H–r zu - _oder stirb! Geert Lovink H–r zu - oder stirb! Fragmente einer Theorie _der souver”nen Medien aus dem Niederl”ndischen von Axel Diederich Edition ID-Archiv Berlin - Amsterdam Editorische Notiz: Die drei Aufs”tze von Geert Lovink sind erstmal in deutschsprachigen, holl”ndischen und englischen Zeitschriften (u.a. Warten, Mediamatic) erschienen. F¸r die vorliegende Buchausgabe wurden sie vom Autor ¸berarbeitet und erweitert. Als akustischer Beitrag zu ªH–r zu - oder stirb!´ ist beim Verlag f¸r 15,- DM eine 90 min. Cassette von Radio Patapoes ªInternational Show Case´ erh”ltlich. Edition ID-Archiv 1992 Schliemannstr. 23 O - 1058 Berlin ISBN: 3-89408-402-2 (Buchausgabe) ISBN: 3-89408-403-5 (Buchausgabe & Cassette) Ðbersetzung: Axel Diederich, Amsterdam Herstellung: seb., Hamburg Umschlagentwurf: Norbert L–derbusch, Berlin, _unter Verwendung einer Arbeit von Volker Wilczek, Kassel Druck: Moosdruck, Leverkusen Buchhandelauslieferungen: BRD,NL: Rotation, Mehringdamm 51, W-1000 Berlin 61 Schweiz: Pinkus, Postfach, CH-8025 Z¸rich ÷sterreich: Monte Verita, A-1030 Wien Inhalt Theorie des Mischens 9 Eine Inventur der Amsterdamer freien Radiotechnik Die Ordnung des Chaos 35 Leben und Arbeiten von DFM ART-b¸ro Haevfties Eine Theorie der souver”nen Medien 79 ªI cue you´ Die Theorie des Mischens Ein Inventar der Amsterdamer freien Radiotechniken Seit Ende 1979 besteht in Amsterdam eine ausgebreitete Kultur der freien Radios. Diese Piratensender arbeiten aus besetzen H”usern, verstehen sich als anti-kommerziell und werden von den Autorit”ten mit Widerwillen toleriert. Sie operieren in den Spielr”umen der BesetzerInnenbewegung. Ab und zu wird ein Sender ausgehoben, aber genau so einfach kehrt er wieder zur¸ck. Ausgehend von ihrer Anteilnahme in der BesetzerInnen- und autonomen Bewegung, gingen die Radioís Mitte der 80ziger Jahre einen eigenen Weg, und begonnen, mit dem Medium selbst, zu experimentieren. Die Radiokultur entwickelte sich weiter, nachdem die Besetzerbewegung von der st”dtischen B¸hne verschwand. Das resultierte aus einer Tradition, die einen eigenen Klang hervorbrachte und mehr ist, als die Addition von ethnischen und experimentellen Musikstr–mungen. Die Entwicklung f¸hrte nach zahllosen Fusionen, Aufl–sungen, Namens”nderungen und Abspaltungen in die Richtung der legalen lokalen Radios, und es blieben letztendlich drei unabh”ngige Stationen ¸brig. Die kleinste ist das Aktionsradio De Vrije Keijzer , das ausschlieþlich politische Information verbreitet. Es ist der Sender mit dem l”ngsten Atem. Es war das Radio Vrije Keijzer, das gegen Ende 1979 begann, aus dem bedrohten und besetzten Haus De Grote Keijzer zu senden zum Symbol der Unbeugsamkeit wurde. Nachdem es jahrelang als Versammlungsort f¸r diverse (Nachbarschafts-) Radiogruppen fungierte, gab es 1983 eine Spaltung und Radio Keijzer spezialisierte sich auf Polit- Aktionsnachrichten. Zehn Jahre sp”ter hat es lediglich eine Sendung in der Woche und wird durch eine Gruppe von vier oder f¸nf Menschen am Leben gehalten, die mit der autonomen und BesetzerInnen-Bewegung sympathisieren. Radio 100 sendet sieben Tage in der Woche, von mittags 5 Uhr bis tief in die Nacht und umfaþt die gesamte Skala afrikanischer und industrieller Musik bis zu Doowop, House und Reggae. Obwohl die Polizei im Mai 1991 eine groþe Razzia bei Radio 100 durchf¸hrte, bei der alle Platten und Ger”te beschlagnahmt und 15 Menschen verhaftet wurden, wird der noch immer illegale Sender von vielen als eine etablierte Institution angesehen, die nicht offen ist f¸r neue Ideen und den Experimenten den R¸cken gekehrt hat. Die Punk- und Hardcore Station Radio Dood ist der Vorl”ufer von Radio Patapoe , eine junge und wilde Schwester von Radio 100 , die mit ihren 100 verschiedenen Sendungen inzwischen zu einer wahrlich multikulturellen Untergrundinstitution ausgewachsen ist. Nachdem es jahrelang nahezu unbekannt gewesen war, wuchs Radio Patapoe seit Anfang der 90iger Jahre und wuþte mehr und mehr den Underground an sich zu binden. Radio Vrije Keijzer, Radio 100 und Radio Patapoe sind Assoziationen von ProgrammmacherInnen, die jeweils ihre eigene Sendestunde haben. Es gibt keine zentrale Redaktion oder Direktion. Das Sagen haben die MacherInnen. Die Abneigung gegen Versammlungen ist groþ und chronisch. Das Gros der MitarbeiterInnen kennt sich kaum, oder gar nicht. Finanziell tragen sich die Radios durch einen eigenen Vertrieb, Benefizkonzerten und den Einnahmen aus selbstgef¸hrten Kneipen. Die meisten der MitarbeiterInnen bekommen ihr Geld vom Arbeitsamt, so daþ es keinen Druck gibt, arbeiten gehen zu m¸ssen. Wer f¸r Geld arbeiten will, kann zu einer kommerziellen Station gehen. Der Informationsgehalt ist auffallend niedrig. Es kommt nahezu kein Papier zur Vorlage. Die Reportagen und Features sind die groþen Ausnahmen. Die Energie sitzt im live -Aspekt, den launischen Charakteren der RadiomacherInnen und ihrer Leidenschaft zur Musik, nicht in den professionellen Ger”ten, oder journalistischen Arbeiten. Auþer den selbstgebauten FM-Sendern gebraucht man herk–mmliche Konsumentenelektronik. Im Gegensatz zu Fernsehen oder Video braucht das Radio fast nichts zu kosten. Man arbeitet gem”þ der Spielregel: Sie haben alles Geld, aber keine Zeit. Wir haben alle Zeit, aber kein Geld. Dies alles machte es m–glich, sorglos mit Ger”uschen zu experimentieren. Neben den unabh”ngigen Labeln, der kosmopolitischen Musik, den H–rspielen und Programmen mit zuf”lligen G”sten, sind die Mischprogramme der typische Klang der Amsterdamer Stationen. Sie vertreten niemand und nichts. Die Mischer schaffen eigene Ger”uschuniversa, die sich sowohl in der L”nge, als auch Breite unendlich weit ausdehnen. Sie schwimmen in einem See freier Zeit. Allein die Essenz ihrer Mischung braucht Zeit. So werden nat¸rlich keine industriellen Fast-FoodProdukte erstellt. Wird die Mischung doch dem Zeitdiktat unterworfen, dann ver”ndert sie sich in ein live-scratch oder rap, und muþ ohne das Glamour eines K¸nstlers auskommen. Ihre liveperformance im Piratenstudio hat bisweilen geniale Z¸ge. Urpl–tzlich entsteht ein Meisterwerk, das sodann im Ÿther verschwindet. Der sorglose Umgang mit dem copy-right ist eine nicht unwesentliche Voraussetzung ihrer Arbeit. Das W¸hlen im Weltmedien-Archiv steht auf gef”hrlichem Fuþ mit dem Rechtsstaat. Aber den wissen die Freien Radios vor der T¸r zu lassen. Im Gegensatz zum Zeitgeist, der alles aufsaugt, um aus dem Musikarsenal einen Trend zu destillieren, w”hlt das Mix eine maximale Blenden–ffnung. Jedes Ger”usch, jede Musikstr–mung kann als Material dienen. Die Mixtur ist kein spezielles Genre, das einer kleinen Gruppe von Liebhabern dient. Es ist eine Expedition ins Innerste des Radios. Die Vorliebe f¸rs Mischen gibt den Weg der alternativen Medien, die noch eine L¸cke im bestehenden Angebot ausf¸llen, zu den souver”nen Medien vor, die sich von der potentiellen Zuh–rerschaft befreit haben. Sie sehen sich nicht als Teil des Angebots der b¸rgerlichen (Gegen)-÷ffentlichkeit und behandeln diese nur mit Geringsch”tzung. Was andere aussenden, ist nicht mehr als Material. Aktualit”t ist eine Quelle unter vielen anderen. Souver”ne Medien sind ein Auswuchs der Emanzipation von den Medien und lassen das Kommunikationsmodell hinter sich. Vendex von Radio Patapoe: ªIch glaube an den zuf”lligen H–rer, das bin ich selber auch. Patapoe hat kein Publikum, das mit der Wahrheit befriedigt werden muþ. Wir tun niemals so, als ob wir die Wahrheit gepachtet h”tten. Patapoe ist keine Plattform oder Zufluchtsort, es steht f¸r sich selbst.´ Die Amsterdamer soundblenders sehen sich selbst nicht als Teil einer Technoavantgarde. Das Getue mit teuren Spielzeugen um der Form Willen, wird als elit”r empfunden. Der Einsatz ist keine Verj¸ngungskur der Kunst, vielmehr Ÿtherbeschmutzung, die die Ðberproduktion der normalen Medien gebraucht. Anders als der Modenarr, der sich gerne der herrschenden Klasse oder Unterwelt anbiedert und dessen exzentrische Dekadenz eine Frage von Identit”t wird, widmet der Souver”n seine kunstvolle lyrische Dichtung all dem G¸ltigen, das als Mantel, die Kleidung unseres medialen Raumes bestimmt. Samba, Soul oder Schlager werden nicht aufgew”rmt, um als neuester Kult ins kollektive Ged”chtnis einzugehen, das sich gerne auffrischen l”þt. Hier wird keine Audiogeschichte betrieben, die beinahe ausgestorbene Musikstile bequatscht, um in die Popgeschichte einzugehen. Das zusammengeraffte Material wird allein nach seinem Entfremdungsverm–gen untersucht. Der Abfall geht mit auf die Reise und wird wie dem Fremdling, mit dem man unterwegs die Zeit totschl”gt, respektiert. Dieses Verfahren ist kein Gewaltakt. Es geht hier nicht um die Austreibung eines D”mons, der in den Medien haust. Mit dem Mix m¸ssen wir eine unermeþliche Leere durchschreiten, bis wir zu neuen Erkenntnissen gelangen. Souver”ne Medien sind sowohl Hard- als auch Software, durch und durch hybrid. Alt und neu, popul”r und obskur, trivial und leidenschaftlich, alles verschmilzt zu einem verbl¸ffenden Totalmix. Es sind die Meister des Mischens, die ausrangierte Recorder an high-tech Samplers anschlieþen und eine zusammengeschnittene Rede von Busch mit einem Sprachkurs, Hundegebell und Tanzorchester spicken. Der ironische Mediengebrauch kennt kein subkulturelles Ÿquivalent, weder auf der Straþe, noch in der Kneipe. Souver”ne Medien bauen an einem parallelen Universum, das den klassischen Raum der Metropole nicht weiter kreuzt. Die Lumpensammler bewegen sich unauff”llig durch die offizielle Realit”t der Einkaufszentren, Flohm”rkte und M¸llwagen. Gleichsam dem otakuíisch europ”ischen Stil, [Otaku = Japanische Computerkids, die ihre sozialen Kontakte via Computer und zu Hause realisieren] nicht l”nger durch die lesbare Stadt wandelnd, halten sie sich in einem neuen Raum auf, wo sich das imagin”re St¸ckgut des 21. Jahrhunderts schichtet. Mit der Geschwindigkeit eines Augenaufschlages, werden die Kulturtr”ger, die jemals im Ramsch landeten, nach ihrer Eigenartigkeit beurteilt, und in Kinos, Videotheken, Second -hand Plattenl”den und Antiquariaten zu einem eigenen Programm zusammengestellt. Mixers sind die Leichenfledderer und Parasiten der audiovisuellen Gesellschaft. Die Wiederverwendung geschieht nicht aus –konomischen Ðberlegungen, sondern entspringt einer Obsession f¸r Aufnahmen, die der Echtzeit entgehen. Hammondorgeln, Tierger”usche, Witze, Non Stop Hits a Gogo, Ansprachen von John Kennedy, niederl”ndische Cowboy-Musik. Arjan: ªIch kaufe fast nie neue Platten. Ich finde sie auf der Straþe, hinter Gesch”ften, oder kriege sie von Menschen, die sie ansonsten wegwerfen w¸rden. Ich kaufe keine LP ¸ber drei Gulden, mache selber Musik und bekomme Demotapes. Du bist eigentlich ein Arch”ologe oder Archivar. Du findest Cassettenrecorder auf der Straþe, selbst Telefonanrufbeantworter mit Cassette, und es wird nicht mehr lange dauern, dann findest du selbst CD-Spieler.´ Bei den freien Radios ist die Technik kein Werkzeug, sondern Spielzeug, mit dem st¸rmisch gebastelt wird. Wiewohl die offiziellen Medien stets mehr ¸ber die Medien berichten, wird die eigene Apparatur nicht sichtbar, oder h–rbar gemacht. Die Technik ist in diesen Kreisen ein hinderlicher Faktor, der ¸berwunden werden muþ. Der Glaube der digitalen high-tech ist die Elimination jeder St–rung und jeden Ger”usches. Vendex: ªWenn du ein Signal durch 40 km Kupferdraht laufen l”þt, finde ich, muþ du das h–ren k–nnen. Die teure Apparatur, die normale Radiostationen gebrauchen, liefert nur noch Stille. Die VU-Meter von echten Apparaten schlagen noch aus bei bis zu 50dB, w”hrend ein gew–hnliches Cassettendeck nur bis 20dB geht. Sie sind stiller als still. Die harten und sanften Ger”usche werden noch voneinander getrennt. Warum sollst du ein Recht auf soviel Stille haben?´ Medien werden nicht dadurch glaubw¸rdiger, indem sie ihre Arbeitsweise zeigen. ªIch finde es sehr gesund, an den uns verabreichten Bildern zu zweifeln. Das Vorzeigen des Kameramanns macht es auch nicht glaubhafter.´ Vendex ist stolz, daþ es keine Medienaufmerksamkeit f¸r Radio Patapoe gibt. ªWenn wir irgendwas sagen wollen, dann haben wir daf¸r unseren Sender. Wir verteilen keine Komplimente an andere Medien und brauchen selbst auch keine.´ Der Slogan von Patapoe lautet: ªBesser bestehen gegen eine junge Welt.´ Anders als Radio 100, h¸llt Patapoe sein Dasein und seine Ziele gerne in Geheimnisse. Das Manifest aus 1990 vermeldet nur, daþ Patapoe aus ªder zunehmenden Frage nach gesellschaftlichen M”ngel´ hervorgegangen ist. Anderswo lesen wir, daþ ªPatapoe Grenzen zieht, wo andere sie nicht vermuten. Dank unserem professionellen Monopol, hat sich etwas entwickelt, was niemand will.´ Patapoe nennt sich multirationell . Es will mehr sein, als nur multikulturell und V–lkergemisch. ªDie Begriffe sind unbefriedigend, denn sie gehen nicht weiter, als das Tolerieren von anderen. Und doch klappt es nicht, weil jeder sich selbst ausnimmt und die anderen f¸r beschr”nkt h”lt. Die anderen haben nicht den gleichen Durchblick wie ich. Multirationalit”t richtet sich gegen diese Haltung und akzeptiert vielmehr verschiedene rationelle Konklusionen, die nebeneinander stehen k–nnen.