UTO'S DIE WELT NACH DEN MEDIEN 'Denn ich bin nichts, und ich habe es nicht gewuþt' Thomas A Kempis Medien sind ein leeres Objekt. Auþerhalb des Dreidimensionalen situiert, sind Medien das Spiegelbild Gottes. Wie der Deutsche Meister Eckhart sagte, man k–nne Gott nur lieben wie man nie- mand liebt, kann die Passion f¸r die Medien nur eine Vorliebe sein f¸r Nichts. Gott sah sich w”hrend der Geschichte andau- ernd dazu gezwungen, die Welt wahrzunehmen und Informationen in Bezug auf Ziel und Zukunft zu erteilen. Fortw”hrend bombar- diert von Opfern, Gebeten und Bildern, starb er letztendlich vor Mitleid mit oder aus Rache an einer Menschheit, die nie hat akzeptieren k–nnen, daþ er nur ein Niemand sein wollte. Als Gott aus dem Brennpunkt des Interesse verschwand, wurde seine Stelle als Mitte des Alls von der Erde ¸bernommen. Aber auch sie verschwand, und die Leere im Herzen der Welt wurde vom Menschen als Maþ aller Dinge gef¸llt. Nach zwei Jahrhun- derten von Aufkl”rung und industrieller Produktion muþte man in den Sechzigern j”h konstatieren, daþ auch der Mensch ver- schwunden war. Das war der Moment, in dem massenhaft auf die Medien umgeschaltet wurde, um das Loch zu stopfen und die Rui- nen der Geschichte in Weltbildformat zu bringen. Bis dahin hatten die Medien harmlos Botschaften von Sender zu Empf”nger ¸berbracht. Wie subversiv oder obrigkeitstreu die auch waren, Medien selber hatten nie einen bestimmten Stand- punkt. Die Informationen, die sie aufgehalst wurden, lieþen sie durch sich hindurchstr–men, um sie los zu werden. Heute ist sie auf einmal verselbst”ndigt zu einem Machtzentrum der Informationsgesellschaft, die sich zu einem Glauben an die totale Kommunikation bekennt. Dazu gezwungen, ein volles Ob- jekt zu sein, bekamen sie ein eigenes Moment, das sie in die Richtung schickte, in der ihre Vorg”nger schon gegangen waren. Medien wurden global und universell. So wie Gott durch Mission und Kreuzfahrt ¸ber alle Kontinente verbreitet wurde und der Mensch dann die Verantwortung f¸r allen Reichtum und alles Elend auf der Welt aufgebrummt bekam, so sind jetzt Medien allgegenw”rtig. Ðber Satellit und Glasfaser sind alle Orte ¸berall live dabei - der global view ist die einzige Perspektive der Internatio- nale. Gleichzeitig stellt sich heraus, daþ jedes Objekt Medien werden kann. Kleidung, Porzellan, Wohnungseinrichtung und Stadt sind Medien von nationaler, politischer oder sexueller Identit”t und Zeitgeist geworden. Sie sind Thermometer einer psychischen Kondition. B”ume reichen Botschaften in Bezug zu Windst”rke und Umweltverschmutzung weiter. Alles strahlt Be- deutungen aus und berichtet von etwas anderem als der eigenen Existenz. Wo Gegenstand war, ist Information gekommen. Es gibt keine andere Realit”t mehr als die der Medien. Einmal ins Zen- trum ger¸ckt, tendiert was auch immer zu einer maximalen Gr–- þe, um dann zu verschwinden. Auch Medien n”hern sich rasch ihrem Pointe Omega, wo Seele und Materie zusammenfallen und eine Leere entsteht, die von einem neuen Geist aufgef¸llt wird. Wo Gott zwei Millenien und der Mensch zwei Jahrhunderte brauchte, werden Medien h–chstens zwei Dezennien brauchen, um von der B¸hne zu verschwinden. Dieser Megatrend zeigt sich in der Geschwindigkeit, in der technische Systeme einander nach- folgen, aber auch in der Lichtgeschwindigkeit, womit Informa- tionen sich, wie das Gebet, fortpflanzen. Jetzt schon werden Medien im Museum ausgestellt. Der Vorg”nger elektronischer Medien, der Film, wurde erst zur siebten Kunst erkl”rt, als das Studiosystem der industriellen Anfertigung zusammenbrach. Das war der Moment, in dem Film sich von aktivem, gesellschaftlichem Faktor zu ”sthetischem Objekt kinematografischer Begierde verwandelte. Kinematogra- phie wurde die einzige Brille, durch die man einen Film anschauen und beurteilen konnte. Die Filmproduktion reagierte, indem sie selber auch manieristisch und