DEFINITIVE ESSAYS DIE REIZVOLLE WIRKLICHKEIT "Don't want, don't want, don't want to be part of your world. " David Byrne "Kameras zur Seite!zur Seite!setzen!runter!" Auf dem Balkon der Stadschouwburg war w”hrend des Wartens auf Nelson Mandela, eine fr–hliche Band aus Surinam am swingen. Er w¸rde vor den 15.000 zusammengestr–mten Amsterdamern eine Rede halten. Die Musiker waren aber unsichtbar, denn unmittelbar vor ihnen l¸m- melte ein Schwarm (weiþer) Pressekameras herum. Das erregte Irritation. Als die Nachricht kam, der 'K–nig von Afrika' habe das Geb”ude betreten, h”uften sich die Medien um das Mikrophon in der Mitte des Balkons. Die Menge kapierte, daþ sie auch das nicht zu sehen bekommen w¸rde und fing an zu skandieren. Spon- tan wechselten Schlagworte wie 'Kameras weg' zu w¸tenden Lo- sungen wie 'TV raus!'. Diese Variante des 'Bullen raus!' setz- te die Bilderj”ger unerwartet gleich mit einem SEK der Poli- zei. Das diffuse mediale Unbehagen, das sich seit Jahren bei einem Publikum, das ein Jahzehnt lang als bl–des Requisit oder bl–der Konsument herabgew¸rdigt worden war, angesammelt hatte, verwandelte sich in die Erkenntnis, daþ Medienagenten die Rol- le der Ordnungstruppen, der Masse das Ereignis zu enthalten, ¸bernommen haben. Die Medien haben immer –fter sich selbst als eigentliches Er- eignis proklamiert und schieben sich selbst mit ihren techni- schen Prothesen immer mehr ins Bild. F¸r die Presse war die reale Masse auf dem Platz vor der Stadschouwburg genau so imagin”r wie die Zuschauer zu Hause, um die sie sich auch nicht k¸mmert. The masses of the people f¸rchteten, daþ sie nur die R¸cken der Medienfritzen zu sehen bekommen w¸rden, obwohl sie wuþten, daþ Mandela f¸r sie da war und daþ das hap- pening nicht als Freiluftpressekonferenz gemeint war. Die Journalisten sp¸rten, daþ es nicht mehr lange dauern w¸rde, bevor der erste Stein ihr portable high-tech treffen w¸rde und zogen sich hastig zur¸ck aus einer anderthalb Meter breiten demedienzierten Zone. Dann erschien der royalty in exile in der pressefreien Zone und schaute ausgiebig herum, wer so alles da war. Er entdeck- te, daþ seitlich des Balkons noch Tausende von Menschen applaudierten und wand sich durch die Kameras hindurch, um auch sie begr¸þen zu k–nnen. Anders als Popmusiker, Fuþball- teams, K–niginnen und Politiker, die Massen als PR benutzen, rannte Mandela nicht sofort zum Mikrophon, sondern nahm sich Zeit, um der Masse zu begegnen. Auch er schubste die Medien zur Seite zu Gunsten des Ereignisses. Auf einmal wurde es m”u- schenstill und-entgegen aller Erwartung-leierte Mandele keine Geschichte herunter, sondern erkl”rte ganz einfach was das ANC will, ohne mit Phrasen um sich zu werfen. Die Anwesenden teil- ten die merkw¸rdige Erfahrung, daþ eine Masse sich entladen kann, ohne von rasen und br¸llen aufgepeitscht zu werden. Es stellte sich heraus, daþ die Masse zu mehr als Extase oder Langeweile f”hig ist: sie kann auch in Ruhe ¸ber das Gesagte reflektieren. Nach einer halben Stunde beendete er seine Rede mit den Worten:"We respect you, we thank you and above all, we love you." Von den Medien hatten wir das noch nie geh–rt. Die Medien sp¸ren, daþ die kommende Ÿra der digitalen interfa- ces ein Kampf auf Leben und Tot wird. Das 0/1 Prinzip der bits hat eine ja/nein Analogie. Zwei schwindelerregende Scenarien dr”ngen sich auf. Wenn wir 'ja' zu den Medien sagen, emigrie- ren wir nach cyberspace, verlassen wir die hardware des K–r- pers und wird das Bewuþtsein in die software eingeschrieben. Ist es 'nein', dann nehmen wir den 'exit to reality' und enden die Medien als Haushaltsartikel oder als Museumskunst, wie Staubsauger und geflochtene Bauernk–rbe. Anti-mediale Inzidenten nehmen t”glich in Umfang und Frequenz zu, werden aber sorgf”ltig auþerhalb der Presse gehalten oder nicht erkannt. Keine Zeitung berichtete ¸ber die Attacke auf publikumsfeindliches Medienverhalten. Dennoch zeichnen sich international Konturen eines 'anti medien movement'ab. Ihr Motto ist, daþ, falls du noch jemand begegnen m–chtest, du erst die Verbindung abbrechen solltest. Die Angewohnheit, vor dem Schlafengehen noch mal schnell eine Telefonzelle zu zer- st–ren, ein Kabelh”uschen kurzzuschlieþen oder einen Geldauto- maten zuzubetonieren, Videokameras an Straþenkreuzungen mit- zunehmen und willk¸rlich Straþenkabel durchzuschneiden, erregt kein Aufsehen mehr. Diese geteilte Lebenskunst, die aus der Selbsthilfe hervorkommt und einfaches Vergn¸gen will, ist dem Stadium der lokalen St–rung noch nicht entwachsen. Aber wenn die uplinks zur global village massenweise abgeschlagen wer- den, liegt es auf der Hand, daþ viel mehr Erdbewohner ihre Medienfreizeit f¸r andere Sachen verwenden w¸rden. Die Zuschauer haben es lange Zeit genossen, sich vom Fernsehen t¸chtig abstumpfen zu lassen, das wurde aber auch langweilig. Das Pl”doyer f¸r ein Fernsehen mit wohl¸berlegten Bil- dungsprogrammen, schreckt sie aber absolut ab. Untersuchungen haben gezeigt, daþ die Einschaltquoten des Fernsehens rapide abnehmen. Sogar die Restgruppen, die noch ein Ger”t zu Hause haben, verneinen, daþ sie es benutzen. "Die Scheu, zuzugeben, daþ man Benutzer ist, f¸hrt zu der Antwort, die wir von Alko- holikern kennen:Trinken? Ich? Die wenige Programme kann man nicht zuschauen nennen." Die Medienkaste bewegt sich ausschlieþlich innerhalb der per- manenten Aktualit”t, weil sie es als ihre gesellschaftliche Aufgabe sieht, die pl–tzliche Wiederkehr der Geschichte zu beschw–ren. Hierzu entledigt sie alle Ereignisse ihrer