´ Die Emanzipation der H–rerschaft wurde bisher am deutlichsten vom ehemaligen Radio Dood mit ihrem Credo ª H–r zu, oder stirb´ demonstriert. Vendex: ªBei Dood wurde ins Mikrofon geschrien: Schalte dein Radio ab , Ich will, daþ meine Stimme t–ten kann . Der b¸rgerliche Zuh–rer muþte seine H–rgewohnheiten ablegen. Werf all deine Platten weg. Aber die Fernsehsklaven der eintr”chtigen Familienwohnungen und Couchgarnitur h–rten sowieso nicht zu, da Punkmusik f¸r nicht Eingeweihte schwer zu verkraften ist. Es war ein Augenzwinkern, denn die Punkers, die zuh–rten, f¸hlten sich nicht angesprochen. Wenn gebr¸llt wurde: Schalte nun das Radio aus , wurde es erst richtig lustig. Gerade als sie ihren Mund hielten, hast du dein Radio abgeschaltet. ªBist du das Publikum? Verkr¸mel dich!´ Einige fanden das bescheuert. Der Luxus, Radio zu machen, sollte nicht miþbraucht werden. Aber es zeugt gerade von der richtigen Einstellung zum Medium, um zu sagen: ªWennís dir nicht gef”llt, schalte ab. Wir spielen hier unsere Musik, was du davon h”ltst ist mir egal. Unterdessen die sch–nsten Programmen zu machen, das war die Kunst.´ Bei Radio Dood hatte das Tohuwabohu Methode. Die MacherInnen, wie auch die vielen G”ste, die im Studio rumhingen, waren meistens bekifft und besoffen. Die Gleichg¸ltigkeit, die Punk eigen ist, wurde auf das Medium selbst losgelassen. Keine Ehrfurcht vor der Technik, oder Scheu vor dem Verbreiten durch den Ÿther, die alternative Radios noch kennzeichnet. Vendex: ªMan spulte das Programm einfach ab. Du sahst es direkt ins Chaos laufen. Ich habe eine Aufnahme der Abgedroschenen Top 20 , die total abgelutschten Punk- und Hardcoreplatten aus 86, pr”sentiert von Pluimpje. Nach der f¸nften Nummer war keiner mehr im Studio. Bei der dritten Nummer wurde es Pluimpje so schlecht, daþ er das Studio verlieþ und ein zuf”llig daherlaufender Passant die Top 20 beenden muþte. Andere Studios w¸rden sich zu Tode ”rgern, wenn jemand sich so davonmachen w¸rde. Dieser Haufen entwurzelter Punks wird nie ein echtes Radio werden.´ Dood spielte sich konsequent im ¸bersteuerten roten Bereich ab. Ðbermodulation und Herump–beln waren Teil der Moderation. L”rmendes Verschieben der Einrichtungsgegenst”nde, abgenutzte Mikrofone, Recorder, die Cassetten auffraþen, und eine schlecht funktionierende Vorabh–ranlage, waren kein Manko, das verheimlicht werden muþte, sondern Eigenschaften des Endsignals. F¸r Bart war Radio Dood ªeine vage Periode in meinem Leben, an die ich mich nicht mehr genau erinnere - der Haschkonsum stieg in unbekannte H–hen.´ Er spielte neuen hardcore. Bart erinnert sich noch gut, wie das Studio aussah: ªDas erste war in einem alten Klo, eine Kabine von zwei mal drei Metern. Dort stand ein Holzofen, der undicht war. Du hattest die Wahl: entweder den Ofen anz¸nden und durch Kohlenmonoxid vergiftet zu werden, oder das Fenster gegen¸ber der T¸r aufzumachen und vor K”lte zu erfrieren. Es war so eng, daþ du deinen Arsch nicht bewegen konntest, oder du tratst gegen den Tisch, so daþ sich die Platte ¸berschlug. Sp”ter zogen wir in einen Raum mit St¸hlen, wo du wenigstens sitzen, rumlaufen und nach drauþen schauen konntest. Das wichtigste Studio war in einem Erdgeschoþ untergebracht, ¸ber einem Keller, der permanent unter Wasser stand. Auf dem Boden lagen T¸ren und Teppiche, um es zu isolieren. Alles war schmutzig und vollgekritzelt. Wir hatten ein Mischpult mit zuwenig Kan”len, aber wohl mit Umschaltm–glichkeiten, wodurch permanent jemand, der nach einer Platte eine Cassette spielen wollte, den Schaltknopf vergaþ, sodaþ man nichts h–rte, und derjenige nicht begriff, was los war. Es gab keine Heizung und das im Sauwinter í86 auf í87. Leute saþen bei minus f¸nfzehn Grad und machten ein Programm. Im Boden war ein Loch, sodaþ du tiefunten den Eisklotz sehen konntest. Joint drehen ging nicht, sonst erfroren deine Finger.´ Das Machen von Hardcore-Programmen ist, angesichts der kurzen Nummern, eine harte Arbeit. Vendex: ªWenn du nach dem Schema Platte-Quatschen-Platte arbeitest, um es interessant zu machen, wirst du verr¸ckt. Also ist es besser direkt eine Kompilation zu machen und nach f¸nf Nummern wieder mit Das war Punk he! , Gut Pogo getanzt , Schmeiþ nun deine St¸hle aus dem Fenster zu kommen.´ Der selige Branco Puinbroek hatte ein sch–nes Format f¸r sein hardcore-Programm gefunden. Sobald das Mikrofon an war, gab es eine enorme R¸ckkopplung, die ¸berschrie er dann mit der n”chsten Plattenank¸ndigung und haute die Platte knallhart auf den Teller, voll im roten Frequenzbereich. Das ganze Programm glitt gew–hnlich ins Rote. Er war immer total stoned. Einer Anekdote zufolge, ist er einmal eingeschlafen. Eine halbe Stunde lang war die Schluþrille einer Platte zu h–ren, bis jemand ins Studio rannte und ihn weckte.´ Die Leistung von Radio Dood bestand darin, daþ sie so gut wie kein anderer, ein Musikgenre vertieften. Bei Patapoe, dem Nachfolger von Dood, kommen diverse Musikstr–mungen zum Zug. Aber ihre Vorliebe gilt der schlechten Musik. Vendex: ªWir hatten immer den Luxus, daþ es mehrere alternative Radiostationen gab, die die allerneuesten Independent-Platten auflegten. Von mir aus kann die alternative Struktur am besten kaputtgehen. Das Wichtigste f¸r uns, sind die Non Stop Hits a Gogo Platten von Frank Valdor, so wie James Last, auch ein Deutscher, der Potpourris in einem super kommerziellen Arrangement macht. Dabei ist ein Partypublikum aufgenommen. Die Nummer beginnt und endet mit Gejauchze. Die Musik ist ¸berhaupt nicht so schlecht, wie sie sich anh–rt. Sie werden geschm”ht, aber keiner h–rt nat¸rlich zu. Es kann sehr gut das House von 1996 sein.´ Wie beim Hardcore-Punk, geht es hier um Abschreckung: Jeder, der es h–rt, schaltet aus. Radio Dood f¸hrte eine eigensinnige Medienkoppelung ein: das integrale Aussenden von Spielfilmen im Radio. Vendex: ªUm den Sender stabil zu halten, lief er 24 Stunden am Tag, obwohl nur vier Tage in der Woche gesendet wurde. Um die Nacht gut durchzubringen, ist es sch–n, einen Horrorfilm aufzulegen, weil sie so gruselig sind und die Ger”usche so gut. Bilder find ich ¸berfl¸ssig. Es ist so aufgesetzt, daþ die speziellen Effekte Augenwischerei sind. Die meisten Bilder sind Schwindel und ¸berzeugen mich nicht. Eine Verschwendung, um die sogenannte Realit”t ins Bild zu bringen, das funktioniert doch nie. Man glaubt den Ohren, wohingegen man dem Bild miþtraut.´ Die Kraft, dem Film zu lauschen und dem Radio zuzuschauen, liegt in der Suggestion. ª Evil Dead ist wegen des Tons, einer der besten Filme und der Texas Chainsaw Massacre -Film nat¸rlich. Oder nehme so schlechte science-fiction Filme, in denen eine Frau die ganze Zeit hindurch schreit, wirklich ekelhaft. Oder der japanische Film Inframan , eine Kreuzung aus science-fiction und Kung-Fu-Action Film. Jedes vorkommende Monster macht ein eigenes Ger”usch. Jede Bewegung von Inframan hat eine eigene Charakteristik. Deutsche TV-Filme, wie Derrick und Tatort , machen es genauso. Film und TV klingen nat¸rlicher im Radio, sie sind weniger gek¸nstelt, als ein H–rspiel. Du kannst dir die Bilder dazu fantasieren, genauso wie beim Lesen eines Buches. Das wird noch durch allerlei Details verst”rkt, die du h–rst. Filme wissen das sehr raffiniert einzusetzen.´ Imponierendes Radio weckt Suggestionen. Vendex: ª Alle drei Minuten muþt du den Eindruck haben, das will ich h–ren. Gleich von Anfang an nehme ich mir etwas vor, aber es funktioniert wahrscheinlich nicht. Etwas, was du immer h–ren wolltest: Was denken nackte Frauen? Das Telefon klingelt: Hallo? t¸tt¸t. Wurde nun angerufen, oder war es ein Ger”usch aus einer Sendung vor drei Wochen? Ich will es subtil tun, mit tickenden Uhren, quietschenden T¸ren, Ger”usche, die nicht wirklich da sind, aber die Sph”re bestimmen.´ Die Gruppe STORT, die neben Radio, auch Performances, Video und Musik produziert, machte bei Radio Dood das Programm Vox Christiana (das Plattenlabel vom Papst). Sie zeichneten f¸r unkoordinierten Radioterror . ªWir behaupteten Sachen, hinter denen wir nicht standen. Wir spielten f¸r bekehrte Christen. Alles, was uns in die H”nde, kam wurde verpulvert, zermalen und ausgetrocknet. Eine Orgie der T–ne, herrlich, in ihnen zu baden. Im Rohzustand, oder bearbeitet. Das Schneiden, so wie wir es tun, ist eine Menge Arbeit: F¸r 2 Minuten Sendung brauchen wir 20 Minuten. Unsere Programme haben keine FeedbackM–glichkeit, aber wenn wir unsere T–ne aufís Publikum loslassen, passiert nat¸rlich einiges. Dann wirdís rauh. Es ist sehr einfach, universelle Gef¸hle in Gel”chter umzusetzen. Aber das Radio ist nicht so grob und schockt weniger; das Publikum ist nicht bei der Ausstrahlung und es kann nicht direkt reagieren. Die Leute wissen nicht, wo das Radio ist, also kriegen wir auch keine aufís Maul.´ STORT holt sein Material vor allem aus dem Fernsehen. ªWir isolieren den Text vom Bild. In den Fernsehnachrichten sitzt die Ideologie h”ufig im Text. Die Idee davon, was das Bild bedeutet, kommt dann mehr nach vorne. Wenn du TV h–rst, ruft das sofort Bilder hervor. Das Fernsehen ist eine bessere Quelle, als das Radio, weil es Dinge h”ufig sehr einfach darstellt. Ein bekanntes Fragment schleppt einen ganzen Kontext mit sich. Einige Sendungen sind so schlecht, daþ sie danach schreien, miþbraucht zu werden.´ Momentan macht STORT ein Nachtprogramm bei Radio 100. Eine der Quellen, auf die sie zur¸ckgreifen, ist ihre eigene Musik, hergestellt auf Synthezisern, Samplern und Computern. Dunkle apokalyptische T–ne und abwechselnd Doris Day und Frankie Laine. ªUns geht es um den Kontrast im Verh”ltnis von einem Wort zum anderen. Beim Schneiden entsteht eine neue Geschichte. Aber es bleibt linear, weil wir nicht jedesmal hin- und herspulen. Ganzer Zufall wird es mit zwei Cassettendecks, die du mit dem Pausenknopf an- und ausschaltest. Der Hintergrund ist bei uns meistens schwer und dunkel. Das Endresultat des Mix ist nicht vorhersagbar. Die Qualit”t ist nicht garantiert. Wir halten nichts vom Recycling fr¸herer Sendungen. Unser L”rm muþ die Welt nicht ver”ndern, aber ein Kommentar zu den Medien ist es schon. Jemand wie Busch erscheint h”ufig in den Medien, wir kommen ihm gew–hnlich oft entgegen und was er sagt, ist nicht gering. Wir haben keinen Respekt vor den Medien, das kannst du vielleicht Politik nennen.´ STORT m–chte mit der industriell-kommerziellen Musik nichts zu tun haben. ªWir machen genau das Entgegengesetzte. Soundscaping und Tonlandschaften bieten den idealen Raum und lassen sich nicht auf ein Genre reduzieren.´ Die Geschichte des Mix ist schnell geschrieben: die dÈtournement-Techniken der Situationisten, musique concrete, die cut-up von Burroughs, John Cage... STORT: ªNat¸rlich sind wir Surrealisten. Selbst die Futuristen machten die gleichen Experimente. Sobald es den Cassettenrecorder gab, begann man, die Ger”usche auseinander zu hacken. Die erste Montage-Platte ist aus 48, von Pierre Henri, den du sowohl der industriellen Musik, wie auch Etant DonnÈs zuordnen kannst. Wir pflegen, ”hnlich wie die Surrealisten, die groteske Ðbertreibung. Mehr noch das Karnavaleske, das wir in unseren Orgien aufrufen. Die Avantgarden sind integraler Bestandteil der Kultur geworden, ein Brunnen, aus dem du ungehindert sch–pfen kannst. Du muþt dich also nicht explizit auf diese Gruppen berufen, oder gar irgend etwas davon wissen.´ Die Amsterdamer Mixschule plaziert sich in der Tat unbewuþt auþerhalb des kunsthistorischen Diskurses, der vermutlich anmerken w¸rde, daþ l”ngst alles ausprobiert sei. STORT: ªWir versuchen, dem klassischen Modell der Postmoderne zu entkommen. Wir zitieren viel, sind aber nicht einig mit den Postmodernen und deren Kontext, in dem sie die Zitate plazieren. Wir haben kein fin-de-siËcle Gef¸hl, sind im Gegenteil sehr optimistisch, ohne prophetisch zu sein. Alles was auf uns niederkommt, wollen wir durch den Gebrauch kontrollieren. Wir wollen handelndes Subjekt sein. Du wirst kein Opfer der Medien, solange du sie gebrauchst. Darum schwelgen wir in den Medien, auf eine rabelaiske Manier. Die Signale sind f¸r uns nicht immateriell, sondern taktil. Wir w”lzen uns im Medienschlamm.´ Auch die eigene Geschichte bleibt unbekannt, um keinen Ballast mitzuschleppen. Der Groþvater des Amsterdamer Mix, Radio Rabotnik, einer der Gr¸nder von Radio 100, das mit Hilfe von B”ndern Ger”uschlandschaften entwarf, ist hinter dem Horizont der G–tterd”mmerung verschwunden. F¸r Arjan von der O.K.Show ist das Mix kein Angriff aufs Publikum, wie es die Punks deklamierten. Ihm geht es um eine Sph”re: ªIch habe absolut keine Vorliebe f¸r eine bestimmte Musik. Das einzige Kriterium ist, daþ es mich ber¸hrt. Das Machen eines Programms bringt eine merkw¸rdige Erfahrung: vielleicht lauschen tausend Leute nach dir, vielleicht aber auch kein Schwein. Der H–rer wird ein abstrakter Begriff. Du bist selbst auch Zuh–rer. Dann h–rst du, ob alles stimmt. Wenn es mit mir gut geht, wird der Zuh–rer das wohl merken.