Der Sommer der Netzkritik Brief an die Casseler "Am Web-Stuhle. - Die wenigen, welche eine Freude daran haben, den Knoten der Dinge zu loesen, und sein Gewebe aufzutrennen, arbeiten viele entgegen (zum Beispiel alle Kuenstler und Frauen) , ihn immer wieder neu zu knuepfen, zu verwickeln und so das Begriffene ins Unbegriffene, womoeglich Unbegreifliche umzubilden. Was dabei auch sonst herauskomme - das Gewebte, Verknotete wird immer etwas unreinlich aussehen muessen, weil zu viele Haende daran arbeiten und ziehen." (Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, Par.30) 1. Praeambel fuer Zuspaetgekommene: Zeit und Kritik Es gibt eine schnelle Kritik, ebenso wie es die Gedankenschnelle gibt, oder wie es das zeitbegrenzte der menschlichen Bestrebungen und Begehren gibt durch die eine Geschwindigkeit relativ zu einem Beobachter stets Beschleunigungen und Abbremsungen unterworfen ist. Waehrend sich die konservative Kritik meist gegen die Zeit stellt und versucht, gegenueber ihren Stroemungen einen festen und absoluten Standpunkt einzunehmen oder zumindest ihre Begrenzungen ins Aeonische auszuweiten, gibt es eine Kritik die sich wie Einsteins Maennchen in der Rakete geradewegs mit der Zeit bewegt, um ausgehend von einer lokalen Langsamkeit innerhalb eines erfahrbaren Zeitraums ihre Beobachtungen anzustellen. Alle Rede von Be- und Entschleunigung ist damit eine der Wahl und Behauptung des Beobachterstandortes, der immer auch ein virtueller, potentieller und konstruierter sein kann. Die Kunst einer Zeit-Kritik besteht darin, sich der absoluten Geschwindigkeit der Gedanken nur anzunaehern, ohne sich ganz von ihnen forttragen zu lassen. Die weltlichen Schmutzigkeiten und Bewegungsunscharfen duerfen bei einer medialen Transformation nicht verloren gehen, wenn diese versucht einen Moment der Kritik zu vermitteln. Es gilt dabei es einen paradoxalen Punkt des Jetzt zu uebertragen, zu verschriften, der ueber laengere Zeit aktuell bleiben kann, ohne in einen aesthetizistischen Purismus zu verfallen. Somit braucht es eine genaue Kenntnis der jeweils lokalen Geschwindigkeiten im Verhaeltnis zu ihren Traegern und ihrer Umgebung, nicht als so genannte abgeleitete Trends oder ideale Fluchtpunkte sozialer Bewegungen, sondern im Verhaeltnis zu ihren Medien selbst, der Position im Archiv, in den lebensweltlichen Umfeldern, im Koerper und dem Verhaeltnis zu den Undarstellbarkeiten: all dem nicht gewussten Wissen, dem Gemeinten aber nicht Gesagten, den je subjektiven intensiven Imaginationen und psychophysischen Ereignissen, die sich durch eine je spezifische Zeitbewegung und Zyklik auszeichnen und deren ensembleartigen Vernetzungsformen Rechnung zu tragen ist, um den kritischen Entscheidungsraum einer schnellen Kritik zu vermitteln. Es kann einer Zeit-Kritik nicht darum gehen, bloss Entwicklungen vorherzusagen, sei es nur um in bestimmten Interessen Menschen eine Idee und ein Ziel vorzugeben. Im Verhaeltnis zur Zukunft geht es weniger darum, Moeglichkeiten einzuschraenken als Moeglichkeiten aufzuzeigen, Handlungsraeume zu markieren, Entfaltungen zu vergegenwaertigen. Eine Kritik der Zeit weigert sich beispielsweise, Technik als natuerlichen, quasi evolutionaeren Prozess Heideggerscher Praegung zu verstehen, weil sich hier ein fatales Verhaeltnis zurzeit abzeichnet, dem die Handlungsdimension abhanden kommt. Es ist nicht noetig im Kunstwerk eine Erhabenheit und eine blosse Verwunderung ueber die Welt zu rekonstruieren. Stattdessen gilt es die jeweiligen fatalen Agonien zu brechen. Eine schnelle Kritik sucht den Ausweg aus dem Methodenzwang und folgt den 'heissen' Orten im Diskurs an denen herkoemmliche Beschreibungs-Formen allzu oft in pedantische Delirien und unfreiwillig-ohnmaechtige Fiktion uebergehen. Sie erfindet dazu verschiedene Mittel und Mitstreiter um lose Koalitionen einzugehen die immer jeweils die jeweiligen Wechsel als taktische Positivitaet einsetzen. Es geht um eine Lokalisierung von Modernitaet weg von der Verabsolutierung des Neuen. Eine schnelle Kritik ist dort am besten wo das Risiko des Scheiterns am groessten ist, wo die Differenzen der festgeschriebenen Geschwindigkeiten gewohnte Kontraste in neuen Schattierungen erscheinen lassen. Wir schaetzen darum die grossen netzkritischen Bildungsromane von Gibson, Sterling, dem 'Schockwellenreiter' und anderer Wegbereiter einer lebendig-kritischen Technikkultur als gelungene Alternativen zur akademischen Theorie-Fiktion. Eine schnelle Kritik ist nicht nur Kritik an der Jetztzeit, der es meist um das Destillat eines absoluten Geistes geht, an dem die Gegenwart nur immer wieder 'alt' aussieht, sondern favorisiert eine kleine Kritik der Endlichkeit die sich gegen das Transzendentale und Unausweichliche des linearen Zeitbegriffs wendet, gegen die Korrespondenz mit der Ewigkeit des Diskurses, den Dialog mit den alten unsterblichen Maennern, in der stillen Hoffnung auf die Leserschaft im 23. Jahrhundert. Nicht als Kommentar des Zeitgeistes gedacht, versucht die schnelle Kritik dennoch, sich in der Jetztzeit zu positionieren. Sie oeffnet sich gerade dann bereitwillig dem Geschwindigkeitsrausch des Textes, wenn er sich auf Elektronen des E-Texts fortbewegt, nur um wieder den Sprung ins Materielle des offline publishing vorzunehmen, um mit der Spannung der verschiedenen Geschwindigkeiten zu spielen und diese taktisch einzusetzen. Es kommt zu einem engen Verhaeltnis mit temporaeren sozialen Intensitaeten, mit subjektiven Zeitraeumen, asynchroner Politik der Be- und Entschleunigung, sowie generell vieler Wissens- und Aktionsbereiche die ausserhalb der traditionellen Text-Genres liegen (so beispielsweise die E-mail-Botschaft, die im Prinzip dem Brief aehnelt, aber qualitative (zeitliche) und quantitative (oertliche) Moeglichkeitsraeume eroeffnet). Und es gibt die grossen Gegner, die sich Technologie aneignen, ihren Diskurs versuchen zu beherrschen (wie in den zurueckliegenden Jahren durch das Wired Magazine) die jedoch in einer je spezifischen Zeitdynamik verhaftet und angreifbar sind (Trendzwang, Hipnessfaktor, Wirtschaftlichkeit). Durch gezielte Taktiken der Beschleunigung und Verlangsamung, des Auftauchens und Verschwindens, der Klarheit und Verschluesselung, des fake und der Affirmation ist es moeglich, die symbolische Macht solcher Diskurszentren und ihrer Repraesentationszusammenhaenge zu unterminieren. Eine solche schnelle Kritik entsteht aus einer strengen, jedoch unkommerziellen Disziplin heraus, Medien in temporaeren Partnerschaften und unsichtbaren Korrespondenzen ausserhalb der corporate states und akademischen Hochburgen so zu benutzen, dass die Modi der Repraesentation selbst bestimmt oder unterlaufen werden koennen, ohne jedoch einem heroischen Pathos der Entkraeftung zu verfallen, oder die eigenen Methoden als kanonische Dogmen zu vererben. 