Ursa- chen und Folgen, in einer Produktion von Themen ohne Zusammen- hang und Konsequenz. Sie realisiert, daþ, wenn die Massen ihr Handlungsverm–gen wiederfinden, die Medien das erste Opfer sein werden. Irgendwann mal bildeten die Medien einen Ausnah- mezustand. Die live-Bilder der Mondlandung imponierten, weil sie noch nie zuvor gesehen wurden: die ganze Welt war ange- schaltet an die Faszination, daþ man daheimgeblieben die Erde verlassen konnte. Das Versprechen, wir k–nnten die unertr”gli- che Schwere der Existenz hinter uns lassen, um definitiv in das technologische Universum einzutreten, in dem wir schwere- los von einem Platz zum anderen rauschen, schien eingel–st. Zwei Jahrzehnte sp”ter drang es zu den Zuschauern durch, was das eigentlich bedeutet. Indem man alles zu Information macht, k–nnen Medien jedes Ereignis zu ”hnlichen Bildern ni- vellieren (alle holl”ndische Medien verglichen Mandelas Rede mit dem Zujubeln der nationalen Fuþballmanschaft). Weil die Medien ¸berall anwesend sind, hat der Raum seine F¸llung ver- loren, um vollgesch¸ttet zu werden mit Bildern eines Anderswo ohne Anderssein. Der einzige Kontext des Themas, das man sich anschaut, ist das n”chste Thema. Die mediale Brille ist zusam- mengefallen mit der touristischen Erfahrung des 'heute hier, morgen da'. Es gibt keine Notwendigkeit, sich mit dem Anderen zu konfrontieren, daf¸r gibt es Info. "Warum sollten wir mit- einander reden, wenn wir genau so gut kommunizieren k–nnen?" Die Anderen sind Hindernisse oder Objekte, an denen interes- sante Eigenschaften entdeckt werden k–nnen, geworden. Und wenn die langweilig sind, geht man weiter. Heute ist die Realit”t Ausnahmezustand. Den Medienarbeitern d”mmert es vage, daþ sie dadurch einen risikovollen Reiz aus- ¸bt. Sie k–nnen das psychisch deuten, als romantisches Gef¸hl, das sie fr¸her auch mal gehabt haben oder wischen den Ruf nach Realit”t als Nostalgie oder Angst vor Technik vom Tisch. Die Attacke auf die Medien wird zweifelsohne angeschw”rzt als un- demokratisches Verhalten von Vandalen und das Desinteresse als beunruhigende Entwicklung, die mittels Aufkl”rung gestoppt werden muþ. Dennoch ist der Widerwille gegen Fernsehen nicht mehr als allgemein menschliches Bed¸rfnis nach einem Drauþen, in dem man eigene Erfahrungen machen kann. Die Realit”t wird als Dom”ne des Unvorhersehbaren erfahren und das f”llt nicht zusammen mit dem Wunder der Technik. Die moralischen Werte der antimedialen Bewegung (Respekt, Dankbarkeit, Liebe?) k–nnten vorbeugen, daþ sie ihre Abneigung so weit vorantreibt, daþ sie die Medien definitiv vernichtet. Die Medien m¸ssen einfach mal runterschalten. Die Bewegung k–nnte den Informationskan”len einen Platz im Maschinenpark des t”glichen Lebens zuweisen und sich anschlieþend nicht mehr ¸ber sie aufregen. Jetzt, wo die Medien sich gejagt f¸hlen, kommen sie mit einer Antwort, die ihre Benutzer ein f¸r allemal in den Bildschirm hineinsaugen soll:cyberspace, 'the medium to end all media'. Die Ger¸chte ¸ber den 'neuen Raum', die im real-existierenden Weltdorf herumgehen, l”dt die laufende Untersuchung mit riesi- gen Erwartungen und unbegrenzten M–glichkeiten auf. Das Epos des Cyberraums ist schon von Gibson & Sterling geschrieben worden, die videokids halten schon Ausschau an den Pforten ihrer Arkadien und das Milit”r experimentiert fleiþig mit to- talen interfaces von Mensch und Machine. Althippies ziehen die Datenjacken und -handschuhe an, um ihren orientalischen Traum vom ungehemmten Reisen durch das universelle Bewuþtsein per- s–nlich zu realisieren und das ohne die fr¸heren Entzugser- scheinungen. Zum Schluþ gibt es die Medienk¸nstler, die mit ihrer ”stheti- schen Moral die neue Cybererfahrung leer halten wollen, um vorzubeugen, daþ sie mit Banalit”ten aufgef¸llt wird. Aus den fr¸hen Arbeiten dieser Pioniere kann man noch nicht schlieþen, inwiefern cyberspace in der n”heren Zukunft eine private Er- fahrung bleibt oder ob es das virtuelle Gef”hrt der Hyperkom- munikation zwischen Weltb¸rgern wird. 'Cybermedien' ist syn- onym mit diesem –ffentlichem Raum-in-Konstruktion. In den Cybermedien ist die Distanz zwischen Objekt und Sub- jekt, die die alten Medien so bel”stigt hat, so gut wie ver- schwunden. Alle Reflexion und Kritik in Bezug auf 'das Ich in der Welt' und alles Gemecker ¸ber die vermeintliche Wirklich- keit, die nicht in Bildern wiederzufinden ist, sollte jetzt ein Ende haben. Die puritanischen Kleingeister, die die mensc- hliche und virtuelle Realit”t getrennt haben m–chten, werden von den Cyberspaceforschern in die Pr”historie der politischen Metaphysik verwiesen. Das altmodische Bed¸rfnis, Grenzen zie- hen zu wollen, ersetzen sie durch einen demokratischen Blick auf die Realit”t. Wenn sie nicht gef”llt, siehst du sie durch den cybergoggle doch mal ganz anders? Die Medien des 20. Jhts haben die Versprechung des global vil- lage als Ort der maximalen Globalit”t nicht einl–sen k–nnen. Die erwartete Entwurzelung der Erdbewohner durch eine fortw”h- rende Mediatisierung wurde als Teil des unumg”nglichen Proze- þes des menschlichen Fortschritts gesehen. Indem man eine weltumfassende Infrastruktur, an die jeder angeschaltet werden k–nnte, konstruieren w¸rde, w¸rde jede Region von alleine auf dem Flieþband der Geschichte, Richtung Wohlstand und convenient life, landen. Den technischen Fortschritt gibt es auch jetzt noch als Konstruktion einer Sammlung ideologisch neutralen Netzwerke und Einrichtungen:von Verkabelung, Auto- bahnen und (Flug)H”fen bis zur M¸llbeseitigungsinstalationen, Mobilit”t