´ Die Kunst des Mix ist in der Philosophie der O.K.Show das ger”uschlose Aufbrechen einer aufgebauten Atmosph”re. Arjan: ªMein Mix besteht aus Musik, gesprochenen Worten und Hintergrundger”uschen. Ich laufe immer mit meinem walkman herum, um irgendwas aufzunehmen. Oder du benutzt das Ger”usch deines Vorg”ngers, das du dann von Hinten nach Vorne abspielst. Die letzte Rille einer LP kann sehr sch–n sein, wenn du sie f¸nf Minuten erklingen l”þt. Ich sage nicht, daþ du es begreifen muþt wie ich vom Hundertsten ins Tausendste komme. Das Radio muþ dein Ohr massieren. Wie kitschig die Platte auch immer sein mag, es muþ Gef¸hl darin sein. Die g¸ltige Musik vergewaltige ich. Ðber Musik lege ich ein Gitarrensolo, oder eine grobe Geschichte. Du kannst keinen Kurs belegen, um zu lernen, wie Platten sch–n ineinander ¸berflieþen. Du tust es einfach und hast ein Ohr daf¸r, eine gute Atmosph”re zu kreieren. Bei Public Enemy h–rt man, daþ sie ein Gef¸hl daf¸r haben, w”hrend es bei anderen Rap-Bands nicht l”uft.´ Eine Technik, die die O.K.Show einsetzt, ist das Spielen mit der Geschwindigkeitskontrolle des Cassettenrecorders, das Drehen einer Platte mit den Fingern, oder das gleichzeitige Spielen einer Platte auf zwei Ger”ten mit einer kleinen Verz–gerung. Arjan: ªAnf”nglich zerschnitten wir Reklamebotschaften, den Wetterbericht und Nachrichten. Was bei mir zur¸ckkehrte, waren die Geschichten von Onkel Bob , in denen die ganze Weltgeschichte zusammengemixt war: Jimi Hendrix, der w”hrend des zweiten Weltkrieges in den Niederlanden war, was gar nicht sein kann, aber was du so plausibel wie m–glich machen willst.´ Eine Zeitlang arbeitete Arjan mit Miss Akira und Doktor Bildplatte. ªEr nimmt mit seinem walkman Stimmen im Supermarkt auf. Was er gut findet, schreibt er dann mit einer Zeitmarkierung auf. Sein ganzes Zimmer ist voll damit. Wenn er daraus eine Geschichte machen will, legt er sie sch–n der Reihenfolge nach hin, was nat¸rlich sehr arbeitsintensiv ist. Die Hintergrundmusik legt er auf Band und setzt dazu die einzelnen Stimmfragmente. Mit Miss Akira machten wir spontane Theaterst¸ke: Deinen Verstand auf Null setzen, und dann alles von selbst ausflippen lassen.´ Nun macht Arjan auf Patapoe ein Nachtprogramm. ªDas beginnt um 12 Uhr und kann drei bis vier Stunden dauern, meistens bin ich dann mit dem Abbauen bis f¸nf Uhr besch”ftigt, und w¸nsche den Leuten dann gute Nacht, aber in musikalischen Termen. Ich drehe Psychedelica, lange St¸cke bewuþtseinserweiternder Musik aus den sechziger Jahren, gemixt mit psychedelischen Platten aus den dreiþiger Jahren, wie Cab Calloway. Das m–gen dann Hits gewesen sein, aber die sitzen sehr selten beieinander.´ Viele Techniken lernte Arjan bei DFM-Radio-Television, die jahrelang bei Radio 100 Live-Mixes machten und unter dem Namen ARTburo Performances auff¸hrten. ªDFM arbeitete sowohl mit dem normalen Radio, als auch unregelm”þig innerhalb von Radio 100. Sie fielen ins Studio ein, unterbrachen ein Programm, oder gingen direkt zum Sender, um dort die Ausstrahlung zu st–ren. DFM ging ab 12 Uhr die ganze Samstagnacht durch und pr”sentierte dann um 11 Uhr morgens im CafÈ eine Fr¸hst¸cksshow. F¸r andere Diskjockeyís war das sehr unwirklich.´ DFM kombinierte das Mix mit einem Showelement. Die Gruppenmitglieder nahmen fortdauernd andere Gestalten an. Wenn es langweilig wurde, ersann man sich einen neuen Nahmen und ein neues Konzept. Das gab mitunter die Sph”re wieder, in der die ganze Medienmafia t”tig ist. Chris von DFM: ªEin Rundfunkorchester durfte bei uns nicht fehlen. Es bestand aus einer Handvoll Cassetten. Fehlten G”ste? Kein Problem, es ist immer eine Anzahl Alter egos vorhanden. Radio ist das intimste aller Medien und dies gilt besonders w”hrend der Nachtstunden. Mit ein paar Freunden und einer angenehmen Atmosph”re kannst du so ein paar Stunden gestalten. Wenn dann noch die H–rer telefonisch reagieren, bekommst du ihre Interpretation, von dem, was du gemacht hast, zu h–ren. Die Reaktionen werden aufgenommen und auch wieder gesendet, aber geschnitten und gemixt, um den deformatorischen Aspekt zu erhalten.´ Deformation bedeutet nicht allein die Wiederverwendung von Fragmenten, die von anderen, oder einem selbst, gemacht wurden. Sie gibt auch an, inwieweit der H–rer von dem neu entstandenen Produkt mitgerissen wird. Erst wenn das passiert, ist derjenige deformiert. F¸r DFM ist Deformation keine Erneuerung der g”ngigen Information und Reformation. Sie sind gleichwertig. Chris: ªW”hrend des Remix werden Teile von dem, was fr¸her gemacht wurde, als Grund- und Teilst¸cke zur Deformation gebraucht. Diese werden aus allen Medien ausgegraben. Ein altes Programm kann das Basistape eines neuen Programms werden. Lese einen halben Artikel aus der Zeitung von letzter Woche vor, f¸ge ein biþchen Reklame hinzu, gut r¸hren und ab geht der Zug!´ Vendex von Patapoe steht f¸r ein sublimes Herangehen. ªVom H–rer wird bei DFM sehr viel Geduld erwartet. Kurze suggestive H–rspiele finde ich gegenw”rtig besser, als den Ger”uschbrei, wo du aus vier verschiedenen Quellen alles zusammenschmeiþt. Aber die Mixer k–nnen unter drei Stunden nichts.´ Er kam mit seinem Kollegen Dan Kerwell auf die Idee, Ger”usche zu mixen, die keinen Rhythmus haben. ªIn der klassischen Musik gibt es keine Percussion, im Gegensatz zu dem meisten anderen Mixmaterial.´ So begann das CafÈ Bartok. ªEs wurde von den CafÈs aus dem Viertel um die Opera herum inspiriert, die eine yuppiem”þige Schickimicki- Atmosph”re ausstrahlen, und in denen sie klassische Hintergrundmusik spielen. Wir wuþten und wissen noch immer nichts von klassischer Musik. Wir entdeckten herrliche Sachen, wie die 6. von Mahler, die gut zu Musorgski paþt. Wir konnten die Platten nicht mehr auseinanderhalten, es gleitete alles ineinander ¸ber. Oder Eric Satie auf 45 Touren, gekreuzt mit Chopin auf 45 Touren, was brillant klingt. Also kamen die H–rspiele ¸ber Komponisten von selbst. Wir bringen sie miteinander in Kontakt, vor allem die weniger bekannten. H”ndel, Grieg und Brahms sitzen 1822 in einem Dorf namens Grande Qualle, nahe bei ArËs, an einem Kneipentisch. Sie trinken viel, haben nie Geld und verkaufen ihre Werke unter sich. Wir gebrauchen schwere Worte, um der Geschichte Gewicht zu verleihen, wie z.B. Mutter, Brot, Stein und Tod. Und immer kommt Albert Schweizer zum Vorschein. Er holte die Gebr¸der Telemann von Indonesien nach Wien, damit sie dort Musik studieren. Er ist H”ndler und hat ein Monopol an musikalischen Werken.´ Das falsche Abspielen von Symphonien ist grausig. CafÈ Bartok ist eine Parodie auf die klassischen Sender, die ihre Musik heilig gesprochen haben. Vendex: ªEin klassisches Fragment kann mit Punk beginnen, um die H–rer schrecklich fr–steln zu lassen. Aber dann drehen sie das Radio ab. Es ist sch–ner, sie noch ein biþchen l”nger zu irritieren.´ Radio 100 (100 Mhz FM), Postfach 10096 in 1001 EB Amsterdam, tel. 020-6163421 Radio Patapoe (101.5 Mhz FM), Postfach 3369, 1001 AD Amsterdam. Die Ordnung des Chaos Leben und Arbeit von DFM/ARTburo Haevfties Das Telefon klingelt: ªWieder jemand, der glaubt, daþ das nicht live ist... und das stimmt.´ ªEine Grundregel der Welt ist, daþ die Menge des Chaos nie abnimmt. Selbst, wenn ihr eure schmutzigen Kleider wascht, verlagert ihr den Schmutz nur in die Umgebung, wo er auch herkam. Die Ordnung ist –rtlich. Das deformatorische Prinzip beruht auf dieser Ordnung des Chaos.´ DFM ist keine Abk¸rzung, sondern ein Schnitt des Wortes DeForMation. Es ist der Name einer Anzahl von Radioprogrammen und Performances, die seit 1982 in Amsterdam stattfinden. Sie wurden von einer wechselnden Gruppe, die unter verschiedenen Namen vornehmlich in Amsterdam auftraten, hergestellt. Es begann mit dem DFM-Nachtprogramm auf Radio GOT und wurde zu DFM-radio-television International Network Europe anl”þlich des Youth Medial Festivals (1985), das in Amsterdam stattfand und zugleich den Beginn von Radio 100 bedeutete. DFM wuchs ziemlich schnell zu einer Gruppe heran, die die samst”glichen Nacht- und sonnt”glichen Mittagssendungen ausstrahlten. Unter anderem waren Performances unter dem Namen ARTburo Haefties in der Conradstraat, ein ehemals besetztes Armeegel”nde in Amsterdam, zu sehen. Sie waren auf der Documenta in Kassel mit einem Tonwagen vertreten. Nach der R”umung des ConradFreistaates waren sie auf dem Post-Conradfestival im Paradiso mit dem Probelauf eines entstehenden Raumschiffes zu besichtigen. Nachdem DFM bei Radio 100 Anfang 1989 seine Arbeit beendete, gaben sie in den H–hlen der Metrostation Weesperplein, im Rahmen des Circuit du Theatre, die Theatervorstellung ªUnderground´. Im selben Sommer waren sie auch mit ihrem virtuellen Raumschiff auf der International Conference on Alternative Technology im Paradiso. Das ARTburo hatte 1990 einige Monate Arbeitsr”ume am Achter Oosteinde zur Verf¸gung, aber dieses Haus wurde ger”umt, bevor man so richtig beginnen konnte. Danach tauchten sie wieder auf den Ÿther auf, wo sie unter anderem montags Nacht auf Radio Patapoe das Programm John Turbo goes Code Cyb, FMD machten. W”hrend des Sommerfestes im Juli 1990 lief eine Performance unter dem Namen Tekno Tribe auf dem Wasser im Westhafen, wo zum ersten Mal nicht ihr enormes Tonarchiv eingesetzt wurde. Auf der zweit”gigen Wetware Konferenz [Wetware = der Mensch, der an der Soft- und Hardware h”ngt] des Sommerfestes 1991 im Amsterdamer Melkweg, konnten die Besucher des ARTburo Backspace selber im Kontrollraum platznehmen. Die aneinandergeschaltete Elektronik hatte zum Ziel, diverse Realit”ten der Virtualit”t zu retten . Toek ist Gr¸nder und groþe Konstante in der Arbeit des DFM/ARTburos. Nur in der Periode í87-í88 bestand DFM aus einer festen Gruppe. Danach wurde eine technische Werkstatt, die mehr oder weniger funktionierte, als Zentrum eines Netzwerkes von Aktivit”ten und Kontakten, ins Leben gerufen. Hier kam man regelm”þig zu einer Performance zusammen. Diese Arbeitsstation hat bis heute keinen permanenten Status. Die DFMíler gingen ihren eigenen Weg und besch”ftigen sich im Moment vor allem mit Computern und Cyberspace. So wurde im September 1990 das Netzwerk BBS errichtet, im dem sich die Computerbenutzer aus dem In- und Ausland ¸ber die Aktivit”ten informieren und mit dem ARTburo, oder untereinander direkt kommunizieren k–nnen. Als Grundlage dieser ersten Ðbersicht der Ideen und Arbeiten von DFM/ARTburo dienten etwa f¸nf Programme aus der BILWET Personengalerie , die im Laufe der Jahre auf Radio 100 und Radio Rataplan in Nijmegen zu h–ren waren. Wie hat das DFM-Radio-Fernsehen begonnen? Toek: Ein Studi fragte mich in einer Kneipe, ob ich ein paar Platten auflegen will. Radio GOT hatte gerade begonnen. Dort startete ich mit einem Punkprogramm. Nachher ahmte ich aus Langeweile andere Programme nach. Ich saþ manchmal drei bis vier Stunden allein im Studio und f¸hlte mich sehr einsam. Ich versuchte, G”ste ins Programm einzubeziehen, aber die erschienen nicht. Ein Informationsaustausch funktionierte ¸berhaupt nicht. Nach einer gewissen Zeit hab ich dann Menschen eingeladen, die ganz und gar nicht informativ waren, die nur quatschten, schrieen und besoffen herumlallten. Jemand, so wie er ist, so offen im Radio bloþzustellen, fand ich auch informativ. Jemand, der so betrunken und bekifft ist und nicht begreift, daþ er auf Sendung ist. Sehr am¸sant. Und sobald er langweilig wird, kommt Musik. Nach einer Weile, wollte jeder Gast sein, ein paar sind ¸briggeblieben: Edward der Sch–ne (Max Mengmeester), Paulien Strak, Rogier und Joost (Rooster & de Vries), Reinout und Chris. Was f¸r Programme habt ihr gemacht? Toek: Das elementarste Programm, daþ wir als Format aus dem Chaos gefiltert haben, ist der Einleitungs- und Schluþteil. Mit einer Einf¸hrung von 10 und einem Schluþteil von 20 Minuten, brauchst du nur noch eine halbe Stunde aufzuf¸llen, um ein Programm von einer Stunden zu haben. Daf¸r gibt es ein Notprogramm, wenn du wirklich nichts hast. Das Jingle, die Erkennungsmelodie, ist sehr wichtig. Es bestimmt die Sph”re und sorgt f¸r die Erkennbarkeit. Ein anderer Typ des Abendprogrammes beginnt mit einer Stunde unterschiedlichster Musik, einem Diskussionsteil, dem Stimmungsprogramm und Schluþ-Mix. Das kann bis zu f¸nf Stunden dauern. Die Musik am Anfang machst du, um die Leute zu k–dern. Es ist sehr schwierig, H–rer zu bekommen. Du spielst eine speedmetal oder hardcore-Platte und verlierst 99% aller H–rer, die noch vom vorhergehenden Programm ¸brig waren. Die Einl”utung von zehn Minuten ist gerade lang genug, bombastisch und frivol ... das halten sie noch aus. Aber dann ist es sehr wichtig, was du danach spielst. Spielst du eine Stunde niederl”ndisch und sagst dann auch noch, daþ die Leute anrufen k–nnen, um Gr¸þe auszurichten, l”uft das Telefon heiþ. Aber nach einer Stunde speedmetal ruft niemand an, so geht das. Also binden wir die Leute mit wechselnder Musik und k¸ndigen den weiteren Verlauf der Sendung an. ªDie Super RIP show, sch–nes Programm, mit G”sten, Glitter und Glamour.