2. Kritische Geschwindigkeit Unsere kritische Geschwindigkeit ist hier als aktives Verhaeltnis der Welt zum Medium zu verstehen, das eine Eigenbeteiligung erfordert, um erfahrbar zu sein; innere-lokale Mikrowelt, aeussere-globale Makrowelt, Zwischenwelt der Medien und Grenzposition. Die Kunst, ein kollektives Denkvehikel mitzulenken und gleichzeitig zu entwerfen, innerhalb der Relativitaeten existierender Kanten und Wege der sozialen, kulturellen, politischen und technischen Referenz nicht im Chaos zu enden, sondern dieses genauestens zu erkunden, erfordert einen Mut, Grenzziehungen und ihrer ueberschreitungsmoeglichkeiten auszutesten. Was der langsamen Kritik heute zu fehlen scheint, ist eben die Faehigkeit sich in jenen multiplen Zeitbezuegen aktiv zurechtzufinden, statt sich intern immer auf die Materialitaeten der Kommunikation, die Einschreibung ins ewige Buch, die unumstoesslichen Systemgrenzen, und die grossen humanistisch-moralischen Fixpunkte zu verlassen, ohne die Bewegungen des Denkens nachzuvollziehen, die sich lange schon von den klassischen Medien des Denkens geloest haben. Praktisch gesehen waere eher mit Programmierern zusammenzuarbeiten, als mit Philosophen. Es geht aber nicht darum, das Korsett einer neuen Nomenklatur zu entwickeln, die Rhetoriken einer eigenen Schule zu vervollkommnen, nur weil man auf ein Brachland des Nicht-Nachdenkens trifft, sondern eher die Kunst der Positionsfindung weiterzuentwickeln, die fortschreitet und ausserhalb des Textes/Netzes in Bezug zu einer kuenstlichen und taktischen Position innerhalb dieser steht. Bohrendes Philosophieren ueber Zeit, Netz und Praesenz schliesslich fuehrt dabei meist nur zu groesserer Hast und Unzufriedenheit: 'Fasse Dich kurz meine Zeit ist kostbarer als Deine'. 3. Niveaus und Missverstaendnis Je hoeher die Theorieebene, desto langsamer die Gedanken. So wie Adorno den Jazz missverstand, hat man noch immer nicht den Zeit-Schnitt von 1989 konkret in die akademischen Gedankengebaeude eingearbeitet. Die Rede von der Endzeit und der Zweikampf mit der Postmoderne entpuppte sich als etwas ganz anderes, naemlich eine Art Kampf der akademischen Geraete-Klassen um die Vorherrschaft im virtuellen Reich der Kultur. So hat man sich schliesslich verabschiedet von der langsamen Kritik und sich auf einem neuen Geschwindigkeitsniveau reorganisiert, das sich z.B. durch Massenvermittlung wie Journalistik oder Late-Night-Talkshows oder gar Telefon und Fax verbreitete. Noch heute werden die so genannten Neuen Medien als Reiter der akademischen Apokalypse gefeiert. Der Niedergang des allgemeinen deutschen Theorie-Niveaus zeichnet sich z.B. ab in den staendigen Umstellungen des SPIEGEL an ein multimediales Konsumptionsniveau. Die langsame Kritik aber spricht noch heute von einem Ort der Erhabenheit aus, sie sucht nach Regeln und Ausschlusskriterien, um die benoetigten Plateau-Unterschiede herzustellen, sie hat ein Interesse an der Bestaendigkeit und Totalitaet der Hi-Lo-Gefaelle und verteidigt ihre klassischen Hoehen gegen die je in neuem Licht auftauchenden Fremdlinge aus den medialen Niederungen. Hierzu geht sie jede moegliche strategische Partnerschaft ein - ob institutionell oder mit der Industrie. Dem Laien wird erwidert: 'Nichts neues unter dieser Sonne'. Es ist das Motto der hellenischen Melancholiker, die nichts sehnlicher erwarten als Voelkerwanderung, Sklavenaufstand und Titanenschlacht um ihrem Ennui ein Ende zu bereiten. Im Kino brennt Los Angeles und in den Feuilletons ist es Mode ueber das Boese zu philosophieren, waehrend die vom Sicherheitswahn verfolgte Mittelklassewelt davon besessen ist, die letzten Zonen absoluten Stillstands und der Unschuld aufzusuchen (Touristischer Eskapismus, exstatischer Konsumismus, exotische Esoterik. Anmerkung ueber die Gesellschaft de Debakels). 4. Kleine Politik der Technikkritik Es gibt keinen Ausweg aus der Kultur; vorprogrammiert von antiken Archetypen und einer Genealogie der Gruendervaeter ist die hohe Schule der Kritik verdammt, in jeder Veraenderung das Immer-Gleiche zu entdecken und so nur schwerlich einen Handlungsdruck auf der sozialen oder politischen Ebene zu erkennen. Es ist allzu einfach, sich ueber die Unfertigkeit und Obszoenitaet des Neuen lustig zu machen. Der 'Zukunfts schock' hat etwas nivellierendes, im Moment der Panik sind alle Menschen gleich. Auf der anderen Seite kennt man die Strategie der Kulturkonservativen sich allzu schnell mit den jeweiligen technischen Veraenderungen zu verbinden, sie wirkungsvoll nachzuzeichnen und zu zaehmen und pragmatisch-rhetorisch fixer die Sicherung der eigenen alten Werte anzuwenden. Dabei geht es allzu oft darum, eine triviale Metaphysik der Macht aufrechtzuerhalten und dazu das Hi-Lo-Gefaelle auf eine Dichotomie von alten und neue Medien zu uebertragen, anstatt ihre Hybriditaet anzuerkennen. Eine rechte Technikkritik versucht auf der Lo-Ebene Grenzziehungen unumstoesslich zu machen, um andererseits fuer eine kleine Elite die unmoralischsten Formen der Oligarchie und Machtkonzentration zu unterstuetzen. Ihre Widersprueche projiziert sie auf je wechselnde Krisenherde, Fremde von Aussen und andere Systemfeinde. Die traditionell linke Technikkritik versucht ebenso diese Niederungen zu meiden, sie vermutet eine inhaerent faschistische Tendenz, die den Werkzeugen innewohnt wenn man ihnen zuviel Bedeutung gibt. Natuerlich gibt es einen spezifisch deutschen Erfahrungsschatz mit Technologie, der nicht zu vergessen ist. Dennoch endet die Linke meistens nicht in einer fundierten Kapitalismuskritik und den wirtschaftlichen Zusammenhaengen im jeweiligen Bereich, sondern driftet doch wieder ab zu den Wesensfragen, der Verteidigung eines vergeistigten Allgemeinziels, einer virtuellen Autonomie jenseits der technischen Gegebenheiten, der Errichtung von lokalen kleinbuergerlich-privatistischen Gruppen und Szenen, einem obsessives Verhaeltnis zur Metaphysik der Richtigkeit auf der Ebene der symbolischen Repraesentation des Anderen und einer zwanghaften Beschaeftigung mit den 70er Jahren, anstatt sich z.B. mit den Anfaengen und Grundlagen der Linken vor dem 2. Weltkrieg oder sogar zu Beginn der Industrialisierung auseinanderzusetzen (wie z.B. Richard Barbrook). Wo sind die Edge-City-Aktionen, die Bertelsmann-Blockade, das Leo-Kirch-Schwarzbuch, die Anti-Murdoch-Bewegung oder die Buergerproteste gegen die Deutsche Telekom? Wo ist der akademische Frontalangriff