der Arbeitskraft, Rohstoffen und Informationen. Die- se transregionalen Strukturen k–nnten wie eine Wolke ¸ber den ¸berlieferten Traditionen und Nationalit”ten h”ngen. Die Me- dien-Idee war, daþ mittels Ðbertretung von lokalen Identit”- ten, diese von alleine verschwinden w¸rden oder, wenn nicht, von der globalen Perspektive ausgesehen, innerhalb der infra- strukturellen Entwicklung uninteressant oder wenigstens im Bereich der Freizeit abgestellt werden w¸rden. Die Funktion der Regionen in dieser Konstruktion ist die des kulturellen Rohstofflieferanten eines reichhaltigen Programmangebotes. Wenn Regionen nicht mitmachen (k–nnen), landen sie auf der Liste der abgeschriebenen Gebiete , die vergeblich die Rufenden in der Informationsw¸ste bleiben werden. Medien haben aber nie zu Internationalisierung gef¸hrt, sie zeigten sich im Gegenteil als Mittel, um die lokalen Verh”lt- nisse zu konsolidieren. W”hrend einer universellen Kommunika- tion kann jeder in seinem Ort bleiben. Nicht jeder hat es ge- schafft, die eigene Welt und Gewohnheiten touristisch erfahr- bar zu machen. Immer mehr Teile der Welt(Mesopotamien, Balkan, Mittel-Asien, China) beginnen als St–rsender im Projekt der Transnationalisierung zu interferieren. Alte Medien, wie Reli- gionen, halten stur an eigenen, absoluten Werten fest und ma- chen Krach in der family of man. Die Gl”ubigen wollen immer noch nicht glauben, daþ wir in einer Welt leben (haben die vielleicht die Ausstrahlung der Mondlandung verpaþt?). Sie werden aber noch eines Besseren belehrt, wenn sich heraus- stellt, daþ die Welt an ihrem lokalen Atomkrieg gar nicht interessiert ist. Ihre Katastrophen sind nicht die unseren. Cybermedien sind Endstation des globalen Netzwerkgedankens. Sie steuern die Vollendung des Infrastrukturellen an, nach dem Motto:kein System oder ein System. Ihr Traum ist es alle me- dialen R”ume im Hause cyberspace unterzubringen. Bis jetzt hat die Menschheit in kleinen K”mmerchen herumgebastelt, aber jetzt bietet sich die M–glichkeit, alles ¸berschauen zu k–nnen und alle Verbindungen anzubringen. K¸nftig werden wir m¸helos von allen Radioprogrammen, allen Filmen und Datenbanken, allen Archiven und Bibliotheken in alle m–glichen Privatgespr”che, Telekonferenzen und Teleshops, wo auch immer auf der Welt, h¸pfen k–nnen. Das Herumfaseln der fr¸heren Wirklichkeiten, die das Projekt der Modernit”t schon seit einem Jahrhundert frustriert haben, wird endlich beendet, indem sie f¸r immer von einem neuen Wirklichkeitsprinzip ersetzt werden. In Cybermedien sind alle Arten von Sprachen, Zeit, Gebiet, Identit”ten wie Rasse, Ge- schlecht oder lifestyle, Umwelt, Gesundheit und Alter, in ei- nen universellen 0/1 code umgesetzt worden. Anschalten heiþt alles immer ¸berall sein. Die aus der Vorzeit stammende Sehn- sucht, den sterblichen K–rper verlassen zu k–nnen wird mit einem ebenso alten Streben, das der herrschaftfreien, kommuni- kativen Gesellschaft des reinen Menschen, kombiniert. Der Weltfrieden wird auf abstraktem Niveau, auf dem Kriegsspiel- chen gleich R¸ckstand bedeuten, realisiert. Historisch gesehen k–nnte man cyberspace noch zur¸ckf¸hren zu Krieg als Vater aller Dinge, aber in der Praxis ist auch in der Genealogie der Technik die fatale Ðbertragung von genetischen Materialien dem Vater zum Verh”ngnis geworden. Genau so war SDI geplant als H–hepunkt des Kalten Krieges, verursachte aber, zum Schrecken des milit”r-industriellen Komplexes dessen abruptes Ende. Die Bedrohungen, die das Reich der Freiheit der Cybermedien umge- ben, sind mannigfaltig. Einerseits gibt es die unbelehrbaren Dissidenten, die, als team, ihr Format allen Datenstr–men im Weltreich der Infrastruktur auferlegen wollen. Das Verschwin- den von Zeit/Raumunterschieden sehen sie als M–glichkeit an, allen Benutzern ihren Willen aufzuerlegen. Andererseits tau- chen d¸stere Gestalten auf, die die eigene Einsamkeit und den gemeinschaftlichen Konsens durchbrechen, indem sie in cyber- space randalieren, mit ihren elektronischen Messern wahllos auf zuf”llige Passanten einstechen. Es drohen aber auch Gefah- ren von innen. Corporations, auf die Gibson schon hingewiesen hat, errichten neue Grenzen f¸r ihre Datenbuildings und w¸rden sogar am liebsten ganz cyberspace verwalten. Eine Exklusivi- t”t, die die demokratische Intention untergr”bt und einl”dt zu einem Widerstand, der absolute Zug”nglichkeit hochhalten will. Dann k–nnte noch die Elektrosph”re verschlicken mit sich selbst multiplizierenden Datenm¸ll, verfallenen environments, herumschweifendem Ger”usch, virtuellen billboards entlang der Datenstr–me, spontanen crashes wegen overload oder Kapazit”ts- mangel. Cyberspace l”þt auch repressive und therapeutische Anwendungen, die den Glauben an Wertfreiheit von Kommunikation antasten, zu. Leute fragen uns:"Haben die Cybermedien eine Perspektive?" K¸nstlerische und popul”r-wissenschaftliche Zeitschriften le- gen Rauchschwaden, um die Einf¸hrung von cyberspace so attrak- tiv wie m–glich zu machen. Die Laien, die nicht schon sofort abspringen, kommen meist nicht weiter als Fragen nach der Te- chnik zu stellen. Die Fortgeschrittenen jedoch verstricken sich in Fragen der Ethik. Sie hoffen auf eine breite, gesell- schaftliche Diskussion ¸ber die Sicherheit der neuen und Ab- baumaþmahmen f¸r die alten Medien. Das Bewuþtsein darf sich keine Dauersch”den der neuen Psychedelika zuziehen. Und NGO's wie 'save the tv'fordern Garantien, daþ die distanzierten Me- dien konserviert werden. Die Zweifler meinen, daþ cyberspace, wie