´ Radio Aktiv: ªanrufen = aussenden´. Oder ªBlue for you... Stimmungsprogramm mit herrlich entspannter Musik, Gedichten und der schr”gen Platte.´ Jeder Beliebige konnte die Programme pr”sentieren, weil die Formate mit einem klaren Jjnglepaket, Plattensack und ein paar Spitzen vorhanden waren. Chris: Ich habe bei DFM mit dem Quiz angefangen, wo ein Chris van Willigenburg versuchte, die unsinnigsten Hilversumer Quizsendungen in puncto Schwachsinn und Anspruch zu ¸bertreffen. Eine Reihe unterschiedlichster Personen und Figuranten traten hinzu: Jan jan de Leensveld, Babbette, Berend Barendz alias Barend Berentz, Rudolf Dodeober jr., Prins B. van Spoor Bijsterveldt, Edwoud van Thorbecke, das DFM- Rundfunkorchester und das Aufbauteam. Das Quiz fiel nicht gerade auf fruchtbaren Boden. Er lieþ es sein. Danach wurde es ein gefragtes Programm. Zusammen mit Ben Anders wurde dann die LCD-show gemacht, ªDie Rache von Rudolf Dodeober´, ein super r”umliches Stereo-Programm. Es wurde auf zwei Kan”len produziert, Ben Anders und sein Freundeskreis nahmen den rechten Kanal und Chris van Willigenburg den linken. Auf beiden Kan”len wurden unabh”ngig voneinander Programme pr”sentiert, w”hrend die Programmmacher doch ab und zu einen Dialog angingen, oder einander anriefen. Man konnte es auf mehrere Arten h–ren: mono, links und rechts, stereo oder ¸berhaupt nicht. Aber van Willigenburg tat etwas, was sich nicht geh–rte. Er ging zum anderen Kanal lauschen, w”hrend sein eigener still blieb. Also muþte er aufh–ren. Seine Karriere ist nat¸rlich ohne come-back nicht vollst”ndig. So kam die Super Reality Interested Person Show (Super RIP show) zustande. Das war eine ªTalkshow mit All¸ren´, sparsam mit Musik gespickt, ein echtes Konzept aus Hilversum. Danach sind noch Versuche unternommen worden, mit dem l”ngsten und schlechtesten Programm, alle Radio 100 H–rerInnen zu vergraulen, aber das klappte nicht. Also haben wir das auch gelassen. In dem darauffolgenden Totalprogramm machte Chris van Willigenburg nur noch die breakfastshow . Ihm wurden ein oder zwei Stunden seiner Kollegen zugestanden. Es war ein Mix, ein Reiseprogramm und exotische Kl”nge. Nun kann ich ja verraten, daþ Chris darin den Teilbereich klassische Kl”nge betreute. Gleichzeitig machte er die Erz”hlungen aus einer ungastlichen Jugend . Er schlug dann die seri–se Tour ein und redete ¸ber Sachen, die ihm selbst Schwierigkeiten bereiteten. So erz”hlte er das Folgende: Ich tr”umte, daþ ich mit einer alten Kiste an einer Bushaltestelle stand. In der Kiste waren alte B¸cher und Plastikschund. Ich muþte darauf aufpassen. Pl–tzlich kam ¸ber einen H¸gel eine Horde von Menschen auf mich zu. Fremde Wesen, ohne eigene Identit”t. Aber sie kamen sehr drohend auf mich zu. Sie wollten sich meiner Kiste bem”chtigen, die mir anvertraut war. Ich bekam allerlei grobes Kriegsmaterial zur Verf¸gung gestellt. Ich sah und f¸hlte im Detail die erbarmungslosen Auswirkungen dieser Waffen auf die anst¸rmende Horde. Es waren eine Art Riesenzwerge. Je mehr ich mit den Morgensternen und Beilen erledigte, desto mehr st¸rmten sie auf mich und die h–here technische Vernunft versagte. Gl¸cklicherweise kam schlieþlich ein Bus, in dem ich mit der Kiste einstieg . Als roter Faden durch all diese Programme zog sich wiederum das Alter ego von Chris van Willegenburg, Cassette Dick. Er stellte sich f¸r sehr kurze Gastauftritte in Programmen zur Verf¸gung. Er kam dann selbst, mit einer ihn von den H–rfreunden anvertrauten Schachtel Musikcassetten, ins Studio. Alle Cassetten wurden innerhalb der verf¸gbaren Zeit gespielt, selten mehr als einige Minuten. Ich zitiere und preise Chris van Willigenburg hier nicht als Medienperson. Trotz seinem regelm”þigen Scheitern, finde ich seine dahinterliegenden Ideen spannend, und ich bin einer der wenigen, der sie aus seinen Programmen entnehmen kann. So findet er, daþ die souver”ne W¸rde des Konsumenten respektiert werden muþ, soll eine Wechselwirkung entstehen. Diese W¸rde bietet dem Seh-, Lese-, Geruch- und H–rfreund die Freiheit, ¸ber die eigenen Einsichten nachzudenken. Das ist der erste Schritt zur L–sung des Problems, um dasjenige, was du denkst, sagst und tuts, mehr oder weniger auf die Reihe zu kriegen. Toek: Ich war immer schon an Formen interessiert, zum Beispiel wie ein Quiz im Fernsehen pr”sentiert wird. Der Showmaster muþ mit all seiner Flexibilit”t und Erfindungsgabe das Chaos, das st”ndig auf der Lauer ist, bannen. Er f¸llt die L–cher, die in die getimte Programmierung fallen. Es ist ein total kontrolliertes, emotionales Ereignis, sehr contra-diktiv. Innerhalb weniger Sekunden muþ man das applaudierende Publikum zur Ruhe bringen und das stille Publikum zum Applaus. Alle Fernsehzuschauer warten nur darauf, daþ irgendwas schief geht. Das sind die herrlichsten Momente, weil sie am wenigsten vorkommen. Ein Autoungl¸ck w”hrend des Rennens, ein Moderator, der von der Treppe f”llt, oder ein Quizkandidat, der in eine Torte l”uft. Dies alles ist bei DFM permanent so. Das ist immer noch Formation. Danach kehren wir zur Deformation zur¸ck. Alle Codes und Konventionen m¸ssen wie Radio klingen, um die Leute aus der Fassung zu bringen. Kein gemachter Fehler ist reiner Zufall. Sich f¸r nichts sch”men. Das Chaos zulassen. Wir haben Erfahrung gesammelt, im Chaos zu arbeiten. Wir ziehen alle Kan”le auf, laden G”ste ein, nennen Telefonnummern und kontrollieren den Tuner, um andere Piraten in die Sendung einzubeziehen. Wir kochen unseren Chaostopf auf multimedialer Weise. Die Techniker sind im Studio sehr entspannt. Sie drehen hier und da an einem Knopf, nehmen den H–rer auf, drehen eine Cassette um, und sprechen etwas ins Mikro. Leute am Telefon versuchen sich fast immer krampfartig in die Sendung einzubringen. Sie wollen mitkommunizieren, aber dazwischen liegt eine ganze Menge Desinformation. Sie sind out of order. Denn mit wem reden sie eigentlich? Es ist ein enormer Mischmasch. Nur ein paar Menschen k–nnen noch dem Endsignal folgen, destillieren die Schl¸sselw–rter, die sie interessieren und verschlieþen sich den nicht relevanten Sachen. Wir produzieren schmalspurige cut-ups, in denen man nur noch Schl¸sselw–rter h–rt und der Rest auf Hintergrundger”usche reduziert ist. Gegenw”rtig nennt man das Datenreduktion. W”hrend der Produktion solcher Sendungen, ist der Pausenknopf mein gr–þter Freund. Die meisten Menschen haben Angst vor dem Chaos und kennen es deshalb nicht. Was ist Chaos? Toek: Chaos ist das Material, aus dem die Wissenschaft entsteht, und aus dem die Musiker ihre Symphonien schaffen. Es ist das Material, aus dem diese Welt aufgebaut ist. Ordnung herrscht nur in einem sehr kleinen Teil. Wir stellen Installationen, absolut willk¸rliche Apparate, Fernsehger”te, Sender, Empf”nger, Verformer etc. auf, dann k–nnen sich die Kan”le –ffnen, so daþ die Information einstr–men kann. Wir gehen noch weiter mit all der verformten Information, die zu uns kommt. Wir entwickeln das, mischen es zu so einer grotesken Form, das man die Message der Medien nicht mehr wahrnehmen kann. Nun kommt die Atmosph”re zum Vorschein. Eine Grundstimmung, die man lesen kann. Genauso wie beim Scannen mit der Fernbedienung. Wenn man sich einmal anís Umschalten gew–hnt hat, kommt man in Stimmung. Als Gesamteindruck bleibt dann : He, heute ist viel Krieg im Fernsehen , oder Ðberall ist Sport . Das Ger”usch, das wir dann daraufsetzen, durchbricht es. Aber man kann Chaos nicht wiederholen. Den Terror und die schwarze Stimmung holen wir ¸brigens heraus. Die sch¸ren nur die Angst bei den Menschen. Es ist nicht schwierig, Leute zu schockieren. Man sieht zum Beispiel ungl¸cklicherweise Horrorbilder. Aber aus diesem Material werden auch deine Tr”ume gemacht. Die Information deformiert dich dann. Ich bek”mpfe negative Information, dagegen haben wir tausend Zensurkn–pfe. Also auch wir manipulieren die Medien. Die meiste Information sitzt bei uns in der Sublimationssph”re. Was ist das deformatorische Prinzip? Chris: Information und Deformation sind gleichwertig. Information ist eine so scharf und klar wie m–gliche Vorstellung von Sachen. Deformation ist ein breiteres Bewuþtsein. Aber wenn sich das Bewuþtsein ausdehnt, wird es vage und ist nicht mehr ins Hier und Jetzt zu f¸gen, es wird allgemeiner. Eine deformatorische Technik ist das Remixprinzip. Es werden Sachen, die fr¸her gemacht wurden, als Grund- und Teilstoffe der Deformation gebraucht. Diese Grundstoffe stehen in allen Medien zur Verf¸gung. Eine alte Sendung kann das Basisband f¸r ein neues Programm werden. Daneben kommen wir zielbewuþt mit falschem, oder archaischem Sprachgebrauch. Die auf-, be-, re-, wiederund ver- Pr”fixe sch¸tteln wir durcheinander, wie z.B. Desearch & Revelopment. Oder wir nehmen das Ger”usch einer Kamera auf. Wir lassen die H–rer ein Videoband h–ren. Das sind paradoxale Produktionen, spaþig und seri–s, nicht von Bedeutung und deswegen gut. Sie sind verg”nglich, da in den geeichten Medienkan”len all diese deformatorischen Prinzipien ihre Anwendung finden. Zum Beispiel: Sie sehen das niederl”ndische Abendjournal. Sie sehen Bilder der W¸ste, aufgenommen aus einem Hubschrauber. Sie sehen Stacheldrahtumz”unungen, Wacht¸rme, bewaffnete milit”rische Aufseher und Eingesperrte in Pyjamakost¸men. Die dazugeh–rige Stimme erz”hlt Ihnen, daþ es sich hier um ein Gef”ngnis handelt. Ich selber sehe ein Konzentrationslager, von dem bekannt ist, daþ dort die in Pyjamakost¸men gekleideten Menschen, ohne Prozeþ festgehalten werden. Toek: Die Verformung ist ¸berall. Man kommt nicht drumherum, man muþ hindurch. Es ist schier unm–glich, reine Information zu bringen. Jede Manipulation ver”ndert die Information, die man r¸berbringen will. Das Kinderspiel, bei dem ein Wort, oder Sinn die Runde macht und wo man herzlich ¸ber das Endprodukt lacht, kennt jeder. Die Information wird l”ngs ihrer Strecke, die sie zur¸cklegt, verformt, daþ das, was schlieþlich pr”sentiert wird, von uns Deformation genannt wird. So entsteht die Information ohne Sinn und Absicht. Wir erkennen dieses universelle Prinzip an und bek”mpfen es nicht, sondern benutzen es. Ihr filtert das Rauschen nicht heraus, sondern verst”rkt es noch, um darin herumzuirren. Wie sieht das Rauschen von innen aus? Reinout: Meistens geht man davon aus, daþ es ein erw¸nschtes Signal gibt, und miþt dann die Menge der Ger”usche, die dazugekommen sind, auf dem Wege durch was weiþ ich f¸r welche Medien. Trotz der Tatsache, daþ die Ger”usche zuf”llig sind... und betr”chtlich rauschen, gibt es doch das eine oder andere zu beziffern. Es ist ziemlich normal, zu schauen, mit welcher Frequenz die Dinge rauschen. Weiþes Rauschen ist definiert, als die Anwesenheit aller Frequenzen im gleichen Maþstab. Es gibt auch rotes Rauschen, dann werden ebensoviel Enerigeger”usche in allen Frequenzb”ndern gemacht. Die Tatsache, daþ man mit dem Rauschen rechnen kann, bedeutet, daþ man es filtern kann. So machst du mit einem Syntheziser eine sch–ne Welle, das Rauschen des Meeres, indem du dich einfach durch das Frequenzband hin- und herbewegst. Rauschen tritt immer auf, alles rauscht. Vor allem bei der Kommunikation im weitesten Sinne des Wortes. Wir Menschen sind, als Teil unserer biologischen Maschine, dem Rauschen gegen¸ber blind und taub. Wir sind darauf erpicht, die Information aus dem Angebot zu holen, das uns zur Verf¸gung steht. Es geht dann nicht um das zus”tzliche Ger”usch, wenn wir miteinander sprechen, sondern um die Interpretation, das Umsetzen in Worten und Zur¸cksetzen in Gedanken. Das ist abh”ngig von Zufallsfaktoren, wie jemand sich f¸hlt, wie offen er f¸r eine Sache ist. Das bestimmt in starkem Maþe, wie tiefgehend Kommunikation sein kann. Auch beim Speichern von Informationen, die durch die Zeit hindurchgetragen werden, wird Information hinzugef¸gt. Die Information unterliegt der Deformation, sie br–ckelt ab und schlimmer noch: Es kommt neue Information hinzu, die als Interpretation beigef¸gt wird und von der alten nicht mehr unterschieden werden kann. Auch in der Technik k”mpft man damit: es ist schwierig, Information und Rauschen zu unterscheiden. Einmal zusammengekommen, werden sie eins. Mathematisch gesehen, kann man Information und Rauschen nicht voneinander trennen, sie sind zu sehr miteinander verwandt. Der Prozeþ der Interpretation scheidet sie wieder - bis jetzt durch Menschen. Selbst dein Cassettenrecorder hat schon dolby und dynamic noise limiting, es bleibt ein durch Menschen eingef¸hrtes Konzept: das Rauschen eben nicht. Stell dir vor, du nimmst eine heranrollende Welle am Strand auf. Was tun die Filter damit? Dem Klang nach, ist es erhebliches Rauschen. Was f¸r eine Information ist das, und welche Prozesse der Trennung willst du anwenden? Du kannst dem selbst eine ganze Portion Rauschen hinzuf¸gen, ohne, daþ die heranrollende Welle verschwindet. Die Welle ist offenkundig sehr rauschbest”ndig. Selbst, wenn du mutwillig Deformation anwendest, denke ich, daþ sich die Menge der Information, die die Menschen aufspieþen, nicht ver”ndert. Es bleibt