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Wir haben immer noch nicht begriffen, wie das Internet funktioniert – sagt Geert Lovink. Die Netzeitung im Gespräch mit dem provokanten Medientheoretiker.
Die Welt ist sein Zuhause – Geert Lovink (geb. 1959) hat in den Niederlanden studiert, in Australien promoviert und in Zentral- und Osteuropa gelehrt. Er ist Mitgründer des Community-Netzwerks «Digital City» und Mitglied der Stiftung zur Förderung illegalen Wissens – einer freien Assoziation von Intellektuellen aus der Medienszene.
Von 1989 bis 1994 war Lovink Redakteur des Medienkunst-Magazins Mediamatic. Seit 2004 lehrt er im Bereich Neue Medien an der Hogeschool in Amsterdam – und natürlich ist er Blogger. Nach zahlreichen Studien zur Internetkultur wird in diesem Jahr sein Buch «Zero Comments», das am Berliner Wissenschaftskolleg entstand ist, erscheinen. Weil er wie immer viel unterwegs ist, führen wir das Interview per Mail.
1 Wenn ich das Interview mit dem Schlagwort «Web 2.0» beginne – gehen dann bei Ihnen die Klappen auf oder zu?
Ich versuche dann erstmal, den Vergleich mit dem Dotcom-Hype zu vermeiden.
2 Liegt dieser Vergleich denn nahe?
Web 2.0 ist sicher eine zweite Welle, aber es gibt derzeit keinen Aufschwung. Das große Geld ist einfach nicht da. Ein anderer Unterschied zu den goldenen Neunzigern ist, dass es jetzt Benutzergruppen gibt, die nicht blöd sind. Ich mag es eigentlich nicht, dass in diesem Kontext über das Meuteverhalten der Netzbenutzer gesprochen wird, aber da ist trotzdem etwas dran. Wenn Leute einen Online-Dienst nicht länger mögen – wegen Kommerz oder Zensur -, ziehen sie einfach weiter.
3. Da gehen aber viele Klappen gleichzeitig auf – Dotcom-Hype, Geld, Benutzergruppen, Kommerz/Zensur, Wahlfreiheit. Dabei zielte die Frage erstmal nur darauf, ob Sie den Begriff «Web 2.0» überhaupt noch hören können.
Ich finde ihn nicht so schlimm wie Dotcomhype. Klar: die Übernahmewelle von Myspace durch Murdoch und Youtube durch Google und so weiter – das nervt. Es wäre viel besser gewesen, die Applikationen hätten niemandem gehört oder aber irgendwelchen öffentlichen Netzen und wären nicht verkäuflich gewesen.
4 Was genau ist denn das Problem an solchen Strukturen?
Das Problem ist, dass die meisten Hacker und Aktivisten entweder schlafen oder dass sie die dem Web 2.0 zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse gutheißen. Das Problem liegt also bei uns, und nicht beim Web 2.0.
5 Aber uns geht es doch nicht schlecht im Netz. Nehmen Sie die Netzmedien. Die meisten kann man jederzeit aufrufen, ständig wird etwas aktualisiert, und das Ganze kostet keinen Cent.
Die große Aufgabe einer Netzkritik 2.0 wäre die Enttarnung des Kostenfreiheitsmythos. Es ist erstaunlich, wie verbreitet die Idee ist, im Netz sei alles umsonst. Die Herstellung und Weiterführung der Websites kosten Geld. Es gibt Programmierer, Designer, Hardware, Bürokosten. Irgendwie muss das alles doch bezahlt werden. Der Benutzer zahlt zwar nicht für die Inhalte, aber für die Geräte, für das Surfen im Netz, vielleicht auch für die Software. Genau da wird das Geld ausgegeben – und verdient.
6 Ja, sicher. Aber das Abo einer Tageszeitung ist teurer als das, was ich meinem Anbieter fürs Surfen bezahlen muss, ein umfassendes Lexikon kostet ein paar hundert Euro, ist aber nicht viel besser als Wikipedia und längst nicht so aktuell.
Wenn Sie etwas von der Internetökonomie verstehen wollen, müssen Sie erstmal von Ihrer Inhaltsobsession wegkommen. Die Herstellung von Inhalten kostet gar nichts mehr. Das heißt, die Kosten sind privatisiert und unsichtbar gemacht, jetzt im Moment kommuniziere auch ich kostenfrei.
7 Erklären Sie mir doch bitte die Internetökonomie.
Inhalte werden zum großen Teil entweder von den alten Medien erzeugt – nehmen Sie «Spiegel»-Online – oder von einzelnen Benutzern produziert und umsonst ins Netz gestellt. Eine kollektive und vernetzte Herstellung von Inhalten ist Ausdruck eines sozialen Wandels, den wir Alteuropäer nun mal nicht kapieren wollen. Der Großteil des Wissens ist schlicht und einfach da, er kann in digitaler Form problemlos reproduziert werden.
