Interview mit Berliner Gazette (Krystian Woznicki)

Zur Zukunft des Internet
oder: >>Netzkritik, Nicholas Carr und das Ende der Blogs.<youngnewcoolNetzkritik< anfingen [3] und die Liste nettime.org gruendeten, gab es tatsaechlich nicht besonders viel. Die Idee war nicht besonders revolutionaer, aber immerhin nicht ganz einfach zu realisieren, naemlich eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dieses Medium anzufangen, die sich an Film und Theaterkritik messen kann, wobei sachkundig und vor allem konzeptuell reflektiert wird. Einer der Ansprueche war: Obwohl das Netz nicht neu ist, sollte es nicht heruntergeredet werden. Trotzdem hat es ein ganzes Jahrzehnt lang nur die eine Frage gegeben, was das Medium ist – als ob jede Theaterrezension damit beginnt zu erklaeren, wer Shakespeare oder Schiller ist… Oder ein Volkswagenbericht, der zuerst erklaert, was ein Kraftfahrzeug ist… Und das jeden Tag.

Weltweit haben wir das Problem, dass das Internet von Journalisten gecovered wird, die sich mit der Materie nur oberflaechig befassen. Viele in den alten Medien sehen das Netz als Konkurrent an. In dem Sinne liegt es nicht im Interesse der Tageszeitungen, sich mit dieser Materie intensiv zu befassen. Viele haben schlichtweg gehofft, das Medium wuerde irgendwie verschwinden. Von Buchverlag bis Fernsehen bestand die Strategie darin, das Netz zu ignorieren und es als Mode und Pop abzutun. Gleichzeitig wurden die Feuilletonintellektuellen in Stellung gebracht, um das ganze als Cyberspace zu mystifizieren und wegen Kinderporno, Spam und der Datensintflut moralisch zu defamieren. Leider hat sich hier seit dem Dotcomcrash und dem 11. September nicht besonders viel getan. Noch immer bleiben die Medien stecken bei der Frage, was ein Blog, Wiki oder podcasting wohl sei.

Was sich aber geaendert hat, ist die interne Kritik, auf dem Web, innerhalb der Computerbranche. Mein grosser Held derzeit ist Nicholas Carr [4], der sich den politisch korrekten Google-Monopol widersetzt und als interner Fachspezialist Googles Strategien in Frage stellt. Trotz Wachstum wird es den blinden Hype wie es das ende der neunziger Jahren gab, so nicht mehr geben. Man sollte da auch noch in Betracht ziehen, dass die promarkt und antistaatlichen libertaeren Geeks und ihre venture capitalists, politische Hegemonie verloren haben und sich der Uebermacht und der Frechheit der Neocons um Bush konfrontiert sehen. Die Kritik am Neoliberalismus ist nach wie vor weltweit im Vormarsch und kann nicht mehr so einfach vom Tisch gefegt werden.

In den neunziger Jahren haben die Dotcoms noch geglaubt, man muesste diese Besucher ueber Werbung ansprechen, aber das ist einfach nicht der Fall. Das laeuft ueber Reputation. Das Ziel der Netzkritik besteht darin, den demokratischen Mythos des Internet zu untersuchen. Es ist zum Beispiel nicht ganz so einfach in den ersten Liga der Bloghierarchie zu kommen. Da herrschen, so der New Yorker Netzexperte Clay Shirky, die sogenannten Machtsgesetze [5], die besagen warum viele nach nur wenigen Webseiten Links setzen. Trotzdem ist die Machtungleichheit kein Vergleich zum Fernsehen. Was hier angesagt waere, ist die Schliessung der Luecke zwischen Blogs und den sogenannten sozialen Netzen wie Orkut, Flirck, MySpace usw. Viele haben kein Bock auf diesen Individualismus der Blogsphaere. Gruppenblogs existieren schon und es ist nur eine Frage von Zeit, wie lange diese individuelle Blogkultur noch existiert.

1. mailto:geert@xs4all.nl
2. http://www.networkcultures.org
3. http://www.thing.desk.nl/bilwet/#geert+pit
4. http://www.roughtype.com/index.php