die gleiche Menge an Bedeutung anwesend. Ich glaube an die Existenz von Gleichgewichten. Wenn du das Rauschen von einer Stelle zu verdr”ngen weiþt und alle Andacht darauf konzentrierst, wird das Rauschen an anderen Stellen um so st”rker. Daraus l”þt sich zum Vergn¸gen die Lehre ziehen, vor allem, weil es einen so breiten Horizont hat, daþ man es nicht tief genug durchdringen kann, w”hrend das analytische Denkverm–gen Grenzen setzt, die nicht ¸berschritten werden k–nnen. Was ist die virtuelle Wirklichkeit ? Reinout: Das beginnt nat¸rlich mit den Computerspielen, die so allm”hlich bekannt sind. Umgebungen, in denen man Punkte holen kann. Ein bewegender Bildschirm mit m–glichst vielen huschenden Sachen und Ger”uschen, um dich aufzusaugen und in eine Sph”re zu ziehen. Im Augenblick sind Entwicklungen im Gange, die den Anschluþ des Menschen an den Computer unmittelbarer machen. So gibt es den data-glove, ein Handschuh, voll mit Sensoren, die die Position der Hand und der Finger erfassen und sie dann an den Computer weitergeben. Bei den ersten Experimenten bewegte eine k¸nstliche Hand auf dem Bildschirm Gegenst”nde, wie St”bchen oder Tassen, genauso wie die Hand das auþerhalb des Computers tat. Eine andere Entwicklung ist das Stereofernsehen, das du als Helm aufsetzt. In ihm befinden sich zwei kleine Miniaturfarbfernseher, die jedem Auge verschiedene Bilder zuf¸hren k–nnen. Wenn die Bilder nur vage unterschiedlich sind, entsteht Tiefe. Mit dem data-glove kann man also die Hand sehr realistisch sehen. Du kannst einem cyberspace beitreten, indem du selbst Handlungen ausf¸hrst. Bis jetzt werden die Bilder, durch die du dich bewegst, noch von anderen erdacht und die Bewegungen sind begrenzt. So wurde cyberspace an kommerzielle Entwicklungspakete angeschlossen, die wir aus der Architektur kennen, und die dem Kunden die M–glichkeit bieten, seinen zuk¸nftigen Raum in 3-D zu durchschreiten und dort nach eigenem Belieben St¸hle, Tische und W”nde zu verschieben. Dieser Raum scheint sich wahnsinnig auszubreiten. Man kann auch existierende R”ume, hier auf der Erde, oder selbst auþerirdische, beibringen. Du hast einen Helm auf dem Kopf und auf dem Dach eines Geb”udes steht eine Kamera, die sich genauso mitbewegt. Ohne sich physisch fortzubewegen, kann man geistig an einer anderen Stelle sein, und dort Wahrnehmungen machen. Stell dir vor, du hast eine Miniaturkamera, die sich ¸ber den Fuþboden deines Zimmers bewegt. Das sitzt dann riesenhaft vergr–þert auf deine Augen. Eventuell hat sie noch eine Miniaturhand, die Salz- oder Staubk–rner bewegen kann. Du versetzt dich so in eine ganz andere Dimension, du wirst ein St¸ck kleiner und kannst so aufs neue dein Zimmer erkunden. Du betrachtest ehrf¸rchtig die Grobheit der Strukturen. Es gibt auch andere R”ume, die erkundet werden k–nnen, mathematische zum Beispiel. Fractals, lebendige Bilder, wie z.B. beim Eiskristall, wo sich die Struktur vom Rand bis zum Innersten unendlich wiederholt. K¸nstliche Landschaften, die als unm–glich betrachtet werden, aber doch sehr nat¸rlich r¸berkommen. Dieses Ph”nomen aus der Chaosforschung kann mathematisch beschrieben und seit kurzem auf dem Computer hergestellt werden. Ein anderes Bild entsteht, wenn man der Fractalformel den Zufallsfaktor Rauschen zuf¸gt. So wird ein Raum generiert, den man gigantisch erkunden und in dem man wahnsinnige Eindr¸cke sammeln kann. Nicht mehr, wie bei den Computerspielen auf das Punktesammeln oder T–ten von Gegnern, die die ganze Zeit von oben auf dich niederkommen, versessen, sondern auf das Sammeln von Erfahrungen. Zuk¸nftig wird so ein Handschuh auch mit einem Motor versehen werden. Der dataglove nimmt dann nicht nur die Position deiner Hand ein, sondern gibt auch Gegenkraft, wenn du etwas anfaþt. Auf diese Weise kann es auch f¸hlbar werden. Toek: Die virtuelle Realit”t, die wir inoffizielle Wirklichkeit nennen, befindet sich nicht allein im Computer. Ein gutes H–rspiel kann Menschen schon in eine andere Realit”t bringen. Das kann man auch mit Dekors und Installationen erreichen. Wir richten einen Raum ganz anders ein. Das ist sehr abh”ngig vom Einf¸hlungsverm–gen und der Fantasie des Wahrnehmenden. Bei unseren fr¸heren Installationen, wie in den Kellern vom Paradiso, einem Veranstaltungsort in Amsterdam, haben wir ein virtuelles Raumschiff geschaffen. Fast niemand hat es so erfahren, auþer den Operatoren, die mit dem DFM-Ger”uscheschiff unterwegs waren. Der offizielle cyberspace wird sich in enormen Groþrechnern befinden, die miteinander verbunden sind. Das wird exorbitante Betr”ge kosten, obwohl es ihn schon immer und ¸berall gab. Der Mensch hat durch die Jahrhunderte hinweg allerlei Instrumente entwickelt, um andere Realit”ten zu beschauen, zum Beispiel mit dem Teleskop, Mikroskop, Infrarot, Fernrohr, R–ntgenger”t, Sonnenbrillen etc. Theater ist wahrscheinlich einer der ”ltesten Formen der k¸nstlichen Wirklichkeit. Wir selbst k–nnen nun die Apparatur bauen, um K¸nstlichkeit interaktiv zu machen. Keine Brille, kein Handschuh, kein Datasuit, aber ber¸hrbare virtuelle Umgebungen, die lebensgroþ sind und auf deine Anwesenheit mit Handlungen reagieren. Virtual reality ist ein Bewuþtseinszustand. Es ist schon lange eine Diskussion im Gange, was Realit”t ist und inwieweit sie f¸r jeden dasselbe ist. Du kannst deine Realit”t so technologisch repr”sentieren, wie du willst. Unsere Wirklichkeit nennen wir inoffiziell , weil die Gesellschaft sagt, das geht nicht, was wir wollen. Wir verf”lschen bis jetzt die virtuelle Realit”t, aber was ist der Unterschied zwischen Wirklichkeit und F”lschung, wenn man ihn nicht mehr sieht? Die geschaffenen Realit”ten erscheinen so wirklich, was sie auch sind. Wir sitzen auf der Grenze und k–nnen in beide Richtungen Ausfl¸ge machen. Eine ganze Gruppe Inoffizieller ist damit besch”ftigt, und das Arbeiten am International Network Europe beabsichtigt, die Menschen zu vernetzen. Uns interessieren die technischen Beschr”nkungen und Grenzen der Kommunikation, die wir im Bereich der Musik, Bilder und T–ne untersuchen. Alle Technik ist begrenzt, es macht die Kan”le enger. Sprache ist auch so eine Technologie. Wir fragen uns immer wieder, warum wir nicht r¸berkommen. Wie ist das Verh”ltnis zwischen den Ger”uschen und Computern? Reinout: Es ist ziemlich schwierig, dem Computer Rauscht–ne zu entlocken. Es wird viel mit Computerprogrammen gearbeitet, um Zufallszahlen zu generieren. Wenn du damit Bearbeitungen ausf¸hrst, weiþt du, daþ auf mehrere Milliarden Versuche doch einmal das gleiche Muster dabei herauskommen muþ. Du kannst es solange treiben, bis es dich nicht mehr st–rt. Das Gegenteil vom Zufall ist ja gerade die Wiederholung. Mit dem Computer produzierst du also immer –fter Wiederholungen und eleminierst so den Zufall. Ich neige dazu, Ger”usche aus einer nat¸rlichen Quelle zu holen. Transistoren rauschen zum Beispiel immer, und dieses Signal kannst du dem Computer zuf¸hren, in Bildern umsetzen und dir dann mit der Maus, die am Computer h”ngt, einen Weg bahnen. Auch dann hast du einen cyberspace, der entdeckt werden kann. Zur Zeit kombiniere ich Zahlen mit Rauschen und mache davon Bilder. In einem Fractal kehrt immer dasselbe Muster zur¸ck. Das l”þt an eine Schneeflocke denken. Wenn man sie mit einem Vergr–þerungsglas betrachtet, findet man eine Struktur. Schaut man tiefer mit einem Mikroskop, so sieht man genau dieselbe. Neue Computer geben f¸r diese Art Untersuchungen viele M–glichkeiten, weil man ein bewegendes Bild generieren kann. Die Zeit wird ineinander gedr¸ckt. Es entsteht ein Spielfilm, auch wenn man nichts tut. Das Rauschen hat die gleiche Eigenschaft wie der Fractal: wenn du ihn vergr–þerst, oder verkleinerst, bleibt nur das Rauschen und man sieht pl–tzlich die Struktur der Quelle. So wie beim Computer, wo du irgendwann auf die Wiederholung st–þt. Das Erlebnis ist wichtiger, als das letztendliche Produkt, denn es ist nicht wiederholbar; es ist fl¸chtig. Du machst es, es rauscht hindurch und du kannst es von neuem aufrufen, es sei denn, du hast es gespeichert. Aber daran habe ich wenig Interesse. Ruft die neue hightech auch andere Erfahrungen hervor? Reinout: F¸r das Sammeln von Sph”ren und Erfahrungen hast du den Computer nicht n–tig. Plattenspieler, Kopierapparate, Rundfunkvideorecorder, Bandrecorder und dergleichen, werden nun zu Schleuderpreisen verkauft. Ich selber habe schon Computer auf der Straþe gefunden. Bei ARTburo nehmen wir sie wieder in Gebrauch, um Sph”ren zu kreieren, eventuell einer neuen Verwendung zuf¸hren. Was von anderen als Mangel betrachtet wird, setzen wir als neuen deformatorischen Effekt ein. Wir f¸gen dem Wert zu, ”ndern die Apparatur, dadurch k–nnen sie auf einmal einen Scherz mehr. Irgendwann b¸ndelt sich das Ganze zu einer Performance. Wir arbeiten an einer Integration zwischen sehr alten und neuen Apparaturen, wir sind keine Hightech-Fetischisten. Wir laden Menschen ein, einer Performance beizuwohnen und einzusteigen. Stimmungen sind sehr wichtig, es ist eine Art Informations¸bertragung, die sehr best”ndig ist. Sie durchdringt einfacher, viel besser, als gesprochene Worte. Wir k–nnen sehr weit gehen und haben auch die Intensit”t vor Augen. Wir wollen Menschen eine weite Reise machen lassen, ob das nun sehr tief geht, oder hart wird, ist von Mal zu Mal verschieden. Wir reiben uns an moralischen Aspekten. Uns stehen Techniken zur Verf¸gung, die eventuell gef”hrlich sind. Man kann tiefe T–ne h–ren, die imstande sind, Teile des K–rpers zu zerst–ren, oder starke magnetische Felder ausstrahlen, wovon wir selbst keine Idee haben, was sie anrichten - das versuchen wir aber explizit zu vermeiden. Das Reisen im Raum, so wie wir das tun, kann eine sehr individuelle Angelegenheit sein, weil wir versuchen, dich mit ganzer sensorischer Gewalt zu vereinnahmen. Wir sind nicht sehr stark in die vorhandenen kulturellen Str–mungen involviert. Wir empfangen Impulse, machen aber gerne unsere eigenen Sachen. Wir m–chten eine positive Ausstrahlung haben, obwohl es sehr schwierig ist, denn wir sind sehr anspruchsvoll und der H–rer muþ sehr geduldig und aufmerksam sein. Du kannst eine spannende Reise machen, ohne davon depressiv zu werden. Intensit”t ist nicht identisch mit Negativit”t. Wie war das mit Euren Auftritten? Toek: Ich wohnte in der –stlichen Bergwerksgegend und spielte in der Punkband The Spoilers . In dieser Zeit kaufte ich mir einen Verst”rker, Cassettenrecorder und Plattenspieler und setzte es auf den linken Radiokanal, klassische Musik zum Beispiel, steckte auf den rechten Kanal meine Gitarre ein und begann zu spielen. Ab und zu dr¸ckte ich auf den Pausenknopf, und begann mit Ger”uschen zu experimentieren, basierend auf Punk, eben alles sch–n kaputt machen. Als New Wave aufkam, habe ich versucht, eine neue Waveband aufzubauen, aber die Musiker, mit denen ich spielte, hatten die gr–þte M¸he, sich vom Rock loszusagen und spacy, oder minimal sounds zu machen. Nach ein paar Reisen bin ich nach Amsterdam gegangen und da hat es dann wirklich angefangen. Jemand aus meinem Haus saþ auf der Kunstakademie. Die machten da ein Fest mit dem Thema Krise ab den zwanziger Jahren. An Punk hatte noch niemand gedacht, obwohl das doch auch eine Krisenerscheinung ist. Mein Hausgenosse frug mich, ob ich eine Punkband w¸þte. Ich sagte, wir k–nnten auf der Stelle eine gr¸nden. Wir holten ein paar Freunde zusammen und gr¸ndeten The Skronts . Wir durften nicht auf dem groþen Podium spielen. Wir muþten uns ¸ber eine Treppe stellen. Vor uns spielte ein Salonorchester, aber die h–rten nicht auf. Daraufhin legte ich eine Cassette mit Polizeisirenen und den Ger”uschen von Rammpf”hlen beim Bau der Stopera, dem Amsterdamer Rathaus/Oper, dessen Bau eine Geschichte des militanten Widerstands ist, auf. Es entstand Aufregung. Wir hatten ein ÷lfaþ ans Treppengel”nder gebunden, auf das jemand mit riesigen Keulen h”mmerte. Schon nach der dritten Nummer kam jemand, der sagte, wir sollten aufh–ren. Sie schalteten den Verst”rker aus, wir ihn wieder an. Nachdem wir das ein paar Mal wiederholt hatten, drehten sie den Strom ab. Wir sollten aufh–ren, aber wir trommelten weiter, bliesen auf Schiedsrichterpfeifen und entfachten ein Feuerwerk. Sie dachten, daþ wir den Laden abreiþen wollten, w”hrend wir doch nur demonstrierten, was Krise ist. Danach sagte man: Nie wieder! . Aber gleichzeitig wurde bekannt, daþ die Rietveldakademie drei Monate sp”ter im Paradiso ein Fest mit dem Titel Heftig veranstalten wollte. Wir ver”nderten unseren Namen in The Haefties . Dort war es nat¸rlich ¸berhaupt nicht heftig, aber wir brannten darauf, unsere Heftigkeit zu zeigen. Wie beim ersten Mal, wollte auch diesmal der Musiker vor uns nicht aufh–ren und wurde w¸tend von der Treppe geschubst. Ich hatte ein Brotmesser an meine Gitarre gebunden, so eine Art Bajonett. Wir wollten auf die Instrumente schlagen, wenn die Installation ausgeschaltet werden sollte. Wir hatten zwei S”ngerinnen, einen S”nger, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Zur H”lfte der ersten Nummer vergiþt der