DAS OKKULTE VERKEHRSSCHILD Wo das Verkehrsschild f¸r die Sicherheit der Verlangsamung steht w”hlt die motorisierte Bewegung f¸r die gef”hrliche Beschleunigung. Das rot-schwarz-weiþe Verbotsschild stammt aus dem vorkapitalistischen und absolutistischen Machtssystem und sollte die Bewegung vor der katastrophalen Kehrseite der Teil- nahme am Schnellverkehr warnen. In den dreiþiger Jahren wurde das Verkehrsschild als prim”res Zeichensystem der Bewegungs- kontrolle eingef¸hrt. Die Motorisierung des Volkes wurde plan- m”þig organisiert und war gemeint als Bek”mpfung der Krise, in die der (Geld)verkehr geraten war. Der ÷sterreichische Auto- bahn planer A. Hitler war Gr¸nder der Europ”ischen Verkehr- sinitiative. Er brachte dann allerdings seinen geopolitischen Wunsch und seine Neigung zur Verkehrsbeschleunigung durchein- ander. Das Rot-Schwarz-Weiþ machte er zum Symbol der Bewegung, die sich letztendlich in den Koordinaten des Blut und Boden verhedderte, die noch aus der statischen Pr”historie stammten. Das Hin-und-Herfahren im Verkehrsmodell 39-45 war das Ergebnis des Versuches, sowohl den Raum durch Beschleunigung zu erobern als auch Sippe und Scholle bei der Fahne zu halten. Die Trikolore rot-schwarz-weiþ kehrte w”hrend des Wiederauf- baus zur¸ck zu den zeitlos aussehenden Verkehrsschildern. Sie symbolisierten da nicht mehr Blut, Tod und Reinheit, hatten aber den Effekt, daþ die klassische Macht ¸ber Tod und Leben im Verkehr wieder aktiviert wurde. Wie die Macht sich in ver- gangenen Jahrhunderten als uneinnehmbare Burg pr”sentierte, best”tigte sie ihre Existenz im Schnellverkehr mittels stabil verankerter S”ulen und Verkehrsschilder. Da der Raumwunsch des Kalten Krieges auf kosmischen Raum fixiert war verlor die dunkle Seite der Trikolore ihre Selbstverst”ndlichkeit im er- dischen Bewuþtsein. So konnten die Verkehrsschilder eine Ge- burtenwelle durchf¸hren ohne die katastrophalen Folgen der vorherigen Jahre zu wiederholen. Die Begeisterung ¸ber die Befreiung des Verkehrs nach dem Krieg bestimmt - mehr noch als die okkulte Farbwahl- bis heute das Aussehen der Verkehrsschilder. Dieser Enthusiasmus konnte auch nicht von Verkehrstoten ged”mpft werden. Es gab nunmal den felsenfesten Glauben in die progressive Disziplinierung durch Schilder, auch wenn die Schicksal und Zufall auf, ¸ber und entlang der durchgehenden Routen neuintroduzierten. Die Rebellion des Umschmeiþens oder Umdrehens dieser Zeichen ist ein Versuch, das Schicksal wieder in eigene Hand zu nehmen und sich gegen das Machtssystem der Mobilisierung zu wenden. Wir k–nnen Verkehrsschilder umziehen, oder als Sturmbock einset- zen, das Straþenmobiliar als Barrikade verarbeiten oder als Ritterschild ben¸tzen, ausreiþen und als Troph”e mitnehmen, oder eine Mitteilung hinzuf¸gen (-50 C). Der Widerstand gegen die Zeichen der Verkehrsmacht erregt immer die Phantasie und ist bei jeder Aktion oder jedem Krawall wiederzufinden. Die Strafe gegen diese Pervertierung der Zeichen ist gering, weil auch die Macht sie als l”stig empfindet. Die Eruption des Straþenverkehrs in den sechziger Jahren, machte die Visualit”t der Schilder zu einem Problem. Unter der Ðberschrift "Das Tier 'Mensch'" in der Aufkl”rungsbrochure 'Mensch/Straþe/Auto'(1970) der 'Keesing Reflektor'-Reihe, wird das Verschwinden des rot-schwarz-weiþen Verbotsschild schon angedeutet:'Sogar in einem modernen Wagen mit einer endlos gr–þeren Fensterfl”che als vor noch wenigen Jahren, kann der Fahrer nur noch ein F¸nftel seines normalen Blickfeldes ¸ber- sehen, und seine Augen auf nur ein Objekt richten. Das bedeu- det, daþ Autofahrer derartig eingeschr”nkt sind, daþ Straþen- planer als absolut sicher annehmen k–nnen, daþ Verkehrschilder gar nicht bemerkt werden. 