8. Welchen sozialen Wandel meinen Sie, den wir Alteuropäer nicht verstehen?
Es ist ein Wandel von einer kontrollierten Inhaltsproduktion der alten Medien zu einer Herstellung von Text, Bild und Musik, bei der jeder Medienproduzent sein kann. Die Umstellung war gerade in Westeuropa über lange Zeit schwer vorstellbar, weil die Medienberufe oft durch lang laufende Verträge, Krankenversicherungen und eine relativ gute Absicherung von Freiberuflern geschützt waren.
9 Bitte, das ist doch längst vorbei.
Ja, heute gehört das Ganze der Vergangenheit an, auch weil keine Alternativen zu den öffentlich-rechtlichen Medien entwickelt wurden.
10 Wenn wir diesen Umbruch nicht verstehen, wer versteht ihn denn?
Wir reden hier über Umwälzungen und darüber, wer sich Medienschaffender nennen darf und was wir als wichtig beurteilen. Es gibt längst Regionen, die sich schon tief im 21. Jahrhundert befinden. Wen, zum Beispiel, interessiert es denn noch, wer gerade im Suhrkamp Verlag das Sagen hat? Warum werden neue Medien nicht ernst genommen, sondern als Kommerz und Popkultur zur Seite geschoben? Es wird oft immer noch so getan, als ob das Ganze marginal oder sekundär sei. Aber das ist nur für eine bestimmte Generation so. Ich nenne keine Namen.
11 Mal angenommen, Sie wollen sich morgens beim Kaffee über die Welt informieren. Greifen Sie dann zu einer Zeitung oder gehen sie ins Netz?
Weil mich die niederländischen Medien langweilen, lese ich Google News auf Englisch und die Online-Ausgabe des «Sydney Morning Herald».
12 Sie gehen also ins Netz.
Ja, aber ich muss gestehen, dass ich nicht oft im Internet Nachrichten lese, sondern dort hauptsächlich e-maile. Nachrichten höre ich am liebsten im Radio, meistens beim BBC Worldservice oder bei einem lokalen Sender, also dort, wo ich mich gerade aufhalte.
13 Warum eigentlich mailen? Da hocken lauter einsame Menschen vor ihren Computern und schicken sich Botschaften, anstatt sich am Telefon oder persönlich zu unterhalten. Ist so viel mailen nicht dröge?
Klar, aber die Telefontarife sind immer noch teuer. Wir können leider noch nicht zum Lokaltarif global kommunizieren. Bei Mails geht das, E-mail is the poor man’s medium. Außerdem kann man ja auch von einem Handy, PDA oder Blueberry E-mails verschicken.
Klar, es gibt immer Gründe, weswegen Leute, die allein am Bildschirm arbeiten, Dating-Sites besuchen oder warum Jugendliche manchmal Angst vor öffentlichen Räumen bekommen. Aber das Internet produziert eben auch Verkehr, in der Luft, auf den Autobahnen, in den Cafés und Restaurants. Das steht aber nicht im Widerspruch zur ‘elektronischen Einsamkeit’, die Sie ansprechen.
14 Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zum ersten Mal im Internet waren?
Das war im August 1989 während der Galactic Hacker Party. Dort hat vieles von dem begonnen, was sich in den Jahren danach mit «xs4all»und der «Digitalen Stadt» entfaltet hat. Der Event wird alle drei, vier Jahre wiederholt.
15 Wie sah das Internet 1989 aus? Erzählen Sie!
Bis 1994, als mit Mosaic und Netscape die ersten Webbrowser erschienen, war das Internet text-only. Man musste alles als Befehl eingeben. Jetzt passiert das immer noch, aber wir sehen nichts mehr davon, weil wir diese schönen Oberflächen und Knöpfe haben, auf denen wir herum klicken. Damals mussten alle Benutzer eine Art Programmiersprache lernen, sonst lief gar nichts.
16 Haben Sie damals überlegt, ob Sie diese Sprache lernen? Oder haben Sie gedacht: das lohnt nicht, ist ja alles eh nur eine nette technische Spielerei, die nächstes Jahr vergessen sein wird?
In den 80ern mussten Computerbenutzer sowieso Computersprachen lernen, egal wie einfach oder schwer sie waren. Vielleicht ist Ihnen MS-DOS noch ein Begriff, der Vorläufer von Windows? Da musste man auch Befehle auswendig lernen. Anfang der 90er Jahre galt das auch fürs Internet. Viele mussten sich mit Unix herumschlagen, das war in meinem Fall sehr praktisch für Linux. Linux kann man ja heutzutage ohne größere Kenntnisse benutzen. Es lohnt sich immer, Computersprachen zu lernen, am besten, wenn man jung ist. Alte Hunde lernen nur noch ungerne neue Tricks.
17 Das Bloggen muss man ja auch lernen. Was macht für Sie ein gutes Blog aus?
Blogging – das ist zu einer richtigen Wissenschaft geworden. Sehen Sie sich mal die ProBlogger Webseite an. Da findet der ambitionierte Blogger viele Tipps, zum Beispiel, dass die Einträge nicht länger als 250 Wörter sein sollten. Wichtig ist auch, dass sie gut geschrieben sind, und ein persönliches Element in den Betrachtungen auftaucht. So etwas wie ein eigener Charakter, der nicht unbedingt dem realen Blogger selbst entspricht.