S”nger seinen Text. Zum Ende wirft er St”nder und Mikrofon ins Publikum, wo einige Freunde von ihm standen und es auffingen, mit einer Kneifzange den Draht durchschnitten, das Mikro in ihre Tasche steckten und zum Ausgang liefen. Die hatten schon ein Band, aber noch kein Mikrofon. Der PA-Mann sah das auch und hatte den Punkie gleich in seinen Klauen. S”nger auch weg. Fantastisch, es konnte ¸berhaupt nicht besser kommen. Es traf nun die zwei S”ngerinnen, aber die kamen nicht nach oben, weil sie in einem anderen Frequenzbereich saþen. Dann ging auch ich singen, aber wenn ich singe, kann ich nicht Gitarre spielen und wenn ich Gitarre spiele, kann ich nicht singen. Der Bassist spielte v–llig andere Nummern. Der Schlagzeuger h–rte nichts und klapperte vor sich hin. Die Gitarre wurde noch h–her gedreht, nur Pfeift–ne. Es gab noch eine Performance mit einem Suppenhuhn, das auf dem Podium lag. Ich trat es in den Saal und die Punker spielten damit Fuþball. Es war eine chaotische Masse. Zu einer bestimmten Zeit ging der Strom aus und wir begannen wieder zu trommeln. Niemand hielt uns auf. Aus diesem Auftritt ist das Art-Haefties-Prinzip entstanden, daþ man einfach mit dem fortfahren muþ, was man sich vorgenommen hat. Als der Punk vorbei war, ging es mehr um Kunst, im weitesten Sinne des Wortes. Wenn wir Kunst machen, machen wir Kunst und niemand h”lt uns auf, und wir tun es so, wie wir das wollen. Die Einfl¸sse sind immer noch in unseren Performances, obgleich wir jetzt wieder sehr zivilisiert sind, uns beteiligen und Respekt vor der Arbeit der anderen haben. Wie sahen eure Performances aus? Es begann in der Conradstraat. W”hrend einer der Conradfestivals hatten wir einen leeren Raum mit S”ulen zu unserer Verf¸gung. Wir bauten ein Labyrinth aus schwarzem Plastik, ein Wegnetz, in dessen Mitte ein Kontrollraum war, zu dem das Publikum keinen Zutritt hatte, uns aber sehen konnte. In diesem Raum standen die Heimstudios, von allen, die mitmachten. Wenn du hereinkamst, sahst du zuerst ein lebendes Bild, das die verstorbene Gesellschaft des postatomaren Zeitalters darstellte. Wir hatten eine Sandfl”che mit industriellem Schutt kreiert. Eine Landschaft nach einer Kernexplosion, die Gedanken waren nun frei. Da sollten, an Heizungsrohren kauende, nackte, mit Lumpen umh¸llte Menschen an einem Feuer sitzen. Die Performer kamen nur, um ihre Verzehrbons abzuholen, danach wurden sie nicht mehr gesehen. Das tableau vivant blieb also tot. Dann kam man in einen langen Gang, an dessen Ende ein schlechtes Videoger”t hing, auf dem nur St–rung zu sehen war. Aber f¸r das deformatorische Prinzip war das gut. Wenn man durch den Gang lief, blies sich das Plastik durch den Wind auf, den man verursachte. Wo man lief, wurde der Gang also schmaler. Links davon war die mentone , eine Galerie der Kunst nach der Atomkatastrophe. Das waren leere Bilderrahmen und vergoldete Zierrahmen. Im Raum stand ein Turm, eine Pyramide TVís, die grob aufeinandergestapelt und auf Rauschen gestellt waren, sowohl das Bild, als auch der Ton. Man kann auch sagen, ein Tonberg. Daneben war eine Pyramide aus Aluminiumfolie. In ihr stand ein Cassettenrecorder mit einer Lupe und produzierte T–ne. Es gab auch zwei Lautsprecher, an denen zwei eingestellte Synthesizer hingen. Es gab eine enorme Schallwelle. Danach kam man in den eigentlichen Raum, den wir steuerten. In dem Raum standen vier groþe Farb-TVís, an denen vier Lautsprecher und vier Videosignale angeschlossen wurden. Sie waren miteinander verschaltet, so daþ das Signal herumlief. Wenn man auf die TVís schaute, entstand Blitz, Blitz, ein neuer Film. Du konntest deine Augen mit einem bestimmten Rhythmus schliessen, herumdrehen, oder versuchen, dagegen anzugehen. Aber bei allen anderen Rhythmen erzeugte man sehr seltene Effekte. Der Ton lief ¸ber das quadrophonische Tonsystem im Kreis. Mit verschiedenen Geschwindigkeiten, manchmal im, oder gegen den Uhrzeigersinn. Einige waren aus dem H”uschen, lagen, oder saþen in Meditationshaltung, drehten sich, blinzelten, oder schwenkten mit den H”nden vor den Augen. Das war der Beginn einer inoffiziellen Realit”t, in der man auch ohne Drogen high wurde, echte high-tech! Einige gingen in diesem Experiment wirklich mit. Das war auch der Anfang von unserem Raumschiff. Das ist also ein Kontrollraum, aus dem man andere R”ume steuert. Auf dem Post-Conrad-Festival im Paradiso, haben wir das noch einmal getan. In einem alten Stoffladen hatten wir einen Kontrollraum aufgebaut. Unsere Installation hing in der Halle. Es waren Bilder der Conradstraat zu sehen, mit Aufnahmen des Festes, Bands, die kurz zuvor gespielt hatten, oder gerade noch spielten. Dasselbe galt f¸r die T–ne, die wir live, verz–gert, oder bearbeitet, durchschalteten. Danach ging es sehr diszipliniert weiter. Wir waren dominant, aber sublim anwesend, ab und zu st”rker und manchmal unmerkbar. Wir beteiligten uns í89 im Paradiso an der ICATAKonferenz ¸ber den alternativen Einsatz der Technologie. Mitten im Saal war eine Luke. Wenn man die –ffnete, kam man in den Keller. Dort saþen wir, weil man glaubte, wir w¸rden nicht so richtig ins Bild passen. An einer Leiter hatten wir ringsherum Monitore gesetzt, ein Video-Gully. Menschen sahen sich selbst, oder die Situation von vor einer Stunde, Computerkunst, auf zehn Kan”len gleichzeitig. Daf¸r hatten wir extra eine Schalterbox gebaut. Aus dem Loch kam ein Kabelb¸ndel hervor, unsere Verbindung mit der P.A., dem Videobeam, auf dem wir ab und zu zu sehen waren, und das Computernetzwerk. Am Kabelwirrwarr hingen zwei Mikrofone und eine Apparatur, die das Signal um das f¸nfzigfache verst”rkte, und zwei Superohren, mit denen wir in die entlegensten Winkel hineinh–ren konnten. Ab und zu hielten wir eine Kamera, die an einem Pfahl befestigt war, aus dem Loch. Unten standen ein paar roboter”hnliche Mutoiden, die uns von Freunden der Mutoid Waste Company zur Verf¸gung gestellt worden. Es folgte ein Gang mit blauer Beleuchtung, in dem eine laboratoriumsartige Atmosph”re herrschte, gel–st von dem, was da oben passierte, aber dennoch verbunden. Menschen spielten Videogames, arbeiteten am Computer, erstellten Tonmischungen, oder L–teten. Es war eine echte Informationsverarbeitungsmaschine. Wir arbeiten mit den Texten, ohne sie zu lesen; du manipulierst die Information, ohne daran beteiligt zu sein. Lesungen zuzuh–ren finde ich total sinnlos. Bestimmte Schl¸sselw–rter, die den Stand der Dinge wiedergeben, extrahieren wir. Die Verpackung ist nicht so interessant, sie beschr”nkt sich durch die Eigenartigkeit des Menschen. Bei absoluter Stille, hing alles am Kopfh–rer, aber bei unseren Ger”uschen machte sich das Raumschiff davon. Fliegende Ger”uschteppiche, auf den Monitoren verz–gerte Bilder aus Sciencefiction-Filmen, ein laut l”rmendes Durcheinander. Dann sind die Operatoren auf dem Weg und es ist sehr interessant zu sehen, ob und wie die Besucher sich darauf einlassen. Kann das Publikum noch mitfliegen, wenn das Raumschiff einmal unterwegs ist? Diese Manifestationen waren in der Tat nicht so publikumsorientiert, obwohl jeder Zugang hatte, Fragen stellen und Antr”ge einreichen konnte. Daneben machten wir Theater vom Podium aus. Es begann mit der Vorstellung Underground im Bunker der Metrostation Weesperplein. Da haben wir acht Performances gemacht, die sehr individuell waren. Es war ein, aus einem Kontrollraum gesteuerter, Parcours, in dem sechzig, von einem W”rter begleiteten Menschen, durch das Licht und die Ger”usche gef¸hrt wurden. Allen Plunder, den wir im Bunker fanden, hatten wir auf das Podium geworfen, auf dem eine alte Frau stand und darin herumgrabschte, auf der Suche nach brauchbaren Sachen. Dort fand sie eine Mumie und begann sie aufzuwikeln. Es kam ein silberner, beleuchteter Raumfahrer zum Vorschein. Er fragte sie nach dem Weg und verschwandt dann wieder. Die Beleuchtung war so grell, daþ es schien, als ob er durch eine unsichtbare Mauer liefe. Okay, die n”chste Performance. Auf den Keulen eines Jongleurs sind Blitzrr–hren von Fotoapparaten montiert, die stroboskopische Effekte verursachen, die Szene ist untermalt mit indianischer Samplermusik. Er reizt das Publikum weiter. Das Sicherheitspersonal riegelt den Ort ab und wir sehen Plexiglasr–hren mit Halogenlampen, die untereinander in Verbindung stehen. Wenn du so einen Lichtstrahl durchbrichtst, wird ein Soundtrack h–rbar. Die S”ulen ragen aus dem Rauch, der in den Raum gepumpt wurde, empor. Dann kommen die T”nzer, in einer aus Autoreifen gebastelten Gummikleidung. Sie produzieren ihren eigenen Ton, indem sie die Lichtschranken unterbrechen. Danach erscheint eine sehr h”þliche, bucklige Frau, die eine Arie singt und ab und zu ganz scheuþlich schreit. Sie dr¸ckt den Schmerz und Ÿrger des Lebens aus. Es ist sch–n und scheuþlich zugleich. Sp”ter sieht man noch einen mittelalterlichen Krieger, ein heftiges Kriegsritual und eine futuristische Maria-Prozession, zuviel, um es zu beschreiben. Die Atmosph”re war dann noch sehr postnuklear, obgleich das gegenw”rtig schon wieder abnimmt... Zusammen mit Deux Ex Magina , organisierten wir im Sommer 1990 eine Vorstellung unter dem Namen Tekno Tribe . Ein Volk, das durch Zeit und Raum reist und aus diesen Zeit/R”umen wieder auftaucht. Es kommt mit Raumschiffen, erscheint und verschwindet unter der Erde, dem Wasser, in der Luft, willk¸rlichen Zeit-Raum Koordinaten. Mitten auf dem Wasser hatten wir auf zwei Kanalbooten eine Konstruktion errichtet, eine mittelalterlich anmutende Schmiede, bemannt mit Kriegern und Mad-Max ”hnlichen Figuren. Wir hatten einen enormen Blasebalg, eine Feuerstelle und einen groþen Amboþ gebaut, dahinter eine Br¸cke, auf der Musikanten standen. Die Musik komponierte die tribalnoise Gruppe Het Zweet aus Breda, die mit leuchtenden gr¸nen Overalls und Gummimasken, metallische Maschinenteile bespielten. Auf der Seite des Bootes standen zwei riesengroþe h–lzerne Kettenr”der, auf die wir Rasseln gesetzt hatten. Auþerdem hatten wir Kontaktmikrofone aufgestellt. Zuerst waren nur Live-T–ne zu h–ren, keine vorbearbeiteten T–ne, keine Samples, Synthesizer, oder B”nder. Nur verst”rken und filtern, das ist unser neuer Trend. Damit kann man sehr weit gehen und hat absolut genug Spielraum. Das Ziel war eine Kadenz, was uns auch gelang. Die Vorstellung beginnt im Dunkeln. Das Publikum, daþ auf Booten ankommt, sieht bei hintergr¸ndigen Hafenlichtern eine Zeit-Raum-Klingel, wo irgendwas anderes passiert. Als die Boote in 50 Meter Abstand angelegt haben und die Motoren aus sind, beginnen sich die Kettenr”der zu drehen. Wasserklatschen. Langsam gehen die Lichter an und wir entz¸nden an zwei Seiten riesige Feuerschalen. Wir bleiben statisch stehen. Die Idee war, allein die notwendigsten Handlungen zu verrichten. Dann wird das Schmiedefeuer entfacht. Als das Feuer die richtige Temperatur hat, wird eine groþe metallende Scheibe hineingelegt. Inzwischen kommen die Trommler in Gang. Es ist eine Ausdauer-Performance , durchhalten, bis du denkst, daþ es nicht mehr geht. Es muþ etwas passieren. Noch eben durchhalten - und dann erst tust du was. Das Objekt kommt aus dem Feuer und wird auf dem Amboþ gelegt. Mit zwei schweren H”mmern dreschen wir auf es ein. Nach dem zehnten Schlag ist das Kontaktmikrofon entzwei. Dann h–ren wir auf und der Blasebalg bewegt sich wieder. Das Objekt geht ins Feuer und wieder auf dem Amboþ. Inzwischen manifestiert sich der H–hepunkt, der Ger”uschpegel steigt betr”chtlich. Minimale Bewegung. Zum Schluþ entladen wir uns, leider bricht auch der Stiel eines Hammers. Wenn die Klimax vorbei ist, hat das Publikum wirklich etwas miterlebt, obwohl w”hrend des Spiels absoluter Stillstand herrscht und auch keine teuren Instrumente eingesetzt werden. Ein minimales Produkt mit maximalem Resultat. Danach streben wir. Das Gef¸hl ist essentiell, darauf muþ man einwirken, das ist Theater. Mehr, gr–þer und besser, ist nicht notwendig. Die Atmosph”re ist unser Produkt, und wie die erreicht wird, ist nicht wichtig, wenn sie nur erreicht wird. Bei unseren Performances treten zwei Verformungen auf. Als Organisierende k”mpfen wir mit der technischen Problematik. Verabredungen werden nicht eingehalten, Gegenst”nde gibt es nicht, wir haben vergessen, Sachen zu reparieren, St–rung. So kann etwas neues entstehen, was wir selbst noch nicht bedacht haben. Brummende Ger”usche, oder Unterbrechungen k–nnen sehr sch–n sein. Auþerdem wenden wir Verformungen an. F¸r die Gesellschaft und die anderen, ist Verformung etwas, was man bek”mpfen muþ. Das muþ verschwinden, so etwas kann man nicht machen. Wenn wir uns daran hielten, k–nnten wir gleich aufh–ren. Wir wollen das Publikum losl–sen, sie sollen nicht mehr im gleichen Raum sein, in dem sie einstiegen. Das ist Verfremdung. Im Theater sieht man, daþ sie eine B¸hne so einrichten, daþ eine v–llig andere Stimmung entsteht. Aber man sitzt noch immer in einer Stuhlreihe. Man bekommt noch genug Information aus der Umgebung, obwohl alles nicht wirklich ist. Wir entfernen die Distanz, die Menschen m¸ssen mittendrin sitzen. Wir