starwars, technisch m–glich sei, aber praktisch in der Experimentierphase h”ngen bleibe oder nur f¸r die wenigen Spe- zialisten zug”nglich sei. Um es als Telefon oder tv mit welt- weitem Bereich einzuf¸hren, w”re eine dermaþen riesige Inve- stition in hard-, soft- und wetware notwendig, daþ alle Pro- duktionskr”fte dem zivilen Konsum entzogen werden m¸þten. Sie sehen voraus, daþ cyberspace nie ¸ber das Niveau des privaten Bewuþtsein herausragen wird und als hyperindividuelle out-of- body Kirmesattraktion enden wird, vergleichbar mit Orgonka- sten, dreammachine und megabrain. Die Neo-Materialisten ver- weisen auf die Grenzen der Kommunikation. Wir haben, behaupten sie, einander schon seit langem nichts mehr zu sagen und wol- len einander eh nicht begegnen, auch nicht in cyberspace. Das Andere kann problemlos konsumiert werden, ohne Kontakt mit ihm zu haben. Medien ¸bermitteln etwas, aber strahlen nichts aus. Kontakt hat man mit Stahl, oder Beton, ohne Zwang zu input oder Austausch, der cybermedien- immanent ist. Die Vision”re, zum Schluþ, bringen Ukase heraus, in denen sie vorhersagen, daþ das Cyberprojekt eine der Ruinen der postindustriellen Selbst¸bersch”tzung wird. Sie meinen das nicht denigrierend. Sie sehen das Scheitern der gigachip als Herausforderung an den K¸nstler, um mit abgeschriebener Elektronik die Ruinen”s- thetik zu aktualisieren. Um diese Interpretationswut zu beschwichtigen, greifen Cyberp- hilosophen zur¸ck auf ein Denkmodell, das bei den Menschen schon seit Jahrhunderten gut ankommt:die Hegelsche Konstruk- tion der Aufhebung. Der Gegensatz von Virtuellem, ehemals be- kannt als Geist oder das Imagin”re und Realit”t, dargestellt als das absolute Prinzip, wird ausges–hnt in dem rollenden Werbeslogan'virtuelle Realit”t'. Die Werbekraft dieses Logos k–nnte voll daneben gehen. Vor allem die Antimedialen haben einen Widerwillen gegen den Marketinggedanken. Sie Sehen cy- berspace nur als eine Zunahme der Medienmenge und weisen Kri- tik zur¸ck, denn Ger”usch geh–rt nunmal zu der Introduktion eines neuen Produkts. Die sichere Annahme, cyberspace sei ein- fach alle vormaligen Medien, macht sie dem Versprechen eines neuen mysthischen Raumes gegen¸ber gleichg¸ltig. Mit einem kompletten, animierten Bilderarsenal k–nnten sie sich zufrie- den geben, weil dann die Kameras von den –ffentlichen Straþen verschwinden k–nnten. Aber cyberspace soll mehr werden als ein 3D-videogame und seine Bilderappetit wird es dazu zwingen, das Studio zu verlassen und sich mit ausw”rtigem Straþenbildmate- rial zu f¸ttern. Der Charme des cyberspace ist die Naivit”t, mit der es sich der Welt ann”hert. Es meint, die Faszination f¸r K¸nstlichkeit sei ausreichend, um die Realit”t auszul–schen. Die Welt bewegt sich immer weiter weg vom eigenen terminal. Das beunruhigt die Realit”t ¸berhaupt nicht. Sie kennt das allzu menschliche Be- d¸rfnis nach dem Illusorischen und wartet, bis auch dies wie- der vorbei ist. Es ist aber die Frage, ob auch die antimediale Bewegung soviel Geduld aufbringen kann. WETWARE HEUTE "Virtualit”t und Realit”t sind zwei Dimensionen, die orthogo- nal zu einander stehen, daþ kann man Euler fragen. " Chris Ungerer Der Kontakt von Feuchtem mit Trockenem ist eine risikante Angelegenheit voll unvorhergesehener Gefahren. In der Praxis variieren diese von einem Glas O-Saftucht im Toaster, Finger in der Steckdose, geplatztem Wasserrohr bis zu anschwellenden Passionen, die auf n¸chternes Unverst”ndnis prallen. Der menschliche K–rper, mit seiner d¸nnen Haut, harten Knochen und klebrigen Fl¸þigkeiten kann als problematischer Wasserhaus- halt, dessen Grenzen flieþend sind, definiert werden. Diese Aquanomie wird von Stofft¸chern und Geruchsfahnen, ausgestat- tet mit Farbstoffen und einer Aura klappernder sozialer codes, markiert. Diese sollen pers–nliche Ðberstr–mungen begrenzen und Unf”lle verschleiern. Je mehr sich Mensch und Maschine ann”hern, desto mehr nasse Zonen werden trockengelegt. Abh”ngig vom Stand der Technik, werden Grenzen gezogen und erotische Zonen bestimmt. Diese kann man an der jeweiligen Mode ablesen, der Bekleidung eines nassen, ungeschlachten Menschen, der heutzutage als anst”ndig verpackter Weltb¸rger durchs Leben geht. Diese selbstdenkende Biopumpe, die pustend und prustend zwischen naþ und trocken hin und her taumelt, sehen wir am Ende des 20. Jhts pl–tzlich in dem elektronischen environment t”tig. Der dampfende und wasserlassende Faktor Mensch verursacht schockierende Effekte im Maschinenpark. Der unvermeidbare Kontakt von feuchtkalten H”nden und Tastatur hat eine technologische Zivilisationsof- fensive notwendig gemacht. Die ÷konomie steuert auf eine m–g- lichst intensive Verflechtung von sozialen Strukturen und ele- ktronischen Netzwerken. Bis vor kurzem deuteten sexuelle Grenzen die Gefahrenzone an. Das erforderte eine Unterscheidung von Damen- und Herrenmode. Die Notwendigkeit dazu ist verschwunden, also greift die Macht auf andere Mittel zur¸ck, um Ÿngste und Begierden zu stilisie- ren, w”hrend die Macht selbst auch eine andere Gestalt an- nimmt. Die faschistische Macht war einmal ein Hort der sexuel- len Metaphern, die zur¸ckgef¸hrt werden konnten auf einen fe- sten, eigenen Boden und str–mendes, reines Blut. Die Trennung aufgrund des Geschlechts und der Rasse waren gemeint, um Mischarten vernichten zu k–nnen und hatten politische und mi- lit”rische Konsequenzen. Der nachfolgende, anti-faschistische Kalte Krieg dauerte lange genug, um das alte rassistische und sexistische Denken verbluten zu lassen. Die