der Technik-Feministen? ueber die derzeitige liberale Technikkritik laesst sich nichts Besonderes sagen, sie erschoepft sich im Kampf um Steuer- und Redefreiheit, Lobbygruppenarbeit, allseitigen Koalitionen und weit reichender Kompromissfaehigkeit um schliesslich das Ausgehandelte als hinnehmbar und rationalisierbar zu beschreiben. Die liberale Netzkritik ist von oede und Langeweile gepraegt, sie saugt die Formen von formaler Differenz in sich auf um sie in die Erzaehlung vom freien Markt einzufugen, sie glaubt an die grossen Synthesen von Geld, Staat, Buerger und Technologie, und reibt sich schliesslich auf in Beratungsausschuessen und Vermittlungsschlachten. Das Harmoniemodell wird nun auch aufs Internet losgelassen, das Moderate, Nuechterne, Gedaempft-Melancholische soll uns allen aufgeklaert differenzierte Netze eroeffnen; eine Wiedergeburt des freien Buergers wird verbunden mit der Absage an die Niederungen, die Massenaspekte und Rationalitaeten, die um das Internet herum auftauchen. Zum Hauptziel der liberalen Netzkritik wird die Einschliessung und Festschreibung in einen demokratisch-verfassungstreuen Regelsatz innerhalb der globalen Maerkte. 5. Der Kritiker und sein Netz Der Forscher im Archiv hat den festen Glauben, dass alles schon gesagt wurde, er gibt sich nicht die Blaesse der Subjektivitaet, und akzeptiert es eher zum Bibliothekar zu werden als zum Erfinder. Alles was ueber die Philosophie der Netze zu sagen waere, hatte womoeglich bereits Leibniz aufgeschrieben. Auf der anderen Seite gibt es die zurueckliegende Krise des 'revolutionaeren Subjektes' und die persoenlichen Knicks in den Biographien, zugunsten einer im schlechtesten Sinne selbstreferentiellen Kritik, einer Hinwendung auf die eigene Schule, die Grenzen der Sicherheit im Eigenen. Die Idee eines moeglichen Neuanfangs wurde aufgegeben. Man schleppt die schwere Last des 20. Jahrhunderts weiter mit sich und begibt sich in Erleichterungs- und Schuldzuweisungsdebatten. Beim vollen Bewusstsein, dass es den klassischen Kritiker nicht mehr gibt, und der Gewissheit, dass das Pathos und die imaginaere Macht der Intellektuellen geschrumpft ist, begnuegt sich der Kopfarbeiter mit einem Kompromiss a priori. Seine Masslosigkeit betrifft nunmehr die Gier nach einer Quantitaet der Details, der Verknuepfungsdichte, dem Willen zum totalen Standardwerk in einem neuen temporaeren Nebenzweig der Evolution der (Geistes)-Wissenschaften. Was dem organisierten Intellektuellen verloren ging ist der mediale Resonanzraum, den er in Liebe und Erfurcht 'oeffentlichen Raum' nannte. Dort wo sich ein solcher Zeitraum fuer die unkontrollierte Vermittlung kollektiver Subjektivitaeten und 'oeffentlicher Meinung' neu formiert, wird meist nur eine reaktionaere ethnographisch-theoretische Eingliederung in ein bestehendes totales Wissensgebaeude vorangetrieben das jegliche politische Handlungsdimension zu ueberschreiben versucht. Die kontraproduktivste Form solcher Vermittlungsarbeit sind vielleicht jene net-cultural-studies denen es darum geht aus der imaginaeren Vogelperspektive des klassischen Textes heraus eine Theorie der Technikkultur festzuschreiben, anstatt diese aktiv mitzugestalten. So entwickeln sich auf der Gegenseite untheoretisierbare Bewegungen die temporaer, namenlos, lokal, aussermedial, oder aber in Massen und tautologisch-ueberpraesent, eine mediale Aneignung auf der Ebene der Repraesentation und Fuersprecherschaft unterlaufen. 6. Von der Leichtigkeit der Netzkritik Kritik kostet Kraft und macht oft Krach. Kritik ist angewiesen auf eine Krisensituation, auf das Moment der Entscheidung, das sich in der Krise verbirgt, und anschliessend ihrer Kultivierbarkeit einer ganzen Krisenkultur, die den Entscheidungsdruck kompensiert, transformiert und gegebenenfalls die Begleitmusik fuer den jeweiligen Aufstieg und Niedergang liefert. Die Position der Opposition ist ueberall dort strategisch angelegt wo ein Monismus auftaucht, eine zentralisierende zentripetale Kraft, positiv oder negativ. Es ist nicht der Klang des Klagens oder das Echo des Nietzscheanischen Donners, sondern eher die sanfte Bejahung einer heiteren Negativitaet als Ausgangsposition. Es ist nicht die schwerfaellige Kulturkritik, die alles schon gesehen und erlebt hat, sondern die Annaeherung ans Krachmachen das sich immer auch an seine imaginaeren Hoererschaft richtet, die sie belaestigt, zur Entscheidung aufschreckt und aufzumuntern versucht. 'Jeder ein Kritiker'. Das Inklusive der Kritik beruht auf einer fundamentalen Vielstimmigkeit und einem Impuls zum Mitmachen, ein kleines ausloesendes Element kann genuegen um einen Aufstand auszuloesen. Die unendliche Leichtigkeit beruht nicht zuletzt darauf, diesen Moment nicht zu erzwingen, sondern das zu kritisierende Feld zu besetzen und von vielen kleinen Punkten aus unorganisierten Widerstand zu leisten. Wir sehen in vielen Entwicklungen der 90er eine solche Form des Mikro-Widerstands der sich einer Besetzung durch gro6e bewegende Erzaehlungen widersetzt und durch eine aesthetik des Pragmatismus und der Praesenz auszeichnet. Nicht das Treffen einer grossen Entscheidung, sondern eine grosse Zahl kleiner Entscheidungen innerhalb der hegemonialen Cybersphaere wird zu einer Fertigkeit fuehren, die es zu erlernen und weiterzugeben gilt. Freeware, low-tech, Umnutzungsstrategien, Mailinglisten, Samzidat-Reader, Piraten-Radio, private Clubs, marginale Bildarchive und Klein-Labels, die Sozialgeschichte von Linux in Deutschland. Das Beschreiben der Krise, das Nach- und Herangehen und Sich-weit-weg-entfernen an die Untersuchungsobjekte der moeglichen Entscheidungen kostet jedoch Kraft die irgendwoher kommen muss. Die Verschwendung und Aufhebung von Kraft gemessen am wirklichen messbaren Erfolg sind ein Hauptmoment der Netzkritik. Dieses dunkle Verhaeltnis zu Begehren und Machtwillen erfordert eine eigene Kritik der Grenzen der Netzkritik, ihrer Bruchlinien und Abbruchbedingungen. Sofern es sich um eine Form von Bewegung handelt, waeren Prozesse wie Personalisierung, Durchorganisation, Kommerzialisierung und Hierarchisierung inklusive Ideologie genauer zu untersuchen. Bis dahin arbeitet sie als Transformator, Kondensator und annihilator von Kraeften fuer die es gleich kommt, ob sie konstruktiv oder destruktiver Art sind, solange sie ein Verhaeltnis zum Netz als Machtverhaeltnis entwickeln. 