'Bevor es soweit kommen konnte, sollte das Schild noch eine Demokratisierungswelle erleben, um erst im Fin-de-Siecle mit dem Vorhaben konfrontiert zu werden, eine Zeichendi”t zu verordnen, weil es 'zuviele Schilder gibt.' Noch bevor die Entfernung der Schilder aus dem Schnell- verkehr einsetzte, hatte das Schild schon seinen Marsch im Langsamen des Sozialen angetreten. In der intimen Dom”ne der Fuþg”nger, Radfahrer, Konsumenten und Flanierer warteten schon moralisierende rot-weiþ-schwarze Aufkleber in –ffentlichen R”umen wie Rolltreppen, Bahnsteige, Absperrgitter, Straþenmo- biliar und Haushaltsartikel. Die ekligen Verhaltensschilder 'nicht rauchen'und 'keine Pommes' sollten das Reinheits- und Gesundheitsbewuþtsein des Publikums fordern. Im Interesse der Gesundheit und Umwelt wird auch das Blut als gef”hrliches Ver- botszeichen neueingef¸hrt:Der Arzt J. K. van Wijngaarden, Haupt des Nationalen Kommittee AIDS-Bek”mpfung, sagte, es sei notwendig, den alten Spruch, Blut sei eine gef”hrliche Fl¸s- sigkeit, neu aufzuwerten. 'Die Stoppt AIDS Kampagne verglich das Risiko des Teilhabens am intimen Schnellverkehr mit der immer anwesenden M–glichkeit, daþ ein Tanklaster in einem Dorfskern umkippen k–nnte. Auf gleiche Art und Weise versuchen Verbotsschilder 'Stoppt den Sauren Regen' oder 'Stoppt den Asylantenstrom' Kleinverbraucher von Politik und Umwelt davon zu ¸berzeugen, diese Verkehrsformen seien in einer Krise, zu vergleichen mit dem Autoverkehr und seinen endlosen Staus. Das Schild gestaltet sich immer –fters als unverbindlicher Ratschlag, der sich als Information pr”sentiert. Das faschi- stische Rot-Schwarz-Weiþ wird von mehr stimulierenden, demo- kratischen Farben wie blau, gr¸n und gelb abgel–st. Die neuen Piktogramme passen in ein immer wechselndes Design. Die Schil- der wurden von den Zeichenmeistern des Marketing in Besitz genommen und verweisen gegenseitig auf sich, w”hrend die Kraft des Verbotsschildes gerade darin lag, daþ es sich jeder Mode entzog. Die Krise des Verkehrsschildes k–nnte zwar gel–st werden, wenn das Zeichensystem dem langsamen Verkehr des Sozialen und Poli- tischen zugeordnet wird, der Schnellverkehr droht damit aber zeichenlos zu werden. Im Schnellverkehr weicht die Trikolore dem Gr¸nen und Gelben, aber auch diese 'Ratschl”ge' bilden Hindernisse, die, im Boden verankert, die Bewegung frustrie- ren. So bekommen die Schilder den Charakter einer nostalgi- schen Attraktion. Der Straþenbenutzer wird scharf bremsen, damit er ihre zeitlose Ÿsthetik bewundern kann oder um sie als collector's-item seiner Sammlung 'Objekte der Moderne' hinzu- zuf¸gen. Weil der Autoverkehr am Bewegungsprinzip der Beschleunigung festhalten will, ¸bernimmt er die Zeichensprache des schnelle- ren Datenverkehrs. Das Auto schaltet ein auf Computer und die Automatisierung der Bev–lkerung ist jetzt Einsatz. Laserzei- chen, Streckenvorschl”ge und Geschwindigkeitsbegleiter werden eingesetzt, um das Problem des sicheren Fahrens zu l–sen. Aber gleichzeitig bietet Computerhacken eine Gelegenheit, f¸r den in Daten verwandelten Verkehr unerahnte, risikohafte Kontakte herzustellen. Die verf¸hrerische Vision, die Straþenbenutzern vorgehalten wird, ist voll virtueller Verkehrsschilder. Diese kommunizieren direkt mit dem boardcomputer im Wagen, ohne den Fahrer mit Verboten oder Anweisungen zu bel”stigen. Die Volks- bewegung des Schnellverkehrs wird dadurch in Glasfiberkabeln verschwinden und zusammenfallen mit Automatisierung und Tou- rismus. Eine Gegenstrategie ist das Verlangsamen dieser Entwicklung mittels Einbruch oder Blockade. In der Praxis wird das nur zu schlauen Streckenvariationen f¸hren. Viel attraktiver ist das Zusammenprallen unterschiedlicher Verkehrsformen. Schon immer hat die Macht sich angestrengt, dem Ðbergang der einen Ver- kehrsform in die andere zuvorzukommen. Die ritualen Zeichen des Geld-, Geschlechts-, Straþen- und Datenverkehrs sollten rein und getrennt bleiben. Diese Vermischung der Str–me wird traditionell als S¸nde der Blutschande, die zu Tod und Verder- ben f¸hrt, verurteilt. Dem gef”hrlichen Leben ist das egal, es sucht sie geradezu.