. Es werden immer wieder kurzfristige, auþermediale Inseln in den Netzwerken entstehen. Das Sch–ne Gottes war seine Imma- terialit”t, sein Verm–gen, immer und ¸berall anwesend zu sein und zu interferieren mit lokalen Ereignissen, bis tief im Gewissen der Gemeinde. Die Mentalit”tsfrage ist als kontempo- r”re Sakralit”t zu sch”tzen, sie hat die immanente Dimension der historischen Religionen. Wenn die Medien dem Versiegen ihrer Quellen der Publikumshingabe vorbeugen wollen, m¸ssen sie die K–pfe und die Herzen erobern. Totale Medien herrschen dank ihrer physischen Abwesenheit, sie existieren dank des kollektiven Gef¸hls, daþ jeder immer im Bilde erscheint. The- menparks bilden das p”dagogische Projekt zur Verbreitung die- ser Mentalit”t. Sie greifen von innen die touristische Sehn- sucht an. Das Projekt der totalen Medien ist, die Auþenwelt nach der makellosen Vorstellung, die nur die Medien von ihr bieten k–nnen, nach einer notwendigen Informationskorrektur, neu zu gestalten. Das upgrading der europ”ischen Innenst”dte mag noch so gl”nzend durchgef¸hrt werden, es bleiben immer die menschlichen Exkremente. Die tiefe Entt”uschung ¸ber die Bild- verschmutzung, die immer wieder aus der klassischen Realit”t auftaucht, erfordert eine Vorgehensweise ¸bermenschlichen For- mats. Der Modellpark faþt nicht nur eine Kultur zusammen, son- dern fordert von dem umgebenden Nicht-Park, daþ er sich an dem Beispiel orientiert. Einmal auþerhalb des Zauns, sollen die Besucher die alte Umgebung lesen als Vorstufe der wahren Zivi- lisation, die hinter den Schaltern ihre definitive Gestaltung bekommen hat. Die zweitrangige Wirklichkeit wird als Input- lieferant der totalen Medien neudefiniert. "Wollt ihr die totale V–lkerverst”ndigung?" Amerikaner brau- chen die Staaten und ihre ruhmreiche Geschichte nicht mehr auszukundschaften, weil sie komplett in der Disneygalaxie an- wesend sind. Europ”er ¸berqueren den Ozean nicht mehr, um das Imagin”re der Neuen Welt zu erforschen. Baudrillard kann in Eurodisney, Paris, bleiben, um sich aufzul–sen in einem Rausch der unz”hmbaren Vitalit”t und orgastischen Elastizit”t. Japa- ner ziehen es vor, im 'Haus ten Bosch' zu wohnen, nachgebaut im Maþstab 1:1, oder in einer Deutschen M”rchenstadt auf Ho- kaido. Im Zeitalter des rasenden Stillstands kann die k–rper- liche Konfrontation mitder unbequemen Welt vermieden werden. Keine fingerfertigen Taschendiebe, sture Kellner, quietschende Hotelbetten, Generalstreiks, Jetlags oder schmuddelige Bistros. Der unternehmende Daheimgebliebene ist von seinen –kologischen und antropologischen Schuldgef¸hlen erl–st wor- den. Das st–rende Gef¸hl, ein Auþenseiter zu sein, bedr¸ckt nicht mehr und wird ausgetauscht gegen die angenehme Empfin- dung, eine fremde Zivilisation absolut verstanden zu haben. Die urspr¸nglichen Bewohner des Anderswo scheinen heutzutage den Wert der eigenen Kultur nicht zu verstehen, denn sie ver- sauen sie mit knatternden Mopeds, auf-dringlichen Reiseanden- ken, Ghettoblastern, –ffentlicher Trunkenheit und einer unli- mitierten Benutzung der Abriþbirne, die an eine Sch”ndung der Menschheit grenzt. Die Krise der Tourismusindustrie, die von diesem neuen Trend ausgel–st worden ist, wird von den Managern des Staates und Kapitals mit einer gnadenlosen Repr”sentationswut pariert wer- den. Der Aussperrungsmechanismus dieses 'Komplottes gegen un- vern¸nftige V–lker' wird bald durchschaut. Jedes Land wird den eigenen Park auf dem Gebiet der reichen Regionen fordern, nach dem Motto:Man muþ das Geld holen, wo es ist. Jetzt, wo Ent- wicklungshilfe ausbleibt, der Schuldenberg versteinert ist, die abgeschriebenen Gebiete ihren Charme durch W¸stenbildung, Ðberbev–lkerung, B¸rgerkrieg und Epidemien f¸r immer verloren haben, kommen die Parias der Erde zu uns. Wo die Geachteten sich als Fl¸chtling tarnen und mit gef”lschten Ausweisen ihre Herkunft zu unterschlagen versuchen, nimmt die Elite den si- cheren Weg des Kapitals und er–ffnet sogenannte Realit”tparks, um die mitgebrachte Kultur weiter exploitieren zu k–nnen. Besuch' doch mal den Euro Machu-Pichupark in der N”he von K–ln f¸r eine totale Peruerfahrung. Nach Bildung einer B¸rger- wehr mit selbstgebastelten Holzwaffen und einer Begegnung mit Befreiungstheologen und Berufsrevoluzzern wird die Lambadadis- co mit einem Auftritt der Los Incas besucht, um anschlieþend bei bitterer K”lte zu biwakieren. Wir sind anwesend bei einer authentischen Schieþerei zwischen besoffenen Guerilleros des Leuchtenden Pfades und der Koks-Mafia, die Folge eines Streits um die Gewinnbeteiligung. Man kann Cholera bekommen, nachdem man Kartoffeln an einem Straþenstand gegessen hat aber es ist nicht unm–glich, wieder von einem aztekischen Kr”uterarzt ge- heilt zu werden. In einem Simulationsraum lernt man Atemnot und die Luftverschmutzung auf 4000m H–he kennen, wonach man auf den Treppen einer Inkapyramide einen Menschenopf bringt. Ein Kurs 'Panfl–tenherstellen' im von D”nikenhaus geh–rt dazu, ebenso ein Workshop 'Bestechung'. Die Teilnahme an einem Staatsstreich bildet den H–hepunkt unseres dreit”gigenAufent- halts. Sowas m–chte wohl jede Nation haben! Disney ist nur Phantasie. Und es gibt soviel mehr zu erleben. Wie der Albanienpark 'Tiranacitta' in der Toskana, gebaut mit Hilfe von Italienern oder den von Zaire im Zonienwald, s¸dlich von Br¸ssel(Kostenpunkt:BFr 600 Mio. )Oder besuch' zur Ab- wechslung mal den Themapark Katastrophia, in dem das 20. Jh im Maþstab 1:1 nachgebaut worden ist. Jetzt, wo die Parks wie die Pilze aus dem Erdboden schieþen, nimmt die Frage nach globalen Informationen zusehends ab. Warum Information aufnehmen, wenn man alles selber miterleben kann?Das ist die Frage, an der sich das 21. Jh festbeiþen wird. "More speed means less time for boredom". Hier muþ die Frage, ob der Auþermediale es schaffen wird, eine neue Generation der troubleshooter zu motivieren, um die positive Stimmung innerhalb der Burgmauern der totalen Medien zu versauen, offen bleiben.