7. Die goldenen Jahre der Medienkunst (1988-1992) Es war die Hochzeit des postmodernen Fernsehens, Medien bargen bereits die Verheissung auf die bevorstehenden Wechsel in Osteuropa und auf der ganzen Welt. Die Elektromagnetische Aufloesung des eisernen Vorhangs kollabierte dann wenige Jahre spaeter im Fernsehkrieg Bosnien hinein in eine weltweite Verschwoerung von Wohlstand, moralischer Agonie und TV-Voyeurismus. Ploetzlich gab es den anonymen klagenden Blick zurueck, aus den Fernsehern heraus, der dem elektronischen Bild langsam seine Legitimitaet entzieht und den Betrachter in ein stilles Verhaeltnis der Verantwortlichkeit und Beteiligung stellt. Die andere Achse der Abkehr von der Fernseh-Realitaet war das Mediengesamtkunstwerk des Golfkriegs mit seinen unsichtbaren Toten und Situationistischer Massenempoerung. In beiden Faellen brach sich westlich-christliche Bildkultur/Militaermacht mit der Nichtvermittelbarkeit realer Gewalt, gestuetzt durch ein wertfreies kommerzielles Interesse. Von nun an war das Vertrauensverhaeltnis zum Fernseher empfindlich gestoert und Baudrillard, Virilio aber auch Luh-mann sollten fuer immer Theoretiker des kybernetischen Fernsehzeitalters bleiben. Stationen: Linz: Hoehepunkt 'im Netz der Systeme' '89, Abdankung Peter Weibels, 1995, Mythos Information. Karlsruhe: Rem Koolhaas kriegt den Auftrag das ZKM zu entwerfen, 1993 wurde aus der Auftrag aus finanziellen Gruenden zurueckgenommen. Frankfurt: ca. 88 Gruendung, 1994 Bankrott der Staedelschule. Muenchen: textueller Hoehepunkt, Florian Roetzers Digitaler Schein und aesthetik, 1991. Mannheim: Bollmann, ab 1992 Vilhelm Flussers Gesamtausgabe, textueller Niedergang: Kevin Kelly. Essen: Norbert Bolz veroeffentlicht 'Das kontrollierte Chaos' und verschwindet in der Trendforschung, media theory for the masses. Rostock: etwa 1995, MS Stubnitz. Koeln: Knowbotics Basisstation, Talentschmiede auf schlankem flexibilisierten Organisationsniveaus, auch Netzkunst. Sydney: 1992 TISEA erfolgreichstes der ISEA Symposien. San Francisco: 1992, Sigraph, Simon Pennies 'machine art'. Hamburg: Tiefpunkt: 1993, Schauland sponsert Grossmedienkunstereignis mit angegliederter Elektronikmesse. Kassel: 1992 erste Kritik an der Interaktivitaet der Massen, van Gogh TV Documenta 9. 8. Das Netz als Medium Weder die akademische Medienkunst noch die akademische Medientheorie haben das Aufkommen der Netze frueh genug antizipiert. Sie haben es nicht voraussehen koennen oder wollen. Die Gruende hierfuer sind vielfach. Der wichtigste liegt in der Abneigung gegenueber der 'offenen' Kommunikation. Die Experimente im Bereich Kommunikationskunst waren von jeher klein und marginal. Medien wurden nicht als Kommunikationsmittel aufgefasst, sondern ihr Repraesentationsaspekt wurde betont. Das Element der Fluechtigkeit und Nichtdarstellbarkeit des Ad-hoc-Austauschs, das Unsichtbare der sozialen Kontexte und Kommunikationszusammenhaenge, werden allzu leicht als banal, kindisch, inhaltsleer beschrieben. Bis auf wenige Ausnahmen, (Avital Ronnel's 'Telephone', Michel Serres 'Hermes', Jaque Derrida's 'Postkarte', V. Flussers 'Tasche') wird die Kommunikation dem Populaeren, dem Nichtssagenden, der Meinung, ja dem Rauschen selbst zugeschrieben. Die Institutionen haben bisher, ob im Bereich Verlagswesen, Ausbildung, Forschung oder Kultur die Rolle der Netze praktisch unterschaetzt. In Hamburg hiess es zwar 'Netze denken', es fehlt aber eine Analyse der Unfaehigkeit in den Netzen zu handeln. Dabei hat man zumindest die Zeit des Hypes gut ueberstanden, und muss sich nun aufs Neue den aufgeschobenen Fragen einer praktisch-strukturellen Reform unterziehen. Gefragt sind gemeinsame Dokumentenarchive, die Entwicklung und Erforschung von Diskussionsumgebungen, eine Veraenderung der Publikationstaetigkeit weg vom Dokument hin zum Projekt. Bundesweite, transfoederale Diskursnetzwerke die Sozialforschung und Technikentwicklung an ein politisches Verantwortungsbewusstsein koppeln. Die Weiterentwicklung von Internetstandards wie HTML nicht nur zu kommerziellen Zwecken. Grundlagen fuer die Reformulierung von Buergerrechten, wie Recht auf Information, Recht auf Zugriff. Der Aufbau von enzyklopaedischen Datenbanken die den oeffentlichen Zugang zu einem Basiswissen erlauben, das weder durch einzelner Parteien noch durch die Industrie bestimmt wird. Der Zusammenschluss zu Verbaenden und Interessenvertretungen im Bereich Neue Medien und Neue Arbeit. Die Tolerierung einer medial-oekonomisch-politischen Grauzone ohne totalen Kontrollanspruch seitens Staat und Industrie. Die Schaffung von oeffentlicher Bandbreite in kommerziellen Netzen fuer Sozial Schwache, Kulturarbeit etc. Die Annerkennung von Ensembles kultureller Manifestation ausserhalb der angestammten Einschreibungsbereiche von Wissenschaft und Kulturinstitutionen, ohne diese zu vereinnahmen; Schaffung und Foerderung medial-pluralistischer Nachbarschaftsverhaeltnisse, politische Kontrolle der T&K Industrie, Entmonopolisierung. 9. Die Macht der Medienkunst Dort wo die neuen Medien den Machtpol gesucht haben ging das Element der Kommunikation verloren. Trotz unterschwelliger Versuche der Techno-Subkultur, wie Van Gogh TV, Robert Adrian X und vieler anderer, kann man behaupten, dass der Bildaspekt eine immer hoehere Bedeutung zugemessen bekam. Das Erhabene, Sinnliche, Spektakulaere wurde im Konzept der Interaktion mit dem Bild selbst - das hier als maschinelles Bild auftritt - Interface genannt, das geheime Weihen verborgener Welten zu versprechen scheint. Das elektronische Bild, die multimediale Skulptur, die interaktive Rauminstallation wurde schliesslich reaktionaerer und rueckschrittlicher, als die ihrer Kollegen aus der traditionellen zeitgenoessischen Kunstwelt. Ihr einziger Zweck scheint heute zu sein, diejenigen Machtgefuege, die in Technik und Wissenschaft eingeschrieben sind, auf moeglichst pompoese und aufwendige Weise zu repraesentieren, inszenieren und sakralisieren um damit die eigentlichen Kritischen Momente unhinterfragbar zu machen. Die Moeglichkeit der eigenen Entscheidung wird auf das Niveau der Interaktivitaet innerhalb des Systems einer solchen Installation beschraenkt, es ist die Simulation von Handlungsfreiheit. Soziale Kontexte werden auf ein System der medialen Datenkopplungen und In-Outputstroeme herunter transformiert. Die Verwandtschaft der interaktiven Medieninstallation mit der barocken Gartenarchitektur der jeweiligen Landesfuersten kommt nicht von ungefaehr. Medienkunst im Stile der spaeten Achtziger Jahre ist offensichtlich nicht modern, sondern vormodern, sie bedient sich Allegorien, Metaphern und aufwendigen mechanischen Effekten des Tromp d'Euille, feiert die Rueckkehr der Zentralperspektive, spielt mit sprechenden Puppen, eroeffnet repraesentativ-mechanistische Spiegelwelten von Symbolen und Ikonen, inszeniert eine Mythologie und Naturhaftigkeit von