K–rperpolitik die- ser mittlerweile vergangenen Ÿra, wurde von einer Konditionie- rung der K–rper auf die neuen Maschinen, die nicht l”nger me- chanisch, sondern elektronisch angetrieben wurden, gekenn- zeichnet. Die Raumfahrt lieferte das Grundmodell der elektronischen Be- kleidung, die, wie die Macht, sowohl eine reizvolle, als auch eine abstoþende Seite hatte. Die ersten Astronauten waren Tie- re, beklebt mit Elektroden, um Reaktionen ihres biologischen Wasserhaushalts zu registrieren. Dagegen aber strahlte und gl”nzte der futuristische Astronautenanzug als Vorbote und Probemodell der elektronischen Ÿra. Der kosmische Anzug mei- sterte die neuen, gef”hrlichen Umst”nde blendend, verschaffte Handlungsfreiheit und Schutz, w”hrend er gleichzeitig Kommuni- kation garantierte. Hierzu brauchte der K–rper eine Umschu- lung, die nicht mehr unter Aufsicht von Religion und Politik, sondern der Wissenschaft stand. Die auþerirdische Raumfahrt erwies sich nicht als Erfindung, die nach einer Entwicklungs- phase den Konsumenten zu Verf¸gung stand. Sie blieb ein Expe- riment, um Reaktionen des K–rpers auf extreme Konditionen elektronisch zu testen. Hier war Bekleidung nicht rein ”uþer- lich, sondern gleichzeitig Dressur. Die Astronautenanz¸ge machten der Weltbev–lkerung ¸ber die Medien klar, was es bedeutete, am computer h”ngen zu m¸ssen. Diese ¸bermenschliche Leistung im auþerirdischen Raum ¸ber- zeugte die zur¸ckgebliebene Menschheit von dem durchschlagen- den Erfolg eines Aufenthalts im elektronischen Raum. Nach der Explosion der Challenger und dem Ende des Raumtraums (1985), war der Weg frei, um den Astronautenanzug als ordin”re Massenware zu produzieren. Unter Aufsicht der NASA wurde er zum Datenanzug konvertiert, mit als Introduktionsgag der soge- nannte Datenhandschuh(1989). Diese unbequeme Ausstattung bot dem Datenarbeiter eine faszinierende Garderobe, mit der er je- des Lokal in jeder Gestalt betreten konnte. So machte er auf angenehme und unverbindliche Art Bekanntschaft mit dem Macht- typus der New Order. W”hrend der Berufsverkehr sich definitiv festf”hrt und die nationalen Grenzen sich verwischen, betritt der E-B¸rger einen staubfreien, sterilen, medizinalen Raum, der eine eigene Definition von Schmutz generiert. Wie die ge- f”hrlichen Zonen im Zeitalter der sexuellen Macht mit Hilfe sch–ner Kleider eingegrenzt wurden, soll nun die Gef”hrdung der elektronischen Kondition ausgebannt werden. Klassiker wie berauschendes Rauschgift, betrunkenmachende Getr”nke und bene- belnde Rauchschwaden sind hot items der heutigen Trockenle- gungspolitik. Diese K–rperpolitik zwingt eine strikte Rausch- di”t auf, um letztendlich aufgehen zu k–nnen in einen halluzi- nogenen Datenspace. Ohne saubere Synapsen produziert man Ge- r”usch. In der elektronischen Kondition gibt es nur noch B¸roarbeit, die biomechanische Arbeit ist minimalisiert. Diese Ÿnderung der humanen Wasserkondition konnte sich, nur Dank der Verh”l- tnisse des Kalten Krieges durchsetzen und verursachte w”hrend der Introduktionsphase der digitalen Vorherrschaft ein poten- tielles Adaptionsger”usch, das mittels aerodynamischen Bewe- gungsprogrammen bek”mpft wurde. Das citybike als modernes Fahrrad ist integrales Teil der Datenpolitik und wird nicht umsonst von Gesundheitsadepten in fluoreszierender Spacebe- kleidung gefahren. Anders als die verschwenderischen yuppies der eighties, strebt der ÷kob¸rger generelle M”þigung an, so- wohl in Bezug auf die eigene Nahrungs- und Mediendi”t, als auch auf die Staatsausgaben. Der Subventionierungsstrom ist f¸r sie Sinnbild der Verschwendung, das absolute Gegenteil von Recyclewut und Rentabilit”tssinn. Der cocooner genieþt die Freiheit, in seiner elektronischen Burg zuhause zu sein und sein gr–þtes Problem ist das Daten- dach ¸ber seinem Kopf. Fl¸chtlinge, die nicht in der Datei aufzufinden sind, m¸ssen in der eigenen Region bleiben, anson- sten d¸rfen UNO&EG ein biþchen nachhelfen mit ihrer Entwick- lungsarmee. "Wenn ihr keine humanit”re Hilfe wollt, m¸ssen wir schieþen. " Hintergr¸ndiger Gedanke der milit”rischen Interventionen ist die Heilung der globalen Verbindungen, die als Metastruktur die ganze Welt umfassen. Um diese weiter ausbauen und innovie- ren zu k–nnen, m¸ssen die ausgeschalteten Datenlosen sich stillhalten nd auf ihrem Platz bleiben. Ihre Ghettos in der eigenen Stadt und abgelegenen, sozialen W¸sten sind seit Jah- ren durch elektronische Ðberwachung abgesperrt. Hardware, software und wetware sind drei Gestalten, in denen die Mensch-Maschine in der neuen Weltordnung in Erscheinung tritt. Die einzelnen Teile dieser Dreieinigkeit haben eigene geogra- phische und historische Koordinaten. Die hardware, mit der wir unsere Kultur und Kommunikation abspielen, stammt aus Japan. Die Programme, die es m–glich machen, daþ wir die heiþgelieb- ten Daten lesen k–nnen, stammen aus den VS. Die Rolle Europas ist die der Anlieferung der n–tigen kulturellen Werten und Ideen, wie Kritik und Lebensphilosophie, die in Programme ¸bersetzt werden k–nnen. Die Aufgabe der wetware ist das Pro- duzieren von Kultur, um die mittels der japanischen hardware unter Beihilfe von amerikanischer software ausdrucken zu k–n- nen. In dieser internationalen Arbeitsverteilung wird von Eu- ropa erwartet, daþ es die Partituren von Bach und Beethoven verwaltet, die Werke Rembrandts und Van Goghs fortsetzt und den roten Faden der Theatertradition von Shakespeare bis Be festh”lt. Gleiches gilt f¸r die Medienkunst, die in den letzten Jahrzehnten entstanden ist. Die Europ”er