haben technische Effekte, womit wir bestimmte Erwartungshaltungen st–ren. Unser Tonbild zum Beispiel, steht nie still. Es ist definitiv quadrophonisch, am liebsten phonisch. Es zirkuliert und rotiert. Das h–rt man nicht, man merkt es nur. Wenn die Performance beginnt, m¸ssen auch die Organisatoren davon freikommen. Wenn der Betrieb losgeht, m¸ssen sie mit der Maschine Einswerden. Sie m¸ssen tats”chlich mit Ton und Bild Einswerden, ihr Handeln hat den Effekt und andersherum hat der Effekt ihre Handlung zur Folge. Was sind eure letzten Radioarbeiten? Toek: Kurz vor der Europa gegen den Strom Manifestation , die in der B–rse von Berlage, einem Ausstellungs- und Veranstaltungsraum in Amsterdam, stattfand, saþ ich im Studio vom seligen Radio Dood und bastelte herum. Das war in der Zwischenphase, es hieþ noch nicht Patapoe. Ich strahlte t”glich Testsendungen aus, also dachte ich: das k–nnen wir an diesem Tag auch tun. Um sieben Uhr morgens begannen wir als Radio Action einen achtzehnst¸ndigen Marathon. Wir konnten mit dem Radio 100-Signal weitersenden. Die Leute in der Beurs, wo auch ein Sender stand, unsere Leute machten da Aufnahmen, riefen uns an. Wir schleppten G”ste ins Studio und frischten dr–ge Interviews mit Tonmischungen auf. Deutsche, Schweizer, Franzosen, Spanier und Italiener kamen vorbei, sehr gem¸tlich. Die internationale Attit¸de entstand bei uns spontan. W”hrend die anderen Veranstalter die gr–þten technischen und organisatorischen Probleme erlebten, keine guten Kontakte mit dem Ausland zustande bringen konnten und von einer Diskussion ¸ber das Eintrittsgeld geplagt wurden. Niemand hatte dort die Kontrolle ¸ber das Signal. Wir dagegen hielten keine Versammlung ab und hatten genug Apparatur, um die Leute ihren Gang gehen zu lassen. Die Informationsmenschen erlebten dort eine groþe Krise, w”hrend unsere Deformation ein groþer Erfolg war. Danach erschien John Turbo, ein Typ, der auf dem Patapoe Radio aussendet, jeden Montag ab Mitternacht. John Turbo ist viel zu schnell f¸r die H–rer, viel zu weit. Er weiþ das und das ist auch absolut nicht schlimm. Fr¸her hatte er Probleme damit, aber er weiþ, daþ er mit der Zeit doch Menschen erreicht, irgendwo. Er sitzt in einer Art virtueller Realit”t, wie ein japanischer Otaku. Er ist von der Apparatur umgeben. Man kann ihn per Telefon, Computer, Bildtelefon, Fax erreichen. Er kann alles miteinander verbinden, alle Signale dazuholen, er kann alles tun, es kann wirklich alles passieren. Nur die H–rer k–nnen da nicht einstimmen, die sind da soweit von entfernt, daþ John Turbo ganz alleine in seiner inoffiziellen Realit”t sitzt. Gegen besseres Wissen fordert er –fters Menschen auf, seine M–glichkeiten zu nutzen, aber es kommt keine Antwort. Er l”þt sich dadurch nicht st–ren und macht munter weiter. Er pr”sentiert weiterhin flott, legt sch–ne Platten auf und wirft hundertmal das Ruder herum, wenn er Lust dazu hat. Das Programm kann ganz abdriften, wie es heiþt. John Turbo ist absolut nicht in den Griff zu kriegen. Er beginnt meistens mit einer Stunde abwechslungsreicher Musik, die er als European Music pr”sentiert, mit lookback on Dutch music histery . Das Ganze ist ein international program specially for tourists , weil es die Amsterdamer Bev–lkerung kein biþchen interessiert, die kennen das schon, gehen aus, sind m¸de von der Arbeit. John Turbo rechnet damit, daþ die Touristen ¸ber das Band radeln, und die Frequenzen absuchen. Er hat ein ganzes Paket mit Erkennungsmelodien und spricht englisch. Die Musik variiert von altem englischen Punk und New Wave bis zu deutschen, italienischen und spanischen Kl”ngen. Ein Lockmittel, das benutzt wird, um in den folgenden Stunden Werbung zu machen. In der zweiten Stunde kommt ein Gast zu Wort, der ¸ber Netzwerke und Computer spricht. Ein lebhaftes Gespr”ch mit einem willk¸rlichen Gast. Man kann nicht mehr zwischen wahr und unwahr unterscheiden. Ist es unwirklich, so ist es ein St¸ckchen Wahrheit. Owohl es echt ist, ist es eine grobe L¸ge. L”ssig werden die meisten intensiven Sachen niedergewalzt und auf die belanglosesten Sachen intensiv eingegangen. In der dritten Stunde kommt der alte DFM-Stil wieder. Cutups der vorherigen Stunden, Mixes, oder, wenn er keine Lust hat, die besten B”nder aus dem DFM-Archiv. Er versucht, den Zeitfaktor aus den B”ndern zu entfernen, so daþ sie immer gespielt werden k–nnen. Ich weiþ nicht, wie lange so ein Charakter noch existiert, wenn man alles gibt und nichts zur¸ckkommt... Aber John Turbo wird sich nie leerlaufen, es gibt genug Zukunft, die er nach dem Hier und Jetzt bringen kann. Neulich tauchte er nicht mehr auf. Man sagte im Radio, daþ er Schwierigkeiten h”tte, aus dem cyberspace zur¸ckzukehren. Das ist doppelsinnig. Wenn er nicht in der Radiorealit”t sitzt, sondern irgendwo anders herumlungert, kann man sagen, daþ er in einer anderen Realit”t festsitzt, oder keine Lust hat, da herauszukommen. Die Patapoe-Direktoren konnten ihn da jedenfalls nicht herausholen. Diesmal schwebte John Turbo mit seinem Raumschiff ¸ber die TeknoTribe-Vorstellung. Es war der Teknoaspekt, der in der Performance fehlte, wahrscheinlich, weil er unsichtbar war. Was sind die Ziele des ARTburos? In der Philosophie des ARTburos ist man sein eigener Boþ. Arbeit und Freizeit muþ man miteinander verbinden k–nnen. Tun, was du sowieso tust, und daraus deinen Beruf machen. Das B¸ro ist eine gesch¸tzte H¸lle, die f¸r Ordnung und gesellschaftliche Kontakte sorgt. Es handelt mit der offiziellen Realit”t. ART steht f¸r das Entgegengesetzte: Freiheit und Chaos, alles kann und nichts muþ. In den sechziger Jahren entdeckte man, daþ die Spezialisten auf ihr eigenes Gebiet fixiert waren und dadurch in ihrer Entwicklung beschr”nkt werden. Damals entstand die Kybernetik, das Mischen von diversen Technologien und Wissenschaften. So kann zum Beispiel das Wissen aus der Biochemie und der Mechanik einer Performance zugute kommen. Das ARTburo sucht schon seit Jahren einen Raum, um all seine diversen Aktivit”ten unterzubringen, wo wir Radioprogramme machen k–nnen, experimentelle Videos, Dokumentationen, Statuen, Roboter, Dekorationen, Netzwerke und den Rest. Eine Halle, wo wir mit unseren Autos reinfahren k–nnen, wo Flaschenz¸ge h”ngen, schwere Metalle aufgeladen werden, Studios, ein Saal f¸r Lesungen und eine offene Akademie, an der man Kurse belegen kann. Leute vom ARTburo m¸ssen da auch wohnen, um das Engagement zu garantieren. Die Leute, wo wir bis jetzt angefragt haben, sahen so ein Maloch auf sich zukommen, daþ sie abwinkten. Das ARTburo ist lange Zeit virtuell gewesen. Als die Leute an unsere papierene Existenz glaubten, bekamen wir Einladungen. Jede Aktivit”t, die daraus folgte, machte uns reeller und nun sind wir in der echten Realit”t angelangt. Hallo. W”hrend der Wetware-Konferenz war eine Demonstration des Deformulators zu sehen. Was ist das f¸r ein Computerprogramm? Chris: Es ist ein total nutzloses Programm. Der Deformulator kann Texte zusammenstellen und analysieren. Jeder willk¸rliche Artikel, oder jedes Textfragment, kann als Vorbild dienen. Das Programm f¸gt dem Stil des Vorbildtextes T–ne hinzu. Das Endresultat kann bei einigem Abstand genauso aussehen wie der urspr¸ngliche Text. Und trotzdem ist es Unsinn. Das Resultat sieht nicht wie ein Extrakt oder Zitat aus, sondern vermittelt ein Bild des Anfangtextes. Es bringt eine Sph”re her¸ber, von dem, was da irgendwann einmal stand. Der Deformulator ist in Pascal geschrieben und basiert auf Travesty (Byte 1984). Er merkt zum Beispiel, daþ hinter einem o, noch ein o vorkommen kann. Diese Analyse macht er von allen Kombinationen, die im vorliegenden Text vorkommen. Diese Resultate stehen in einer groþen Tabelle aller m–glichen Reihenfolgen von Buchstaben. Ein beliebiges Zeichen wird in der Tabelle aufgesucht und durch einen willk¸rlichen Nachfolger, der gem”þ der Chancenverteilung in der Tabelle steht, ausgetauscht. Beim Start des Programmes werden erst Parameter eingef¸hrt, die bestimmen, wie groþ das Produkt wird und mit wie vielen Buchstaben hintereinander zu rechnen ist. Nehmen wir zwei, dann entsteht absoluter Unsinn. Bei f¸nf oder sechs kann man in den Wahn geraten, es mit einem authentischen Text zu tun zu haben, weil immer Teile von f¸nf oder sechs Buchstaben aus dem Originaltext vorkommen. Das frappante am DeForMulator ist die spezifische Signatur des Autors, die, trotz der Reise durch den Tonfilter, erhalten bleibt. Ein Text bar jeglichen Sinns, aber mit Stil. Schaut man sich den rollenden Text an, so entsteht augenblicklich der gleiche Eindruck, wie beim Konsumieren der Tages- und Wochenbl”tter. ªOh, es geht um Osteuropa´, bl–de Kolumnen und gemischte Berichte. Ich kann ein Beispiel von einem Bilwettext, der durch den Deformulator gelaufen ist, angeben: ªDer K¸nstler der Menschenrechte, der muþte, wird man verzaubert, zur Maþnahme, in den Kader der Bestien, ¸bergehen, startete einen Gem¸tsangriff, wurde abriþs¸chtig und sank fragmentiert. Die Idee, daþ das ideologische, technologische und chemische Ambiente der 80ziger Jahre f¸r einen folkloristischen Nihilismus und Antistalinismus so eine Ahn-ung gaben, wird in der Begrenzung der abbruchs¸chtigen Idealisten wiederprofiliert. Eine Gem¸tsandeutung der b–sen Auþenwelt, nach einem sinnvollen Moment im Wahn. Das krasse Auftreten eines kollektiven Tageslichtes, wird zu einem Limit der Ereignisse, damit in der Ðbergabe, W¸rde zu einer furchterregenden Betroffenheit gemacht wird, das Ged”chtnis der Politik.´ Die Idee von Bilwet war selbstredend: Alles was ich will, ist auftreten. Im letzten Jahr ist das Bulletin Board System angelaufen. Was k–nnen die Benutzer davon erwarten? Toek: Eine enorme Skala von M–glichkeiten. Zuerst ist es das Mailboxsystem, was f¸r jeden zug”nglich ist. Jeder hat ein eigenes Postfach, kann Utilities, Spiele, Informationen runter- und draufkopieren, Themengebiete wie Chat, zu kaufen, gesucht u.s.w. Weiter gibt es diverse Unterbretter, die eventuell vollst”ndig von Gasteditoren bearbeitet werden und selbst eigene Boxen sein k–nnen. Es gibt nun Bretter f¸r Poesie, Literatur, Grafiken, Ton und Technik. Dann gibt es das Netzwerkteil. Dieses Niveau ist nur f¸r Leute zug”nglich, die in den freien Medien, Kunst und Technik aktiv sind. Hier findet man nat¸rlich die neuesten Nachrichten ¸ber die Entwicklung des Netzwerkes, einen Kalender mit Ank¸ndigungen von Manifestationen und Ereignissen, Manifesten von Schreibern, K¸nstlern und Organisationen. Daran ist eine Datenbank gekoppelt, ein Informationsbestand ¸ber Spielorte, Organisationen, K¸nstlern, Videos, CDís und Publikationen der niederl”ndischen Undergroundscene. Diese Datenbank wollen wir auf ein europ”isches Niveau ausbreiten. Wir streben danach, ein m–glichst groþes Bild der internationalen Scene, die mit neuen Medien arbeitet, zu erfassen und zug”nglich zu machen. Es wird an einer internationalen Netzverbindung gearbeitet. Das bedeutet, daþ die Operatoren von –rtlichen Mailboxen, in ganz Europa Nachrichtenbretter f¸r das Netzwerk einrichten. Nachts wechseln diese Systeme ihre Informationen aus. Es gibt zwei M–glichkeiten der Benutzung. Die eine ist privat: Hier kann der Benutzer zum Ortstarif Informationen mit einem Menschen aus einem anderen Land austauschen. Die andere ist die –ffentliche Post. Ein –ffentlicher Bericht wird an alle angeschlossenen Mailboxen verschickt und alle eventuellen Reaktionen kommen wieder zum Versender zur¸ck. Es gibt schon mehrere von diesen internationalen Netzwerken, aber dieses widmet sich ausschlieþlich den freien Medien, der Kunst und Technik. ARTburo Heavfties 1e Naussaustraat 22 III, NL-1052 BH Amsterdam Anrufbeantworter: 31-(0)20-6840297 (24 Stunden) Modem:: 31-(0)20-6813225 (24 Stunden) 300/1200/2400 bd 1-n-8 Fax: 31-(0)20-6203297 (24 Stunden) Theorie der souver”nen Medien ªI cue you´ DFM In diesem Zeitalter der medialen Ðberproduktion ist Informationsimmunit”t eine Frage von Leben und Tod. Wenn der Abwehrmechanismus versagt, und der Konsument unter seltsamen Eindr¸cken begraben wird, scheint der Untergang sehr nahe zu sein. Um der l”hmenden Gleichg¸ltigkeit Einhalt zu gebieten, wird eine Mediendi”t verschrieben. Der Druck, der ausge¸bt wird, um fortw”hrend das eigene Weltbild anzupassen und technische Innovationen durchzuf¸hren, bringt den Weltb¸rger in einen permanenten Zustand von Unsicherheit. Der Schaffensdrang desintegriert, so daþ wir nur noch auf das ¸berw”ltigende Angebot reagieren k–nnen. Daten sind nicht l”nger Stimuli des Interesses, sondern feindliches Speerfeuer, gleichsam eine physische Bedrohung bildend. Vom Austausch zur Aus-L–schung: die Kommunikation hat es auf die nackte Existenz abgesehen. Die Medien sind ihrer Unschuld beraubt. Nach dem unb”ndigen Wachstum der 80er Jahre folgt eine Periode der Stagnation. Diese k¸ndigt sich durch die Propagierung einer Mentalit”t der M”þigung an. Von allen Seiten wird uns deutlich gemacht, daþ die Zeit des sorglosen Umgangs mit Information und Bildmaterial vorbei ist. Die Medien und der Datenverkehr m¸ssen sich fortan