Speed interview mit Geert Lovink
Fuer http://www.politik-digital.de
Fragen von Bas Bergervoet
BB: Die meisten Web 2.0-Angebote leben vom Input ihrer Benutzer. Was motiviert
die Nutzer, ihre Zeit und Energie in die Content-Produktion und -verarbeitung zu investieren?
GL: Junge leute sehen in Web 2.0-Anwendungen Gemeinschaften, die begeistert, frei – kostenfrei – und sozial sind, aber verstehen die wirtschaftliche Seite nicht. Sie wissen nicht, dass alle Informationen f¸r wirtschaftliche Zielen verarbeitet werden. Die nächste Frage ist also, ob das übel ist…
BB: Wie wird die Entwicklung diesbezüglich in den n‰chsten drei Jahren aussehen?
GL: Es sieht nicht so aus, als ob die ‰lteren Leute z.B. auf Flickr oder Orkut von den jüngeren unterrichtet werden. Man muss eigene Erfahrungen machen und das ist ein langer Weg. Vor allem Jugendliche sind sehr kritisch. Wenn etwas nicht funtioniert oder Wenn ein anderes Angebot besser ist, wechseln sie gleich. Davor haben die Dienste Angst.
BB: Unsere Studie geht davon aus, dass der Erfolg von Web 2.0-Angeboten zu
einem grossen Teil davon abhpngt, ob sie den Nutzern helfen, bestimmte Bed¸rfnisse zu befriedigen. Welche Motivationen oder Bed¸rfnisse sind am m‰chtigsten, bzw. sind es Wert, angezapft zu werden?
GL: Diese Bedürfnisse haben vor allem damit zu tun, dass es eine kritische Massse gibt. Diese Masse ist das Gegenteil von Underground. Diese Leute tauchen auf MySpace oder Orkut auf und können sich ganz einfach vernetzen, im Gegensatz zu früher. Jetzt wird “bist du mein Freund” in die Software eingebaut, es wird ein System. Diese System erleichtert es, Leute zu finden. Leider geht das System davon aus, dass man an Ähnlichkeit interessiert ist, nicht in Unterschieden.
BB: Kann es auf lange Sicht genuegen, dass Nutzer aufgrund ihrer Motivation
ihre Beiträge leisten? Auch Web 2.0-Nutzer müssen etwas essen. Welche Rolle
spielen monetäre Anreize?
GL: Es gibt jetzt erste Versuche. Web 2.0-Sachen spielen sich noch immer im “Umsonst-Kontext” ab. Sie versuchen eine Art Wirtschaft aufzu bauen. Das sieht man zunächst aber vor allem in anderen Bereich, z.B. bei EBay, aber auch bei SecondLife, einer Onlinewelt mit Avatar. Hier geht es um Verkauf von kleidung, identitätsstiftendem Material, Landverkauf, etc. Alles wird mit echtem Geld gezahlt. Mit Web 2.0 hat das noch nicht viel zu tun. Es gibt eine kleine wirtschaft, Google Ads stellt aber noch nicht allzu viel dar. Web 2.0 ist da noch in der 90er Jahren, in der Dotcom-Zeit.
BB: Wie können kollektive Modelle zukünftig genutzt werden, um Orientierung im
Netz zu geben, ob bei der Informationssuche oder beim Navigieren?
GL: Da wird sich noch viel tun. Google hat sich in den letzten fünf Jahren nicht geändert. Google hat viele Firmen aufgekauft – eine klassiche amerikanische Firmenstrategie. Nun gilt es abzuwarten, bis es sich stabilisiert und andere kommen. Es kann sein, dass sich da etwas tut, was Tagging angeht. Das alte Google-Modell geht auf sein Ende zu, da man damit nicht mehr besonders viel anfangen kann.