sollen erfin- den, was f¸r Sch–nes aus den neuen Ger”ten gezaubert werden kann. Das funktionelle Benutzen der Technik ergibt n”mlich wenig Vergn¸gen. Es ist erst die Rede von Kunst, wenn die Ge- r”te an Kunstgeschichte, an Philosophie und Literatur und an typisch-menschliche Charakterz¸ge, die Merkmal der Europ”er geworden sind, angeschlossen sind. Das ist das Schicksal, das die Europ”er, nach sovielen Schnitzern im 20. Jh, ¸ber sich herabgerufen haben. Europa ist verurteilt zum Produzieren ei- ner Kultur, die sich technischer Hilfsmittel bedienen muþ, die von anderen entworfen worden sind. Das muþ keine untergeord- nete Position sein. Im Gegenteil:Man erwartet vieles vom neuen Europa. Was soll ein notebook mit Textverarbeitungsprogramm ohne sch–ne Geschichten, die auf ihm geschrieben werden? Oder ein synthesizer ohne ¸berw”ltigende Kompositionen? Wetware ist ein K–rper, der an Maschinen h”ngt - etwas, an dem wir, wie beim Fernsehen, viel Vergn¸gen gehabt haben. Die Un- terwerfung an eine Maschine, wie Orwell es in 1984 gesehen hat, muþ sich, wenn es an wetware liegt, nicht so dramatisch vorgestellt werden. Sie resultiert nicht notwendigerweise in H–rigkeit, denn wetware besitzt eine Geheimwaffe: ihre mensch- lichen, allzu menschlichen Eigenschaften. Wetware ist ein Bastler, der sein Bestes versucht, aber immer wieder Instruk- tionen vergiþt und seine Unzul”nglichkeit einsetzt, um seine W¸rde zu behalten. Dank Unwissenheit, Sabotagedrang und einer unaufhaltsamen Kreativit”t wird die Technik immer wieder durcheinander gebracht und aus diesen Unf”llen wachsen die sch–nsten Miþgestalten, die nach ”sthetischer Isolation m¸he- los zu Kunst erkl”rt werden k–nnen. Wetware ist kein Nachz¸g- ler oder unterdr¸cktes Wesen, sondern Bastler-von-Geburt-an, der alle alten und neuen Medien miteinander verflicht zur per- sonal reality, in der Fehlermeldungen eine lange Reihe von Erfolgen er–ffnen und abschlieþen. Der Begriff 'wetware' ist eine Erfindung von Rudy Rucker und beinhaltet bei ihm eine Sammlung von technologischen Innovationen. Seine wetware ver- weist auf chips, die in das Gehirn implantiert werden, auf Organtransplantationen und Prothesen, die K–rperfunktionen erneuern oder erweitern. Anders als Rubetrachten wir wet- ware nicht als n”chstes, technologisches Stadium, das nach Revolutionen in hard- und software das Selbstbild nochmal st¸rzt, sondern als Rest-Mensch, der zur¸ckbleibt, w”hrend die extensions immer weiter reisen. Wetware ist sich ihrer Iner- tion bewuþt und sieht sich nicht als Potentat, der Maschinen beherrscht, sondern als w”sserigen Appendix, der sich so gut wie m–glich den digitalen Konditionen des elektronischen Da- tenverkehrs anpaþt. Die Anerkennung des technischen Apriori soll nicht mit der hype, die entsteht, wenn ein neues System auf dem Markt er- scheint, verwechselt werden. Der Rausch, den neue Ger”te gene- rieren, ruft eine Amnesie hervor, die in dem bekannten Gesetz resultiert, daþ kurzfristige Effekte einer Technologie ¸ber- sch”tzt werden, w”hrend langfristige Effekte ¸berschaut wer- den. Es ist eine Eigenheit der wetware, sich in dem whirlpool der Simulakra zu t¸mmeln, so daþ sie den Ðberblick ¸ber die mili- t”rische Vorgeschichte der Kommunikationstechnik und ¸ber die t¸ckischen Pl”ne der Technokraten und Marketingdivisionen ver- liert. Wetware l”þt sich leicht faszinieren und ”uþert dann ihre Sorge. Wetware hat sich an die fortw”hrende Introduktion neuer Techniken und Produkten gew–hnt. Ein Zyklus zeichnet sich ab:Nach Ger¸chten und spektakul”ren Pr”sentationen folgt eine Spitzengruppe, die mit den gadgets prahlen darf, w”hrend der Kritik des Umfelds einen Platz einger”umt wird. Erst dann entsteht eine gesellschaftliche Akzeptanz und einen Markt, der groþ genug ist, um f¸r das Kapital interessant zu sein. Die neuesten Technologien pr”sentieren sich listig im Gewand der letzten Mode, um dann in eine Sackgasse zu geraten. Neu- lich ist das minitel, Bildtelefon, designer Drogen und mind machines passiert. Zur Zeit ist virtual reality an der Reihe, um androide Tr”ume mit elektrischen Materialien zu versehen. F¸r wetware war VR nie mehr als eine riesige Ger¸chtek¸che. Seit ein paar Jahren steht das globale Dorf der Technok¸nstler Kopf: etwas Groþartiges steht bevor... es kommt ein Megasy- stem, daþ wie kein anderes an wetware sucked. In den out-of- body-Experimenten, die in high-tech Labors gemacht werden, soll VR als doorway-to-other-worlds erfahren werden. Die Di- stanz von Mensch und Bildschirm ist gleich Null und es ent- steht ein mental environment. VR ist die "ultimate human-com- puter interface"(Rheingold), die alle K–rperbewegungen in sich aufnimmt und nicht nur behende Finger f¸r die Tastatur ver- langt. W”hrend alle Sinne vor Aufregung aus dem H”uschen sind und ersch–pfende Expeditionen unternehmen, bleibt der K–rper gleichzeitig in einer 'non virtual world' zur¸ck. Weil VR-Anstrengungen auf Eroberung des 6. Kontinents zielen, ger”t dasjenige, das zur¸ckbleibt, kurzfristig auþer Blick- feld. Es kommt aber der unerwartete Moment, in dem der Faktor wetware sich meldet und als 'human bug' in die eigene 'tele- existence' zur¸ckkehrt. Das ist der Moment, in dem wetware ¸berhaupt als Gestalt erscheint. Trotz hysterischer Geschich- ten ¸ber augenblickliche Allgegenw”rtigkeit des zapping body in der live Sendung und der Aufl–sung der Lokalit”t als nat¸r- liche Umwelt des Ichs-in-Aufbau steht der Medienbenutzer noch regelm”þig auf, um sich ein Bier zu holen oder um pinkeln zu gehen. Diese Momente von