in ihrer Pr”sentation, ebenso wie die Sektoren der westlichen Gesellschaften, dem Diktat der ÷kologie unterwerfen. Die Umwelt ist mehr als die Bedrohung der Pflanzen und Tiere. Sie entspringt einer Denkweise, die mit abstrakten Vorstellungen der ªEinschr”nkung´ und des ªRecyclings´, die konstruierte Medienwelt als (dritte oder vierte) Natur sieht, innerhalb derer, Wachsamkeit gegen alle m–glichen unn¸tzen Verschmutzungen und sinnlosen Verschwendungen herrscht. Bewuþte Medienkonsumenten meinen, ¸ber ein nat¸rliches Gleichgewicht zwischen der Aufnahme und Verbreitung von Information zu verf¸gen. Nach der euphorischen Bekanntschaft mit den neuen Technologien suchen sie eine Balance zwischen der immateriellen Umgebung, die imagin”re Welten wachruft, und der biografischen Umwelt, in der die eigene Physis verkehrt. Dieses Gleichgewicht wird als notwendig erachtet, um die Pioniere des Datenlandes (die an der elektronischen Front schaffen) vor dem Absturz zu bewahren. Nach der Ekstase der Emanizipationsphase zeigt sich ein Unbehagen der Technokultur, das m–glicherweise einen destruktiven Ausweg sucht. Hohe Erwartungen machen allzu leicht einer groþen Entt”uschung Platz, die den Haþ gegen die Maschinerie sch¸rt. Deleuze und Guattari w¸rden das schlichtweg als Anti-Produktion bezeichnen: Der Ekel, der pl–tzlich bei jenen aufkommt, die sich vom Zeichenstrom haben mitreiþen lassen. Sollte das nun das Drama der Kommunikation sein, (frei nach Alice Miller), daþ wir gegenw”rtig nur noch empfangen und nichts mehr zur¸cksenden? Oder umgekehrt: zuviel Daten in die Welt setzen, ohne auch nur etwas zur¸ckzukriegen? Es entsteht unter den Datenarbeitern das Gef¸hl von Leere und Sinnlosigkeit, die nur zeitweise durch die Einf¸hrung neuer Hard- und Software kompensiert werden kann. Souver”ne Medien schirmen sich gegen die Hyperkultur ab. Sie suchen keinen Anschluþ, sondern sie koppeln sich ab. Dort liegt ihr Ausgangspunkt - we have a lift off. Sie verlassen die Medienoberfl”che, um als Satelliten das Multi-MedienNetzwerk zu umkreisen. Diese T¸ftler verschlieþen sich in einer selbstgebauten Monade, eine unteilbare Einheit introvertierter Technologien, die als Raum ohne Fenster oder T¸ren, die Existenz der Welt leugnen will. Dieser Akt ist eine Leugnung des Prinzips ªIch bin angeschlossen, also existiere ich´. Hierin verbirgt sich kein Verlangen der R¸ckkehr zur Natur. Die barocken Datenumgebungen werden von den souver”nen Medien nicht kritisiert, oder als Bedrohung empfunden, sondern als Material betrachtet, von dem nach Belieben Gebrauch gemacht werden kann. Sie operieren im Jenseits des Sch–nen und Schmutzigen, im M¸llsystem, wo allein das Chaos herrscht. Dieses unbek¸mmerte Graben im universellen Medienarchiv ist keine Managementstrategie, um die festgelaufende Kreativit”t wieder aufzum–beln. Die negativen Medien lassen sich nicht positiv definieren und sind zu nichts gut. Sie erbeten keine Aufmerksamkeit und stellen auch keine Bereicherung der Medienlandschaft dar. Einmal gel–st von jedem sinngebenden Kontext, schalten sie ruckartig von einer Audio-Video-Kollektion auf die andere um. Die sich autonom fortplanzenden Verbindungen generieren einen sensorischen Raum, der sowohl entspannend, als nervenaufreibend ist. Dieses Konglomerat kann nicht mehr als modisches Genre ausgebeutet werden. Alle Daten der Welt formen abwechselnd einen gem¸tlichen Vergn¸gungspark und eine F¸nf-Sterne- Ðberlebenstour der paranoiden Kategorie, in der in unangenehmen Momenten der Humor als rettender Engel herabsteigt, um das Programm aus dem Morast zu ziehen. Anders als die Anti-Medien , denen eine radikale Kritik der kapitalistischen (Kunst-)Produktion zugrunde liegt, haben sich die sourver”nen Medien dem gesamten politischen Gesch”ft und der Kunstscene entfremdet. Ein steigendes, wechselseitiges Desinteresse verhindert jedes Gespr”ch. Man bewegt sich in parallelen Welten, die sich einander nicht bel”stigen. Weder Gegeninformationen, noch Kritik an Politik oder Kunst, sollen zu einem Dialog mit den Autorit”ten f¸hren. Einmal souver”n, werden Medien nicht mehr attackiert, jedoch toleriert und nat¸rlich negiert. Aber diese Uninteressiertheit ist keine Folge der Geringsch”tzung amateurhaften Hobbyismus, oder politischen Infantilismus, es ist sowieso das heutige Verhalten hinsichtlich jeden Bildes oder Ger”usches, das der Welt geschenkt wird. Souver”ne Medien haben einen eigenen Startmotor und brauchen sich nicht gegen¸ber etwaigen Vorg”ngern, oder anderen Medien abzusetzen. Es gibt einen Unterschied im Konzept der alternativen Medien, die nach í68 aufkamen und den autonomen eigenen Medien aus den 80er Jahren. Alternative Medien arbeiten mit dem Begriff ªGegen–ffentlichkeit´ und spiegeln sich an den b¸rgerlichen Medien. Diese m¸ssen korrigiert und erg”nzt werden. Es ist eine Strategie, die darauf aus ist, dem Individuum, sowohl sein Verhalten, als auch seine Meinung bewuþt zu machen. Dieser Prozeþ soll schlieþlich an einer ver”nderten –ffentlichen Meinung abzulesen sein. Diese kleinen Medien haben keinen allgemeinen Anspruch, arbeiten dagegen mit einer positiven Variante des Krebsmodells, das davon ausgeht, daþ l”ngerfristig jeder, sei es auf Umwegen, oder durch die groþen Medien, ¸ber das Problem informiert werden wird. Das Modell unterstellt ein dichtes Netzwerk, daþ ¸ber und durch die Gesellschaft gespannt ist, so daþ der Aktivismus einzelner, auf Dauer eine Kettenreaktion bei vielen ausl–st. Bis dahin richtet man sich auf eine relativ kleine Gruppe, mit der Sicherheit, daþ die Infos nicht in einem Ghetto versinken, oder in internen Diskussionen steckenbleiben. Dieses Megaphon-Modell richtet sich im besonderen an links-liberale Meinungsf¸hrer, die keine Zeit haben, Informationen zu sammeln und Argumente zu ersinnen und diese undankbare Aufgabe den politisch motivierten Spezialisten ¸berlassen. Bewegungen der 60er und 70er Jahre haben auf diese Weise Themen wie den Feminismus, Dritte Welt und ÷kologie groþe Aufmerksam geschenkt. Professionalisierung und Marktkonformismus in diesen Kreisen f¸hrten aber dazu, daþ man zu richtigen Medien umstieg. Die Laboratorien, in denen die Information und Argumentation ausgestestet werden, sind gegenw”rtig ein unl–sbarer Bestandteil des Medienherstellungsprozesses, da ihre Bewegungen genauso virtuell wie die Medien, in denen sie figurieren, geworden sind. Radikale, die gegen Ende der 70iger Jahre nicht l”nger auf die Bewuþtwerdung der Anderen warten wollten, gr¸ndeten sogenannte ªeigene Medien´. Just in dem Moment, als die offiziellen Medien sich emanzipierten und Begriffe wie ªPresse´ und ª–ffentliche Meinung´ von der B¸hne verschwanden, entsagte eine Gruppe Aktivisten den schwerh–rigen Mitb¸rgern und besch”ftigte sich mit sich selbst. Obgleich sie der unwissenden Auþenwelt wie eine Fortsetzung der alternativen Medient”tigkeit erschien, lieþ sie das Krebsmodell los und schwebte wie die offiziellen Medien. Der Spiegel der alternativen Medien wird zerbrochen. Es war sinnlos geworden, noch l”nger an den B¸rgerwillen zu appellieren; es muþte nach einer anderen imagin”ren Gr–þe gesucht werden, nach der man sich richten konnte: ªdie Bewegung´. Obschon nur lokal erh”ltlich, machten sie sich nichts aus der –rtlichen Eind”mmung, die die aufkommenden lokalen Medien sich selbst auferlegten. Sie wollten nicht l”nger alternative Stadtzeitung sein. Sowohl gem”þ der Form, als des Inhalts, wurden sie international, ebenso wie ihre Zeitgenossen. Allein vom Wachstum wollten sie nichts wissen. Der geniale Dilettantismus schien keine Kinderkrankheit, sondern konstituierendes Element zu sein. Als Ðberbleibsel der verschwundenen autonomen Bewegungen, die hier und dann wieder aufflammen, ist ihre Kontinuit”t und Unver”nderlichkeit bis auf den heutigen Tag atemberaubend. Das Ergebnis dieser Missionsarbeit, die in der gesamten Mediengalaxis verrichtet wird, formt die souver”nen Medien. Sie haben alle noch bestehenden imagin”ren Bindungen der Wahrheit, Wirklichkeit und Repr”sentation durchschnitten. Sie richten sich nicht l”nger nach den W¸nschen einer spezifischen Zielgruppe, wie das die ªeigenen´ Medien noch tun. Sie haben sich vom potentiellen H–rerpublikum emanzipiert und betrachten ihr Publikum auch nicht als ein zu knetendes Marksegment, sondern bieten ihm einen groþz¸gigen Raum. Ihr Ziel und ihre Legitimation liegen nicht ausserhalb der Medien, sondern in der Realisation der ªtotalen De-Kontrolle´. Ihr Recht auf ein eigenes narzistisches Benehmen wird nicht eingefordert. Das Signal ist da, man muþ es sich nur nehmen. Souver”ne Medien laden dazu ein, sofort in den Medienbus einzusteigen. Sie haben ein geheimes B¸ndnis mit dem Ger”usch, dem Vater aller Informationen. Auch die Zeit ist kein Problem es gibt sowohl Raum f¸r die extended version, wie f¸r das zusammengesetzte Zitat. Dies kann nur beim Anmut der Nicht-Profilierung. Ohne dem Gehabe einer geheimnisvollen Existenz, bleiben die Souver”ne unbemerkt, da sie sich im blinden Fleck, den die scharfen Medienausstrahlungen auf dem Auge verursachen, aufhalten. Folglich brauchen sie auch nicht als Avantgarderichtung beachtet zu werden, die die Kunst erneut mit Impulsen versehen muþ. Als gesonderte Kategorie sind souver”ne Medien darum so schwer erkennbar, weil die Gestalt, in der sie erscheinen, nie im vollen Glanz erstrahlen kann. Ihre Programmproduzenten lassen sich nicht sehen, man sieht allein ihre Masken, in den f¸r uns bekannten Formaten. Jedes erfolgreiche Experiment, das als k¸nstlerische, wie politische Ÿuþerung gedeutet werden kann, wird direkt der Verschmutzung ausgesetzt. Die Mischer von Haus aus provozieren nicht, sondern beschmutzen den zuf”lligen Passanten mit verseuchten Banalit”ten, die sich in all ihrer freundlichen Nichtssagenheit pr”sentieren. Unentwirrbare Kn”uel der Sinngebung und Ironie machen es dem ge¸bten Medienleser unm–glich, sich zurechtzufinden. Die angespannte Atmosph”re innerhalb der verschlossenen Kabine vertr”gt sich nicht mit der Ideologie des Vernetzens. Der Computer, als zentrale Koordinationsmaschine, unterwirft alle alten Medien dem digitalen Rhythmus. Die souver”nen Medien dagegen, legen ganz eigene Schaltungen, die nicht in einen universellen Code umzusetzen sind. Die High-Tech wird getestet und vom Innersten ins Auþen verkehrt. Aber diese Reise ins Innerste der Maschine f¸hrt nicht zu einem multimedialen Gesamtkunstwerk. Daf¸r ist der Unglaube an die totale Besetzung der Sinnesorgane und die technisch perfekte Vorstellung zu groþ. Die ben–tigte Energie wird nun einmal aus dem Kurzschluþ, der Sprachverwirrung, atmosph”rischen St–rungen und Kulturen, die aufeinanderprallen, erzeugt. Geradeso wie die computergesteuerten Netzwerke, die die eigenen Verbindungen abbrechen und ihre potentiellen Benutzer verschrecken, ist es f¸r die souver”nen Medien an der Zeit, sich einzuschalten. Literaturanmerkungen: Walter Benjamin, Reflexionen zum Rundfunk, Gesammelte Schriften II/3, Frankfurt am M., 1977, Suhrkamp Bertold Brecht, Radiotheorie, Gesammelte Werken Bd. 18, Frankfurt am Main, 1967, Suhrkamp Rudolf Arnheim, Rundfunk als H–rkunst, M¸nchen 1979, Hanser Verlag Wolfgang Hagen, Der Radioruf, in: HardWar/SoftWar, Stingelin/Scherer (Hrsg.), M¸nchen 1991, Fink Verlag Ars Electronica 1990 Bd. II, Virtuelle Welten, Linz 1990, Vertitas Verlag Friedrich Kittler, Film Grammophon Typewriter, Berlin 1986, Brinkmann & Bose Warten - das Magazin, nr. 1 & 2, Berlin 1990/91, Druckhaus Galrev Klemens Gruber, Die Zerstreute Avantgarde, Strategische Kommunikation der 70er Jahre, Wien/K–ln 1989, B–hlau Verlag Wiliam Burroughs, Die elektronische Revolution, Bonn, 1984, Expanded Media Edition Dreyeckland, ªWie sieht so ein Freies Radio eigentlich von innen aus?´, Freiburg, 1991, Radio Dreyeckland Geert Lovink ist Mitarbeiter der Amsterdamer Agentur Bilwet (bevordering van de illegalen wetenschap = F–rderung der illegalen Wissenschaft). In der Edition ID-Archiv erschien im Oktober 1991 das Bilwet-Buch Bewegungslehre - Botschaften aus einer autonomen Wirklichkeit. Der vorliegende Sammelband entstand in Zusammenarbeit mit den Bilwet-Mitarbeitern Basjan van Stam und Arjen Mulder. Im Herbst 1992 wird im Amsterdamer Ravijn Verlag das Bilwet Medien-Archiv (Unbekannte Theorie-Objekte, endg¸ltige Essays, Quellen, Selbst-Rezeptionen) publiziert. Geert Lovink ist Redaktionsmitglied von Mediamatic, einer internationale Medien-/Kunst-/Theoriezeitschrift und Herausgeber der Zeitschrift Arcade, Jahrbuch f¸r ambulante Wissenschaften. Im August 1991 organisierte er den Wetware Kongress ¸ber ªeigene virtuelle Wirklichkeiten´ im Amsterdamer Melkweg. Seit 1987 wird w–chentlich bei Radio 100/Radio Patapoe Geert Lovinks Bilwet-Potr”tgalerie, eine ªextreme Theoriesendung´, ausgestrahlt. Seit Mitte der 80er jahre besteht eine praktische Zusammenarbeit mit freien Medien in Ost-Europa. Kontakt: BILWET Postbus 76116 NL- 1001 RE Amsterdam Tel./Fax: 0031/20/6203297 Axel Diederich ist Mitarbeiter des ID-Archiv im Internationalen Institut f¸r Sozialgeschichte/Amsterdam..