Technik, front dem maschinellem Spektakel in naiver Freude am Automaten, um schliesslich die Macht und den Reichtum des 'Landesfuersten' und seiner hochtechnisierten Manufakturen zum Ausdruck zu bringen. Es ist eine Technologie-Standort-Kunst im foederativen Wettbewerb der ausgehenden 80er Jahre. Im Gegensatz zur elektronischen Musik gibt es keine Stroemungen und veraestelten Entwicklungen sondern eher eine Ausdifferenzierung um wenige und hoch bezahlte Auftragskuenstler herum. Die Wartung und Pflege der Mediengrossinstallationen erfordert Institutionen die im Millionenbereich kalkulieren. Vom Komplex Kirche und Kunst uebergehend wird ein sakraler Raum inszeniert, der letztlich auf einen zentralen Machtpol rekurriert, welcher eine transzendente Macht im Diesseits verkoerpert: Wissenschaft und Technik. Es geht auch darum auf einer symbolisch-praktischen Ebene wissenschaftliche Potenz unter Beweis zu stellen, ganz nach der Tradition der Koenige, ihre weltliche Macht auf ueberwaeltigend kuenstliche Weise sichtbar zu machen, ohne deren Prinzipien offen zu legen. So wird in keiner der beschriebenen Installationen ein demokratischer Aspekt von Medientechnologie thematisiert. Meist wird die aesthetik der Maschinen selbst, die der Kabel und Kasten schamhaft versteckt. Die Systemperformanz wird auf das maximal Erhaeltliche als quasi-absolut, als Real-Time-Parallelwelt inszeniert. Deus ex Machina. Weder als Entertainment noch Wissenschaft, wird Hochtechnologie inszeniert, sondern als etwas zauberhaft Neues, als das Erhabene und Maechtige an sich, dessen herrschaftliche Kontrollfaehigkeit - verkoerpert durch die Sponsoren und Institutionen - eben unter Beweis gestellt wird. Der Hintergrund einer imaginierten revolutionaeren Bedeutung innerhalb der Kunstgeschichte zeigt die uebertragungsleistung aus der Sphaere des sozial-politischen das meist nicht zur Darstellung kommt. Stattdessen waere es an der Zeit die prozessualen, konzeptionellen, namenlosen Formen von Medienkunst zu historisieren, die meist schon Jahrzehnte zurueckliegen und vieles auf elegante Weise antizipierten, was heute mit Millionenaufwand in Mediengrossinstallationen materialisiert wird. 10. Zur Krise des Interfaces Der Grundirrtum der Medienkunst basiert auf der Tatsache, elektronische Bilder als Schnittstellen zu betrachten und diese der platonischen Idee vom Bildschirm und der dahinter liegenden Ideenwelt unterzuordnen. Das Maschinelle selbst, seine Praesenz auf der Ebene des biologischen und technologischen, unerreichbar durch die 'Regie des Bewusstseins' durchkreuzt das Paradigma der Schnittstelle, macht sie andererseits aber anfaellig fuer mystifizierend-kuenstlerische ueberdeterminierungen. Das Raetsel des Interfaces liegt im Ziel seines Unsichtbarwerdens, der Metaphysik der Schnittstelle, die zwischen den Welten der Daten und der Welt der Dinge vermittelt und unterbricht. Nicht nur der Schnitt zwischen Mensch und Maschine soll produktiv gemacht werden, das Verhaeltnis selbst wird als Schicksalsgemeinschaft, als historisch bedingte Synthese gedacht. Dabei geht es um die Weiterentwicklung von Eigentumsverhaeltnissen, auf der Ebene der Standards, Karten und Patente, schliesslich die Entwicklung des kanonischen Killer-Interfaces, das alle seine Mitbewerber ausschliesst und an die Utopie der Weltsprache knuepft. One world, one interface. Hier taucht nun ploetzlich eine Geschlechtsspezifik auf. Die klischeehafte Maennerdomaene der abstrakt-immateriellen Datenwelten und elektronischen Junggesellenmaschinen erfaehrt im Moment ihrer Massifizierung eine notwendige Vermittlungsebene mit den weltlich-koerperlich-materiellen und damit als weiblich zugeschriebenen Dingen und Interessen. Kollektivitaet, als verteilte Individualitaet trifft auf den harten Schnitt zwischen Analog und Digital, und benoetigt eine neue Form von Harmonisierungsarbeit. Interaktive Schulungen, Dokumentationen, Hilfestellungen, magische Assistenten und laechelnde Bildschirme, und nicht zuletzt Medienkunst. Das Interface als unvollstaendige Karte, staendig die Fehler und Auslassungen kaschierend und ihnen vorauseilend, die Schmutzigkeit und den Diskontinuitaeten der Welt vermittelnd, braucht ein Denken in dynamisch-praktischen Strukturen und weniger abstrakt-psychologisierende Bedienungsschnittellen, die Darstellung von lokalen Wissensgebieten, das Verweben individueller subjektiver Erfahrung und Kreativitaet zum kollektiven kybernetischen Datenteppich, von Koerper und Spiritualitaet wird zur neuen Vermittlungsaufgabe von Interfacekunst.(Ulrike Gabriel, Antya Umstaetter, Christa Sommerer, Akke Wagenaar, mit dem Hoehepunkt Osmosis von Charl Davies.) Das Aufspannen der Netze, das Verweben der niedergeschriebenen Differenzen als Prozess, kennt man auch von anderen noch utopischeren Erinnerungs- und Wissensmaschinen, vornehmlich Hypertext genannt (Ted Nelsons, Xanadu; Heiko Idensens Rhizome), wobei die Frage der Urheberschaft und Finanzierbarkeit solcher Mammutprojekte akut bleibt. Bei den Maennern geht es meistens viel mehr um reinen Erkenntnisgewinn oft unter Vernachlaessigung der sinnlichen, formalen Kriterien (siehe die interaktiven Installationen von Peter Weibel). Es geht um die Exemplifizierung eines Gedankenmodells und einer privaten Kosmologie, wie z.B. der Einfuehrung des Zeichenkosmos auf das Modell Stadt, Museum, Hoehle (Jeffrey Shaw). Das Netz wird dabei immer als Revier verstanden, das durchmessen, uebersehen, organisiert und in materiellen institutionalisierten Machtverhaeltnissen festgeschrieben wird. uebrig bleiben dann oft Ruinen der Fehlinvestitionen, romantische Monumente der Vermessenheit, die derzeit auf dem World Wide Web ghost-sites genannt werden. Als uebergangsmodell bietet sich das Projekt Wax Web von David Blair an, das vor allem einen kulturellen, kontextuellen und erzaehlerischen Komplex herstellt, einen Talmud-artigen Hypererzaehlung erstellt die sich ueber verschiedene Medien (Video, 3D Simulation, WWW, Audio, Textzitate und Annotationen) erstreckt. In dieselbe Richtung gehen Chris Marker, Arnold Dreyblatt und Tjebbe van Tijen die sich allesamt mit der medialen (Re)Konstruktion und Aufzeigen von Bedingungen von individuellem/kollektiven Gedaechtnis beschaeftigen. Demgegenueber steht die Regressive Faszination mit den Schnittstellen selbst, die Schleife der Selbstreferenz die sich im Hallo-Effekt eines digitalen Fort-Da erschoepft. Das Fehlen eines Dialogs mit einem Aussen ist eklatant. Der Autismus der zeitgenoessischen Medienkunst die sich vor allem auf Grossinstallationen manifestiert, erstreckt sich (ueber eine fehlende Schnittstelle zur zeitgenossischen