Anwesendheit auþerhalb der Medien gibt es in den Cyberspacemythen nicht. Der K–rper ist da eine verlassene Station und Leben ist gleich datativ Reisen und digitale Unsterblichkeit. Wetware findet das einen faszinie- renden Gedanken, muþ da aber lauthals lachen, denn es kommt immer etwas dazwischen. Der nasse Mensch erkennt sich in der VR-Umwelt zum ersten Mal wieder als gleichwertiger Counterpartner der immatriellen Sph”re. Die wetware-Geschichte f”ngt an, sobald klar ist, daþ Technik nicht ohne den, aber auch nicht mit dem Menschen aus- kommt. Nach der Pr”sentation von VR ist die Optionsb–rse f¸r die m–g- lichen Folgen dieser Technorevolution ge–ffnet. Die Cyberpunk- welt, die William Gibson schon geschildert hat, werde Wirk- lichkeit werden, war der erste Nachricht. Die Matrix ý la Gib- son, in der man die intensivsten Halluzinationen erfahren k–nnte, hat sich, laut nachfolgenden Nachrichten, noch nicht realisiert:virtual reality in den Anf”ngen war nicht mehr als eine Computeranimation eines B¸rogeb”udes oder einer Hippie- landschaft, in der man ziemlich ruckartig um sich herum schau- te. Aber auch diese Ern¸chterung, die nur den Einzelnen, die die Chance hatten, den Datenhandschuh anzuziehen und den VR-Helm aufzusetzen, vorbehalten war, konnte die hype nicht zum Schweigen bringen. Indem Gibson sich –ffentlich von der Evan- gelisierungsarbeit f¸r das VR-business von Timothy Leary und anderen electronic cowboys distanzierte, verhinderte er gerade noch, daþ sein Begriff 'cyberspace' auf mannigfaltige metaphy- sische Kirmesattraktionen aufgeklebt wurde. Laut Gibson ist cyberspace vielmehr ein Neoraum, in dem sich soziale Fiktion ¸ber Mensch& Maschine abspielt, als ein Name f¸r eine neue Technologie. Die ersten kommerziellen Anwendungen von VR waren den matschenden cyberpunks nicht viszeral genug. Mittlerweile funktionieren VR-Systeme in Wall Street, in den Arkaden der Vergn¸gungsindustrie, in medizinischen Labors, Ar- chitekturb¸ros und bei der NASA. Das sind nun wirklich keine Pl”tze, in denen Technok¸nstler, Hacker und cyberpunks will- kommen sind. F¸r wetware bleibt VR deshalb nichts mehr als ein verg”ngliches Thema, ¸ber das spannende Fiktion und schwierige B¸cher geschrieben wurden und das in kritischen Dokumentarfil- me angeschaut wird. Ein –ffentlicher VR-Markt ist noch nicht in Sicht. Um den Kontakt mit potentiellen Maktsegmenten nicht zu verlie- ren, hat John Barlow, Haupt des Konsumentenvereins 'Electronic Frontier Foundation' vorgeschlagen, die Definition der VR aus- zudehnen, indem der Verkehr ¸ber die real-existierende Netze auch als cyberspace betrachtet wird. Er versucht einen juri- stischen Durchbruch zu erreichen, indem er versucht diesen neuen –ffentlichen Raum frei von copyright zu erkl”ren. Cyber- space kann nur durchgesetzt werden, wenn die finanziellen Schwellen so niedrig wie m–glich sind und Kleinunternehmer das groþe Netzwerk ausbauen k–nnen. Da laut Barlow cyberspace transnational ist, m¸þte ein inter- nationales Grundgesetz, das die Freiheit von Information re- gelt, formuliert werden. Jetzt, wo Computerhacker weltweit von CIA und FBI verfolgt werden, hohe Buþgelder bekommen und im Knast landen, scheint eine Verkn¸pfung von elektronischem Netzwerk und virtual rea- lity eine M–glichkeit, um die Hackerbewegung aus der repressi- ven Ecke zu holen. Laut Barlow ist die Kriminalisierungskampa- gne die Folge eines fundamentellen Unverst”ndnisses der Auto- rit”ten f¸r technologische Entwicklungen, die im Gange sind. Groþe Namen aus der Computerwelt, von IBM bis Apple, m¸þten den Verurteilungen ein Halt zurufen. Die Tr”ume von einer gro- þen Koalition von emporkommenden VR-Giganten und cyberpunks muten naiv an. Sogar innerhalb des kleinen Kreises der VR-Pio- niere w¸tet ein Krieg rund um die Handelsnamen selbstgebstel- ter Produkte. Der Raum der virtual realities bleibt vorerst noch unbestimmt. Wird er ein offenes, demokratisches System werden oder eine abgeschlossene Kapsel? Laut dem kanadischen Theoretiker Arthur Kroker ist das eine typisch modernistische Frage. Es ist nicht entweder-oder, sondern und-und. Gerade die Hypermodernit”t kennzeichnet sich durch Ironie und Ambivalenz. VR ist ein pa- radoxaler Raum:offen und gleichzeitig geschlossen. Die Info- nauten, die sich in der Virtualit”t aufhalten, sind Meister der doppelten Bewegung. Sie entkoppeln sich von der Lokalit”t, um sich an die Maschine ankoppeln zu k–nnen, sie bleiben zu Hause, um auf Reisen zu gehen, sie schlieþen sich von der Um- welt ab, damit ihre Sinnlichkeit intensive Erfahrungen machen kann, sie sind alleine in einem Netzwerk mit Anderen. VR mag sich pluriform und nicht hierarchisch nennen, aber gibt es auch so etwas wie ein 'Drauþen'? Der virtuelle Raum, inter- pretiert als ein Netzwerk von Telemonaden, kennt in seinen heutigen Umschreibungen keine Auþenwelt oder Wege, um unmit- telbaren Kontakt mit Anderen zu schlieþen. "According to the monadology, there exists one actual universe. Despite their ultimately solitary character, the monads belong to a single world. The harmony of all the entities in the world comes from the one underlying operating system. Without the Central Sy- stem Operator (sysop), no one could get on-line to reality." (Michael Heim) Ohne SysOp keine Realit”t, kein Kontakt, keine Anderen. Zur¸ckgeworfen in die 'non virtual world'(Rheingold) ist wetware ein hilfloses Wesen, f¸r das die Auþenwelt sich als Ungl¸ck oder Katastrophe zeigt. Der alte Zeit-Raum kehrt zur¸ck, wenn die Verbindungen unterbrochen werden und