akademisch wurde. Das Zuschauerverhalten wurde von kollektiver Rezeption zu indivi- dueller Erfahrung reduziert. Der Film, der zun”chst eine Ge- schichte erz”hlte, die der Zuschauer selbst h”tte erleben k–nnen, wurde ein k¸nstlerisches Produkt, wovon der Zuschauer sich fragt, wie er es selber gemacht h”tte. Das Museum absor- biert den Film m¸helos als die Kunst des 20. Jahrhunderts schlechthin. Ÿhnlich wie die Oper, als Relikt des 19. Jahrhunderts, wird Film von Staat und Industrie subventio- niert, und begleitet von Kritik und Skandal, ohne welche er nicht mehr bankable w”re. Film ohne Medien ist wie ein Fisch auf dem Trockenen. Medien als museale Kunst des Fin de Siecle wird eine ”hnliche Konservierung zu Beginn des 21. Jahrhun- derts zuteil werden. Ohne Einbettung im digitalen Netz schn- appen Medien nach Luft. Widerstand gegen die schleichende Selbstzerst–rung der Medien kommt von der Videastenkaste, die, aus Protest gegen ein dro- hendes Verschwinden, die Medien konservieren als w”ren sie Kunst. Diese Medienarbeiter haben einen vielseitigen Aufgaben- bereich. Ihre gesellschaftliche Position hat sich noch nicht auskristallisiert. In enger Zusammenarbeit mit digitalen Den- kern haben sie die edukative Aufgabe ¸bernommen, die altlinke Subklasse, die wegen ihrer politischen Vergangenheit weit hin- terher hinkt und noch eingeweiht werden muþ in das mediale Ambiente, ¸ber Kabel, Galerie und Museum mit den unerahnten M–glichkeiten von Sprache und Ritualen unserer Zeit vertraut zu machen. Andererseits scheinen sie zu agieren gegen das pro- blemlose Medienverhalten der Massen. Der Versuch, den Fernse- her zu verfremden, indem er als Objekt in einer Installation erscheint, ist aber ein Fehlschlag, denn der Fernseher hat schon l”ngst einen verfremdeten Ort bekommen, die Schrankwand. Was der A. V. -en-garde bleibt ist eine v–llig unverbindliche, fundamentale Untersuchung nach den Prinzipien von Bild und Klang. Das Isolieren, Ÿsthetisieren und Beschleunigen von Bildern er- gab das revolution”re Genre des videoclips, das allerdings das Maþ aller Bilder wurde und zur Zeit den Rhythmus eines Spiel- films und der Tagesschau bestimmt. Die Tendenz, Bilder zu gefriertrocknen (scan freeze) und das Fernsehen zu einer narzistischen Selbstbetrachtung zu f¸hren wird h–chstens eine neue Posterkultur ergeben. Alle, von Videofirlefanzern ausgeheckte Gegentechnik f¸hrt unausweich- lich eine Beschleunigung der medialen Selbstzerst–rung herbei. Verbreitung von Videokunst wird dazu beitragen, das Bild sei- nes Informationswerts zu entledigen. In naher Zukunft wird, analog zum Film, die einzige Frage des Publikums sein:wie w¸r- de ich es gemacht haben? Mediaphilie ist als Freizeitbesch”ftigung grunds”tzlich nur einem selektierten Marktsegment vorbehalten. Passionierte Sammler von Bildern m–gen die Sch–nheit ihres pers–nlichen Ge- schmacks sp¸ren k–nnen, f¸r Auþenseiter ist deren Kollektion erstaunlich und nichtssagend. Desinteresse ist die gr–þte Be- drohung f¸r die noch allgegenw”rtigen Medien. Die Fernbedie- nung, kombiniert mit einer un¸berschaubaren Menge Kan”le, macht es m–glich, uninteressante Bilder sofort auszul–schen, bis zur Entdeckung:das gesamte Bilderangebot ist gar nicht der Rede wert. Wenn w”hrend eines Werbeblocks massenhaft umgeschaltet wird, wird die Werbe-Szene gezwungen, sich aus den Medien zur¸ck zuziehen. Aus Langeweile wird man auf eine medienarme Di”t umsteigen und f¸r die Mediens¸chtigen werden Selbsthilfegruppen organisiert. Schon jetzt l”uft eine Bewegung an, die aus purer Begeisterung an einer bildfreien Gesellschaft den Sozialismus als Bilder- verbot neu einf¸hren wird und, begr¸ndet in den J¸disch-Isla- mischen Heiligen B¸chern, aufgenommen werden wird in die Uni- versalen Rechte des Menschen. So wie seit den Tod Gottes die Religion eine private Angelegenheit geworden ist, wird das Bild eine private Erfahrung werden, die