Kunst(geschichte), Popkultur bis hin zu konkreten Auseinandersetzung mit den Kontexten der Philosophie, Psychoanalyse oder auch nur der beherrschenden liberalen oekonomie. Auf der Ebene der Konzeptbeschreibung bedient man sich einer postmodern-nichts-sagenden Begriffsakrobatik der den aesthetizismus einer Zweckfreiheit auf der Ebene der Programmierung und Darstellung paraphrasiert. Solche Manoever spiegeln die Ausweitungsphantasien chaosmotischer aber dennoch heiler Innenwelten. Die symbolischen oeffnung der closed circuits der Videokunst ins Interaktive geht mit keinerlei politischem und auf produktive Weise heruebersetzten Konzept einher. Es reicht mit dem Wired Magazine zu behaupten: Open good, closed bad. Die Entwicklungen im gesellschaftlich-politischen Bereich wurden beflissentlich uebersehen oder es wurde versucht sie bewusst auf Institutionalisierung und Musealisierung hinueberzusetzen. In spektakulaeren Hoehlengleichnissen, in denen ein komplexer Datenzauber den Betrachter in seinen Bann ziehen soll, wird auf der Basis eines konservativen Platonismus etwas Koketterie mit der franzoesischen Poststrukturalismus betrieben. Auch hat man schon ironische Interfaces gesehen, die sich ganz auf die selbstreferentiellen Zeichenwelten einlassen und durch ihre verschmitzt-modische Kurzweil erfreuen. Die Inszenierung des Fremden und Bedrohlich-Erhabenen in der Techno-Wissenschaft bedient sich dabei traditioneller Tricks der Schautechnik, Schwarzlicht, Ventilatoren, Dunkelheit und Blitzlicht, optische Taeuschung, humanbiologische Monstrositaeten, Guckkasten und Geisterbahn. Bombastische Materialschlacht und Reizueberflutung; nicht zu vergessen die zentralperspektivischen Paradieswelten eines Marc Pesce und die Varieteeperformances eines archaisch-futuristischen Technoprotzes namens Stelarc. Unter dem Deckmantel des revolutionaer Neuen blickt man dem banal-immer-gleichen ins Auge, jegliche Konstruktivitaet findet auf der Ebene der Formalien statt, waehrend die Konzepte arm und rudimentaer bleiben. Die Medienkunst hat von jeher einen Sonderstatus gehabt, was den Kommerzialisierungsdruck betrifft, sie funktioniert dabei als Staatstragende Kunst oder Kunst fuer Grosskonzerne, sowie hoch dotierter Vorzeigeforschungsprojekte der so genannten Hochtechnologie, ohne dem offenen Markt direkt ausgeliefert zu sein. Die neue 'schlanke' Unternehmenskultur, die sich um Multimedia, Kommunikationstechnik, Design und Internet-Gesellschaft herum entwickelt hat, wird nicht durch diese Art von Gross-Kunst repraesentiert (Sie favorisiert wenn ueberhaupt, Ausdrucksformen wie Designerdrogen, club-culture, Jet-Set-Mode, schnelle Autos sowie die aesthetik des Wired Magazins). Dennoch brauchen transnational operierende Grosskonzerne scheinbar Momente der Verortung und Legitimation vor und innerhalb der Kulturgeschichte. (Siemens, Canons Artlab, NTTs ICC, wie auch diverse Weltausstellungen expo2000) 11. Der kurze Glanz der SGT-Kunst Die Anfaenge der SGI-Kunst (Silicon Graphics Inc.) liegen in der Computergrafik in Tradition von op- und pop- und hoppy-art. Sie leben von ihrer Einfachheit die hervorgeht aus einer anfaenglichen Knappheit der Chips, der Programmier-Kompetenz und Zugaenglichkeit zu den Labors der Hochleistungsrechenzentren. Auch heute noch kann es nicht genug Rechenkapazitaet geben um die Realitaet wirklichkeitstreu abzubilden. Dennoch hat sich die Form der Verbreitung geaendert. Computerkultur ist Pop und nicht Hochkultur. Waehrendessen hat sich auch die Theoriemode von der Faszination der Simulationen verabschiedet. Laengst sind jedoch Playstation und Quake-Massaker in die Rolle der SGI-Boliden als Kult- und Status-Objekt geschluepft. Die Einrichtung der Medieninstitute mit SGI-Workstations scheint dabei eine spezifische Form von Kunstwerken zu determinieren. Ganz entsprechend gibt es die Arbeiten die mit Amiga-Toaster (Paul Garrin) oder Macintosh (Mac-romind Director, Photoshop - Voyager.com) oder Atari (im Midi-Musikbereich Ñ Photek) bzw. dem heute ueblichen Standard-Wintel-PC auf dem eher Arbeiten ohne maschinenspezifischen Charakter fabriziert werden. Animationen und Installationen auf SGI haben oft einen prototypischen, pseudowissenschaftlichen Duktus, passend zum Repraesentationsanspruch der zugehoerigen Institutionen. Das kontextlose, cleane und utopisch-spekulative der SGI-Kunst kann nicht verbergen dass der Kunstmarkt moeglicherweise nur eine Episode fuer die Firma SGI bedeutete, die nun durch Digital Hollywood abgeloest werden soll. Schon innerhalb weniger Jahre veraltet das Arbeitsgeraet und es wird gezwungenermassen mit den aesthetiken von gestern operiert. So geht es bei SGI-Kunst hauptsaechlich um die Speerspitze der Multimedia-Massenkultur, die temporaere Unterstutzung einer industriell funktionalisierten Avantgarde, die ueberdies auf vielen Fehleinschaetzung aufsetzte (Bedeutung von VR, VRML, interaktiven Fernsehen, settop box). SGI's Hausmesse Siggraph und ihr Europaeischer Ableger Imagina propagieren weiterhin den Durchbruch in die dritte Dimension. Die Entscheidung auf dem 3D-Markt findet jedoch nicht in VRML-Welten, sondern auf dem Spielemarkt statt. Nicht der simulierte Schauspieler und Kinoeffekt sondern neue Formen von suchterzeugenden Multi-User Spielwelten loesen die Verheissung auf telematisch-demokratische Interaktivitaet auf. Techno-Trance-Videos pluendern laengst die Errungenschaften frueher SGI-Kunst und bringen sie auf ein populaeres Niveau. Die eigentlichen Kuenstler in diesem Bereich moegen die Demo-Programmierer gewesen sein, die auf minimalen Geraet maximale Effekte um der Effekte willen produzierten, einige Programmierstandards schufen und als spaeter zu Spieleentwicklern wurden. SGI jedoch repraesentiert auf ideale Weise die Chrom-Glanzlichter und Spiegelflaechen der Corporate World und steht der schmutzigen textlastigen und von Hardwarebasteleien umgebenen Hackeraesthetik der fruehen 90er Jahre diametral entgegen. Dazwischen liegt der Cyberpunklook, ein East-Westcoast-Hybrid; zwischen LSD und Lederjacke anzusiedeln, dar sich eine radikale Maske gibt, und genau zurzeit auftauchte in der man von 'temporaeren autonomen Zonen' redete. Der Cyberpunk ist vor allem eine literarische Figur, wie der Name schon sagt konzeptionell eine Kunstfigur des Retroaktivismus. Seine Kunst ist jedoch waghalsig utopisch, bevorzugt werden orgiastische Interfaces der totalen Verschmelzung, digital splatter, Neurointerfaces, und eine stupide Verteidigungshaltung eines unabhaengigen Subkulturstatus. Das System SGI-Kunst hat sich aber mittlerweile verschoben, es gibt Netzversionen, CD-ROM Varianten anderer Hersteller und Namen, doch die aesthetik bleibt die Selbe, sie ist dem Prinzip Hi-Tech verschrieben, das den spekulativen, technikutopistischen und fast religioesen Teil der Computerkultur verkoerpert, die sich aufs beste mit der high corporate culture der diversen Vorstandetagen einigt, und auch heute noch den lukrativen Mainstream der Medienkunst ausmacht. Schliesslich soll nicht geschwiegen werden ueber die Naehe zur Militaertechnologie, zu Maennerphantasien und Gott-Komplexen wie sie z.B. in Art und Corn's Terravision zur Anwendung kommen. Auch viele Arbeiten von Knowbotic Research pflegen dem froehlichen e-barocken Techno-Pomp und die pure Lust an Deleuzianischer Metaphorik der Indifferenz, um die Erhabenheit einer unheimlich-rechnenden Daten-Monade und der aesthetisierung wissenschaftlicher Daten und Forschungs-Methodiken zu inszenieren. 