man pl–tzlich in einer sozialen W¸ste landet. Die unplugged ver- sion von cyberspace ist ein Realit”tspark voller unzeitgem”þen Gestalten und Ph”nomene, die es in brave new dataworld nicht gibt, es sei denn als Nintendogestalten. In der Einleitung des von Michael Benedikt herausgegebenen Buches 'Cyberspace:First Steps' artikuliert sich die Angst, daþ cyberspace auf die Dau- er mit dem nicht zu ¸berbr¸en Abgrund zwischen cleaner Traumtechnologie und harter Realit”t assoziert werden wird:"Cyberspace is a unhappy word if it remains tied to the desparate, dystopic visions of corporate hegemony and urban decay, of neutral implants, of a life in paranoia and pain. "Benedikt schiebt das schlechte Imago den cyberpunks wie Wil- liam Gibson und Bruce Sterling in die Schuhe. Solange cyber- space die steinerne Realit”t verneint, statt sie als Heraus- forderung aufzufassen, ist es tats”chlich gerechtfertigt, den virtuellen Raum als Zufluchtsort zu betrachten, in dem die Probleme der Restst¸cke der Welt (wie die abgeschriebenen Re- gionen, Innenst”dte, Vorst”dte) nur noch information bites und scanbare Oberfl”chen sind, die nur durch einen Ðberfall in den dataspace einbrechen k–nnen. F¸r cyberpunx gibt es aber immer mehrere Realit”ten. Gutgekleidet steigen sie aus ihrer Telemo- nade aus und sind auf alles vorbereitet. Nach dem Vorbild Michel Foucaults k–nnen wir uns auch vorstel- len, daþ die virtuellen R”ume, die computer und andere Medien –ffnen, heterotopischer Art sind. Cyberspace m¸sse keine Uto- pie oder Nicht-Ort werden, keine Traumwelt, kurzfristige Mode oder Wahnvorstellung. Der Ort cyberspace ist sehr wohl lokali- sierbar. Heteropien sind f¸r Foucault "Gegenplazierungen oder Widerlager, tats”chlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Pl”tze innerhalb der Kultur gleichzeitig repr”sen- tiert, bestritten und gewendet sind, gewisermaþen Orte auþer- halb aller Orte, wiewohl sie tats”chlich geortet werden k–n- nen. " Es gab, laut Foucault, schon immer priviligierte, heilige oder verbotene Pl”tze, aber die Funktion der Heterotopie kann sich im Laufe der Zeit ver”ndern (wie die Friedh–fe, die an den Stadtrand verlagert worden sind). Die Heterotopie kann, wie Theater und Film es vormachen, an einem Ort mehrere R”ume dar- stellen, R”ume, die normalerweise unvereinbar sind. Er nennt in diesem Zusammenhang den Garten als ”ltestes Beispiel. Die Heterotopie kommt erst richtig zur Geltung, wenn die Besucher aus dem traditionellen Zeitgef¸hl herausbrechen, eine Erfah- rung, die jeder im Medienraum machen kann. Das Museum und die Bibliothek, als Orte von allen Zeiten, sind f¸r Foucault die Heteropien des 19. Jhts. Auch die heutigen, unklaren Orte, da wo gefeiert wird, geh–ren dazu, wie die Ferienorte, Rummel- pl”tze, besetzten H”user und Lagerhallen, wo houseparties stattfinden. Cyberspace k–nnte ein ”hnlicher Ort, in dem man die freaks trifft, sein. Heteropien sind, laut Foucault, nicht ohne weiteres zug”ng- lich, sie kennen ein System von ÷ffnungen und Absperrungen (passwords), durch die sie sowohl zug”nglich, als auch iso- liert sind. Vor dem Betreten m¸ssen bestimmte Riten durchlaufen werden (inklusive der dazugeh–renden ¸ppigen Mahlzeiten). Manchmal ist Reinigung der eigentliche und einzige Zweck des Besuchs. Die Heteropie bewegt sich zwischen zwei extremen Polen:sie kann illusorischer Raum sein (Bordell) oder die perfekte Ord- nung realisieren (die Kolonie), die beide an einem normalen Ort nicht realisierbar sind. Cyberspace k–nnte aus dieser Per- spektive auch in die Peripherie situiert werden und m¸þte nicht als Nachfolger oder Ersatz des alten, –ffentlichen Raums aufgefaþt werden. Das Hinein- und Heraustreten des cyberspace verl”uft am besten, wenn wir ihn als Inzident oder Unfall be- trachten. Es gibt ein zuf”llig gefundenes password, eine vage Diskette im K¸chenschrank, eine auf dem Flughafen gefunfene Zeitschrift, ein halbfertiges Softwarepaket, das sich komisch verh”lt. Diese Vorf”llemachen den Cybernaut immun gegen Irri- tation, so daþ der operator sich den kommenden Ereignissen hingeben kann. Nur so kann sich die zur¸ckgebliebene Realit”t nicht als Katastrophe andienen. Es ist beruhigend zu wissen, daþ der Unfall sich immer am Anfang oder am Ende einer erfolg- reichen Sitzung ereignet. Um die Machtsstrategien der Trockenlegung umgehen zu k–nnen, kann wetware auf die Suche gehen nach M–glichkeiten, um den Elektrodiskurs, der rund um die neuen Medien gespannt worden ist, naþ zu halten. Foucault kommt in der Hinsicht mit einem w”ssrigen Beispiel. Als Abschluþ des Essays 'Andere R”ume' bemerkt er, daþ das Schiff die Heterotopie schlechthin ist. "Das Schiff ist ein schaukelndes St¸ck Raum, ein Ort ohne Ort, der aus sich selbst lebt, der in sich geschlossen ist und gleichzeitig dem Unendlichen des Meeres ausgeleifert ist." Er schlieþt ab: "In der Zivilisation ohne Schiff versiegen die Tr”ume, die Spionage ersetzt das Abenteuer und die Polizei die Freibeuter." Dieser Vergleicht trifft f¸r die Arten zu, auf denen cyberspace zu befahren ist. Die Schiffe, um die es hier geht, sind nicht aus Holz oder Stahl, sondern sind navigieren- de Einheiten innerhalb einer Informationsumgebung. Die Daten- schiffe befahren nicht die sieben Meere, auf denen man in jede Richtung gehen kann, sondern bewegen sich in den Kan”len des Integrated Services Digital Network (ISDN). Sie befahren die double density tracks der ewig rotierenden diskdrives. Das schaukelnde Schiff im endlosen Datenraum, das ist der Ort, in dem wetware zur Geltung kommt.