sich bestenfalls in geheimen Logen der h”retischen Mediasten organisieren kann. Die Implosion der Realit”t in den Medien ist jetzt ausreichend beschrieben und bekannt worden. Das Bilderverbot wird eine Kettenreaktion als Folge haben:das Aussch¸tten der Medien in die Realit”t. Mit Entsetzen werden wir uns wiederfinden in einer Welt voller Objekte, die keine einzige Botschaft durchlassen. Ohne daþ die historisch-materialistischen Gesetze der Geschichte darum ge- beten haben, wird der Sozialismus sich in der Leere der post- medialen Ÿra ansiedeln. Ein objektfreundlicher Kommunismus wird herrschen in einer bildfreien Gesellschaft. BILD - STILLE Im Herbst der Medien zelebriert man die Abwesenheit. Die Er- findung der Photographie offenbarte, daþ die Malerei so bezau- bernd ist, weil die Leinwand nicht die Wirklichkeit zeigt;die Introduktion des Filmes, daþ das Photo seine Sch–nheit der mangelnden Bewegung entlehnt;der Tonfilm, daþ der Stummfilm ersch¸ttert, weil er kein Ger”usch macht. Und die Farbfilmer, sie sind die f¸hrenden K–pfe der Ÿsthetik des 'Film Noir'. Daraufhin machte das Fernsehen klar, daþ all jene Filmformen ihre Attraktivit”t dem Schwarzen zwischen den Bildern entlie- hen. Und jetzt lehrt hivision, daþ das video etwas geboten hat, das im Moment verloren geht:die Ÿsthetik der Rasterzeile. Im cyberspace werden wir uns bewuþt werden, daþ die Kraft der distanzierten Medien unsere Abstinenz auf dem Schirm war. Sim- stim zeigt uns anschlieþend, daþ cyberspace so angenehm war, weil es auþerhalb unseres Nervensystems stattfand. Und. . . ach, undsoweiter, undsofort. Die chemischen Medien hatten Zeit und Muþe. Wenn wir die f¸nf Zeitstreifen der Beleuchtungs-, Entwicklungs-, Reproduktions-, und Rezeptionszeit einfachheitshalber addieren, sehen wir, daþ diese Medien dem Bild die M–glichkeit gegeben haben, vollst”ndig auszureifen. Sogar Filme, die damals zum soforti- gen Konsum gemeint waren zeigen sich, Jahrzehnte sp”ter, noch mitten in ihrem Rezeptionsprozeþ. Sich zersetzende Nitratfilme werden schleunigst konserviert, denn ansonsten w¸rden diese nassen Medien entflammen. Das Bildlicht wurde damals auf einer unfertigen Substanz aufgefangen, die anschlieþend durch eine Reihe von B”dern gef¸hrt werden muþte um, in einem dunklen Saal, von einer kr”ftigen Lichtquelle hinter bzw. mit einem weiþen Schirm vor ihr wahrnehmbar gemacht werden zu k–nnen. Reproduziert wurde der Film mittels unmittelbarem Kontakt von Originalnegativ und noch unbenutztem Streifen. In der Rezep- tion dieser fl¸ssigen Medien waren vor allem glucksende Theo- rien bez¸glich des flieþenden Unterbewuþtseins, genannt Psy- choanalyse, hoch favorisiert. Das ganze Filmgesch”ft antizi- pierte an diesen nassen Tr”umen. Jetzt, wo der chemische Filmprozeþ, beeinfluþt vom publikums- freundlichen Magnetismus des homevideos ausgedient hat, sehen wir, daþ das Bewuþtsein der Abtrennungen zwischen den einzel- nen Bildchen w”chst. Immer mehr wird dieser schwarze Streifen ins Blickfeld geschoben und als gleichwertiges Element in die Bildsemiotik aufgenommen. Ein bekanntes Beispiel dieser Ver- fahrensweise ist 'Stranger than Paradise' von Jim Jarmusch, worin das Schwarze als Pauseprogramm zwischen den einzelnen shots eingeblendet worden ist. Je mehr das Bild reift, desto klarer wird, daþ es gerade diese dunkle Seite der Kinomatogra- phie ist, die die Kinematographen ein Jahrhundert lang auf Trab gehalten hat. Die Leere zwischen den Bildern zeigt sich als der groþe Verf¸hrer f¸r die Ÿstheten des puren Bildes. Das groþe Publikum allerdings wollte nichts wissen von dieser Emanzipation der Montage und fordert einen reibunglosen Ðber- gang von einer Faszination in die n”chste. Was Kinematographen entgeht, ist, daþ die magnetischen Medien mindestens soviel Bildabstinenz bieten k–nnen. Gerade in der Zeit, wo mit Technicolor eine erstaunliche Farbpalette gezeigt werden konnte und das Ideal