12. net.art kills Videokunst (abstrakte Computer und konkrete Maschinen) Das Problem der institutionalisierten Videokunst bestand darin, sich auf Ausstellungsobjekte der Videoinstallationen zu konzentrieren, und hier einen Bereich fuer Computerinstallationen aufzumachen, der durch angebotene Finanzierung entsprechende Resultate hervorbrachte. Kommunikationskunst wie in Mailboxen, Radio, Telefonperformances wurde meist weder wahrgenommen, noch durch Ausstellung aufgegriffen. Es brauchte schon ein 100 jaehriges Jubilaeum bis der ein oder andere Radio-kunst-Reader erschien. Hierin wiederholt sich die Unfaehigkeit der Institutionen und Kuratoren mit Kommunikationskunst umzugehen, ebenso wie zuvor mit mail.art, processual concept art oder Fluxus. Stattdessen florierte fuer eine Weile der angrenzende Bereich der industrial-martial-machine-art. Mit viel Feuer, Eisen und Maennerschweiss wurde der Umgang mit Technikgeschichte Schritt fuer Schritt Teil des eher tragischen Teils temporaerer Autonomiebewegungen. Die Aufarbeitung des ausgehenden industriellen Zeitalters, verbunden mit der dunklen Seite, Gewalt, Apokalypse, Genialitaet der gescheiterten Existenzen, radikalem Existenzialismus, in allernaechster Naehe zu den einsamen Programmierernaturen. Die Trauerarbeit an den Maschinen trennte sich von all denen, die in der Arbeit im immateriellen einen positiven Aspekt gesehen hatten. Die Hackerkultur hat von Beginn an sich von Koerperlichkeit und Sichtbarkeit abgewendet, waehrend die Industrialkultur noch einmal Mann, Maschine und K6rper aufeinander los liessen. Metropolis, Revolution, Moderne, Konstruktivismus, DaDa wurden in einem wilden Spektakel an die Bereiche der mad sciences gekoppelt, des obsessiven Hobbytums, der Maenner-Phantasien von Feuer und Elektrizitaet, dem Roboter und den aufkeimenden Computerkulturen mit der uebergangsfigur des Cyberpunks und des selbst gemachten cyborgs. 13. Der Traum vom idealen Interface Gegen das Kognitive der Computerspezialisten und Entwickler von Algorithmen, fuehrt Brenda Laurel die Beduerfnisse der Benutzer und deren demokratischen Willen zum einfachen Zugriff auf die Konsumgueter ins Feld. Das Interface ist das Gegenteil des Individuellen, gemeinsam auf die Theatermetapher klickend folgen wir den Normierungen der grossen Erzaehler/Entwickler. Die Zeit der persoenlichen Computer war von kanonischen Benutzergruppen gepraegt: ein bestimmtes Betriebsystem benutzend treten wir einer Schicksals, Glaubens und Leidensgemeinschaft bei (Apple, Windows, Unix). Nach dem grossen Durchbruch der 80er treibt nun die Schreibtischmetapher im kollektiven Pool des Datenmeers Internet. Manche vermuten die dritte Dimension als naechsten Schritt der Repraesentation und Rechenleistung. Wahrscheinlicher ist, dass der Schritt als Denkleistung vollzogen werden muss, dass es zu kartographisch-dynamischen Abbildungssystemen fuer Gruppen von Benutzern kommen wird, die ein Wechsel vom persoenlich-privaten zum gemeinsam-oeffentlichen Computernetzen noetig macht. Ein erster Schritt mag hier die Stadtmetapher gewesen sein. Der naechste geht in die Zeit selbst, dem Interface als universellen halbintelligenten Terminkalender inklusive Kontakten, Basistexten, Unterhaltungsfenster und Fortbildungskursen, um den sich das privat-berufliche Datenuniversum webt. Beruf und Familie wachsen auf dem universellen digitalen Arbeitsplatz zusammen, die uebergaenge von Freizeit und Arbeit werden unkenntlich gemacht, sodass die Ausbeutungsverhaeltnisse umso effizienter greifen. Nur wenige sind bereit sich ganz zu mobilisieren und flexibilisieren. Die Zugehoerigkeit zu Arbeits-, Konsum-, Benutzer- und Interessengruppen als Sinnzusammenhang wird vielleicht Hauptaufgabe des erweiterten Desktopinterfaces. Hier spielen Fragen der Bildtheorie und Verhaltensforschung weniger eine Rolle, als die Probleme der Transformierbarkeit von sozialen Daten und Modellen in eine dynamische Kartographie von Aktivitaetsmustern und Zugehoerigkeitsverhaeltnissen. Doch diese fundamentale Ebene der Konzepte hat die Entwicklung in Deutschland nie erreicht. Statt der multidisziplinaeren Unterstuetzung von Erfindungen und ihren kommerziellen Verwertungen - exemplarisch vorgefuehrt von Medienlaboren wie Xerox Park oder MIT - widmete man sich in Deutschland im Bereich der Interfaceentwicklung vor allem der institutionellen Eingliederung und kulturellen Verarbeitung des medialen future shocks. Die Bereiche Musealisierung, Medienkunst, Medientheorie boomten wahrend sich die Ingenieure um praktische Fragen bemuehten. Die Rueckkehr der Ingenieure und Handwerker, der 'digital artisans' findet derzeit auf hoerbare Weise in der elektronischen Musik statt, auch wenn oft die Grenzen zur E-Musik ueberschritten und der Anschluss ans grosse Archiv gesucht wird, was oft einen verkrampft-peinlichen ueberbau erzeugt. 