der naturgetreuen Wiedergabe so nah war, erschien die flimmernde schwarz-weiþ Kiste im Wohn- zimmer. Auf dem Videoband werden Molek¸le in einem magnetischen Feld neugruppiert, damit sie sofort gelesen wer- den k–nnen, wenn man die richtigen Ger”te besitzt. Weder Fl¸s- sigkeit noch Licht spielen eine Rolle. Das handwerkliche Ent- wickeln, Montieren, Projektieren und Rezipieren verschwindet in die groþe Zug”nglichkeit des Mediums. Die fluide Theorie- bildung versagt v–llig und bis heute ist es der Videophilie nicht gelungen, eine exclusive Passion zu werden. Nach zwanzig Jahren waren die Unzul”nglichkeiten ¸berwunden und konsolidierte der Groþbildfarbfernseher sich als Heimkino. Das t”gliche Aufbauen und L–schen der Rasterzeilen hatte eine solche Perfektion erreicht, daþ es gar nicht mehr bemerkt wur- de. Die Innenarchitektur war so angepaþt, daþ nur noch selten von den Augenwinkeln aus geglotzt wurde. Die Rasterlinien ka- men erst in den Achzigern zur¸ck mit VCR, der vor- und r¸ck- w”rts spulte, das Bild einfror und bei schlechten Kopien MoirÈ zeigte. Eine kunstvolle Anwendung des Rasterlinienprinzips zeigte Bill Spinhovens Installation 'Time-Strecher', die eine Videoabbildung eines Zuschauers aufbaute mit einer Zeitverz–- gerung von drei Sekunden zwischen unterer und oberer Rasterli- nie. Dennoch wurden diese waagerechten Palisaden des Videobildes nicht als solche benannt. Sie bildeten nur eines der Elemente, die dem Videalen seine eigene K¸nstlichkeit verschafften. Die Rasterlinie ist das Logo einer Epoche geworden. Auf Titelsei- ten enthalten 'videostills' aus Livesendungen einen Mehrwert an Aktualit”t, der f¸r professionelle Photographen nicht zu erreichen ist. Der Pressephotograph, der sich weigert, digi- tale Photos ¸ber sein Satellitsch¸sselchen durchzufunken, wird gezwungen, einen Schritt zur¸ck zu tun und seine Reportagen als impressionistische Dokumentarberichte zu verkaufen, die einen Blick bieten auf das das sich hinter der Fernsehkamera ereignete. Heute, mit der Introduktion des HDTV, stellt sich heraus, daþ alle Eigenschaften des videos in perfektionierter Form ins n”chste Medium aufgenommen werden k–nnen-auþer der Rasterli- nie. Der pixel, digital ern”hrt und geformt, ist ganz sich selbst ¸berlassen. Die st”ndige Aufbauarbeit, die das raster- hafte Fernsehbild brauchte um aufrecht bleiben zu k–nnen, wird nicht mehr gebraucht. Eine Rechenzentrale speist die autonomen Punkte mit Daten und was sonst noch passiert ist nicht deren Problem. Der individuelle pixel erlaubt jede Bearbeitung und kann ¸ber unterschiedliche Schnittstellen Medien durchwandern. Es ist Zufall, daþ Daten als Bild erscheinen. Der knitterfreie Fern- seher, der nach Wahl vergr–þern oder verkleinern kann und farbechte Bilder aus dem Leben liefert, produziert einen Blick, der aus Materialien des 20. Jahrhunderts ein histori- sches Genre macht. Erst wenn high definition weltweit durch- gef¸hrt worden ist werden die Kinematographen verstehen, daþ auch ihr Erzfeind aus ferner Vergangenheit Momente der Absti- nenz kannte und von dem gleichen Feind geschlagen worden ist. Wie die Leinwand durch HD ersetzt werden wird, wird der alte Fernsehschirm von einem neuen Maþstab ausgel–scht werden. Rau- schen erlebt dann Goldene Zeiten und wird das Material f¸r die AV-Garde, die im definition-Zeitalter auf der Suche nach rau- hem und elementarem Bildmaterial ist. Die Leute, die jetzt das Verschwinden von 8 und 16mm bek”mpfen k–nnen also auf Unterst¸tzung von 'Safe the TV', Medienkonse- vatoren und den echten Video(still)k¸nstlern rechnen, die die neue Bildrealit”t dazu benutzen, alle ¸berfl¸ssigen, geraster- ten Materialien als Kunst zu beanspruchen. Film, der sich jetzt als siebte Kunst subventionieren l”þt, wird sein synthe- tisches Museum mit seinem dialektischen Partner Fernsehen, der sich dann immer noch br¸sten wird mit alten Einschaltquoten, teilen m¸ssen.