14. Interface, Macht, Netze Operation Repraesentation Die Theorie der Interfaces als soziale, kommunikative, politische und technische Problemzonen, die je eigene Forschungsreihen fordern, basiert massgeblich auf dem Willen, das Imaginaere, Ferne, Verdeckte und damit Bedrohlich-Begehrliche durch Repraesentation erreichbar und beherrschbar und durch eine technische Apparatur physisch kontrollierbar zu machen. Das Interface als Bild ist nicht denkbar ohne eine dahinter liegende, zur Idee gemachte kybernetische Apparatur, die entsprechende Steuerimpulse vom Steuer-Mann erfordert. Das Kommando und seine Schnittstelle zum Netz wurde laengst zur uebergreifenden Doktrin. Als Command-Control-Communication-Computing treten wir in die aera des so genannten Information War, ueber den Umweg der Information werden die Koerper affiziert. Ziel ist es, einen Krieg ohne Tote zu gewinnen. Nebeneffekt solcher Spekulation ist das sich im Kulturbetrieb, im 'offenen' Wettbewerb, im Diskurs, die Kriegsmetaphern ausbreiten und es bald nur noch um Taktiken und Strategien, Gebietsgewinne, Scheinmanoever, das Halten und Aufgeben von Positionen, aber vor allem das Funktionalisieren von Mitstreitern geht. Die einzige Form von Infokrieg mit ertraeglichem Appeal ist darum nicht einmal der Guerilla- oder Buergerkrieg, sondern die Inszenierung, Symbolisierung und Sublimierung des Krieges in Spielen etc. Das Interface ist nicht nur Schnittstelle zu einem technischen C, ihm entspricht auch der Ausschluss von und der Anschluss an einem Machtapparat. Von der anderen Seite her verheisst das Interface selbst Macht ueber die Apparate (ohne diese im Innern und Einzelnen verstehen zu muessen). Die auf die Interfacefrage projizierte Wichtigkeit basiert auf der Annahme, dass nicht die Information oder Bilder, sondern Maschinen-Koerper-Schaltungen wichtig sind. Die zentrale Faszination des Interfaces basiert vielleicht auf der Magie der Fernsteuerung, klickt man auf ein Symbol, wird dieser oder jener Prozess ausgeloest, das Grundelement des Interfaces ist darum immer noch der magische Knopf, der industrielle Schalter, der immer auch Macht aus der Feme verheisst. Einerseits wird das kybernetisch geschlossene System der kapitalistischen Mechanosphaere ans Aussen angeschlossen, es wird gefordert, die Rechnung mit dem Wirt zu machen. Im zweiten Fall wird ein aeusserer (virtueller) Beobachter eingefuehrt, der 'Demiurg', von dem aus sich die Grenzen von Subjektivitaet und Objektivitaet radikal verschieben. 'Transformationsbombe', 'Infowar', 'Kommunikationsguerilla' deuten auf diese moeglichen Veraenderungen. Momentan geht es aber darum unter anderem durch die Mittel der Kryptographie den "glatten Raum des Netz zu kerben" (Nils Roeller) und ihn 'sicher' zu machen, was einer Territorialisierung, Segmentierung und Materialisierung des Digitalen Codes gleichkommt, mit seiner Tendenz zur endlosen Transformation und der widernatuerlichen Faehigkeit zur verlustfreien Kopie. Kurz gefasst: es kommt zu Besitzverhaeltnissen, einer Privatisierung der Allgemeingueter Bandbreite, Netztopologie, public content, Adressierbarkeit usw. Statt einer populaeren Ideologie des Privaten und des Privatbuergers anheim zu fallen, die einer realen Bedeutungslosigkeit des Individuums gegenuebersteht, die nur im statistischen demographischen Summe Gewicht erhaelt, oder in ihrem konsumistischen Willen zur Differenzierung und Identifizierung, geht es darum, den Diskurs um privacy neu zu bestimmen. In wessen Interesse wird die nicht umsonst als Waffe deklarierte (harte) Kryptographie verhandelt? Wie kommt es zur Allianz von Hochfinanz und anarchistischer Hackerkultur (Cypherpunks) die gemeinsam den Staat verteufeln. Es wird schliesslich schwieriger werden, einen Code zu knacken, als eine Nationale geographische Grenze zu uebertreten. Im Hintergrund stehen Modell der Identifizierung und Authentifizierung, des 'sicheren' und beschleunigten (verschlankten) Geldverkehrs, und erst ganz zum Schluss das Recht auf Anonymitaet (Unsichtbarkeit), die viel eher den Debatten um den oeffentlichen Raum zuzuordnen sind. Die Grenzen zwischen public und private zu kontrollieren (digitale Eingangssperre), die Grenze zwischen Kopie und Original, (die Wiedereinfuehrung der Kopiersperre (gegen das Nachdrucken der E-Dollars), und die Grenzen zwischen den verschiedenen Formen der Koerperlichkeit (Sport, Medizin, Musik) sind allesamt durch corporate structures ueberkodiert. Die Unternehmenskulturen jedoch, ihre Ethiken, ihre Strategien sind alles andere als transparent, demokratisch ueberpruefbar oder in die sozialen Institutionen integriert. Hier deutet sich der Machtkonflikt ab der sich mit, ueber oder vor allem ausserhalb der Medien entscheiden wird. 15. Zum Ende des Koerper-Diskurses Beispielhaft ist der Kampf um das Gespenst des Humanismus. Die Geste des Posthumanen ist beseelt von einem Abloesungs- und Unterscheidungswahn buergerlicher Ideale, die in saemtlichen gesellschaftlichen Bereichen laengst als irrelevant angesehen werden koennen. Nur auf der Ebene der Repraesentation, der Sonntagsreden, und Opernhaeuser findet man die Tugenden des Humanismus noch praesent, im schmutzigen Alltagsgeschaeft gelten jedoch die je verschieden politisch gefaerbten Auspraegungen des Pragmatismus. Viel erfolgreicher als die Scheindebatte um das Ende des Menschen, seine unspektakulaere Verschmelzung mit den Maschinen, viel verlockender als die maennlichen Phantasmen um Unsterblichkeit und mind up/downloading ist die Verheissung auf Reichtum und Ruhm. Wird auf den Institutionsburgen die Fahne mit dem Cyborg gehisst, produziert man 'world-class' Cyborg-Installationen, kommt aus den Niederungen die Forderung nach Low-Tech und sozialem Anschluss, werden die alten Formen modifiziert und man findet den Cyborg z.B. als DJ wieder. Theoretischer Diskurs funktioniert hier als figurenreiche Tafelmusik, sie macht die z.T. unanschaulichen Brocken der aesthetisierung von Wissenschaft und Technik verdaulicher fuer die technikskeptische Kulturkritik. So ist das Fleisch, der Koerper, der in unzaehligen elektronischen Bildern im postmodernen Diskurs, gemapped, zergliedert, gezerrt, gespiegelt und transformiert wird, immer schon ein vorkultivierter, geschlechts- und rassenspezifischer Protokoerper, das Phantom des klassischen Menschen, der klassischen Bildung und dessen theoretisch-illustratives Delirium um Koerperlichkeit, dort wo es an seine Grenzen laengst uebertreten hat. Die Koerperlichkeit, die in eine Krise geraet ist vor allem die des Autors, Kritikers, Beurteilers. Es ist die Koerperlichkeit der Schrift, der Druckpublikation, deren Regeln unterlaufen werden durch die Geschwindigkeit und Kurzlebigkeit der elektronischen Kommunikation; der Meinungen und Geruechte, der sozialen Intelligenz, denen eine ebenso banale wie fundamentale Koerperlichkeit und Koerperpolitik vorausgeht, die eben die Bedingung fuer einen festen Punkt im Netz ausmacht. Am anderen Ende der Skala hat man sich laengst auf spirituelle Reisen aufgemacht, die die Grobheit der Elektrizitaet und des Cybersexes, des VR-Anzugs und dem gnostisch-christlichen Willen zur Virtualitaet weit hinter sich lassen und meist auf 'ganzheitlichen' aus Asien importierten Koerperkulturtechniken fussen (Yoga, Kundalini, Tai-Chi etc.). Insofern entpuppt sich der Koerperdiskurs im Kontext der neuen Technologien als der alte miefig-pietistische Kampf mit dem Leib und dessen kultureller Sublimation auf der Buehne der elektronischen Medien als Ballet der Verklemmtheiten.