18 Haben Sie ein Lieblingsblog?
Ich lese gerne das imomus blog, betrieben von einem schottischen Musiker und Journalisten, der derzeit in Berlin wohnt. Wichtig finde ich das Rough Type Blog des ersten Netzkritikers aus der Umgebung der US-Großfirmen, Nicolas Carr.
Problogger
imomus
roughtype
masters of media
Er verfolgt vor allem Google kritisch und nimmt wie kein anderer das Web 2.0 auseinander. Und natürlich das Blog meiner Studenten, Masters of Media, ein gemeinsames Blog, das wir im September gestartet haben.
19 Von Ihnen stammt auch eine heftige Kritik am Bloggen. Sie haben geschrieben, Blogs hätten längst «ihren locker-hedonistischen Zug» zu Gunsten «einer glatten Selbstvermarktung» verloren. Viele von ihnen stärkten nicht die Welt der Blogs, sondern die der Medienindustrie. Ich habe das einigen renommierten Bloggern in Deutschland vorgelegt, um Gastfragen gebeten und auch welche bekommen.
Marcus Hammerschmitt (concord.antville.org) fragt: War es nicht naiv, je anzunehmen, dass grosso modo etwas anderes dabei herauskommen könnte? Uns bleibt sowieso nur die Nische.
Marcus Hammerschmitt
Foto: privat
Das können nur Zyniker behaupten. Geschichte ist weder linear noch dreht sie sich im Kreis. Was Medientechnologien angeht, haben wir noch einiges vor uns. In der Tat wäre es naiv zu glauben, dass Technologien ohne jede soziale Bewegung oder die Beteiligung von Menschen Revolutionen auslösen. Die meisten Blogs existieren erst seit fünf Jahren, sie ändern die Medienlandschaft nur geringfügig. Trotzdem kommt es zu einer langsamen, fast unsichtbaren Erosion der Machtverhältnisse.
20 Johnny Haeusler (spreeblick.de) fragt: Sehen Sie noch Unterschiede zwischen US-Blogs und Blogs in Deutschland?
Die Kulturunterschiede sind groß. Nicht auf der Softwareebene, sondern auf der Ebene der Sichtbarkeit. In Deutschland sind sie in den alten Medien weniger sichtbar als in den USA oder sonstwo. Das liegt an den Redaktionen, nicht an der Netzkultur, in Deutschland gibt es nach wie vor gewisse Vorbehalte gegenüber dem Netz. Die Nutzung ist intensiv, aber die Begeisterung bleibt im Grenzen.
21 Nochmal Haeusler: Warum eigentlich ist die Nähe von Bloggern zu den «alten Medien» so furchtbar?
Daran ist nichts furchtbar. Es zeigt sich aber, zum Beispiel in den PEW-Internetstudien, dass das Interesse der Blogger für Politik und Journalismus relativ klein ist. Es wird aber so getan, als ob alle Blogger in die Publizistik gehen wollen. Das ist nicht der Fall. Die große Mehrheit benutzt ihr Blog als vernetztes Tagesbuch. Darüber lesen wir aber kaum etwas.
22 Holm Friebe (riesenmaschine.de) fragt: Wie schätzen sie die ökonomische Zukunft des Web 2.0 ein?
Geld machen im Moment nur die, die ihre Web 2.0-Applikation an große Firmen verkaufen können. Risikokapital ist kaum da. Die Situation ist anders als Ende der Neunziger. Investmentbanken und Managergurus lassen die Finger davon, vielleicht weil sie ihre Verluste von damals noch nicht ganz vergessen haben.
23 Nochmal Friebe: Es heißt ja, dass nicht nur an der Spitze der Werschöpfungspyramide – bei den Konzernen – Geld verdient wird, sondern endlich auch an der breiten Basis.
Meinen Sie Peer-to-peer Netze, die auch eine Geldkomponente haben? Die sollte es geben, aber leider existieren sie noch nicht. Derzeit läuft noch zu viel über zentrale Schaltungen wie Ebay oder Amazon.
24 Peter Turi (turi-2.blog.de) fragt: Für wie veränderungsbereit halten Sie die etablierten Medien?
Peter Turi
Foto: privat
Da bin ich ganz skeptisch. Die alten Medien werden sich nicht grundsätzlich ändern. Wir müssen warten, bis die 68er-Babyboom-Generation abtritt. Sie hat alle Lust an Experimenten verloren.
25 Und noch mal Turi: Werden sich die etablierten Medien nicht auch wandeln – bevor sie beharren und untergehen?
Klar wird von ihnen einiges an Inhalten ins Netz gestellt, aber die Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten sind enttäuschend. Statt auf diese Medien zu hoffen, wäre es besser einfach mit einer Parallelstruktur weiter zu machen. So wie im Fall der Musikindustrie, wo es schon eine beachtliche Zahl von Musikern gibt die eigene Geldstrukturen aufgebaut haben.
26 Das war’s mit den Gastfragen. Sind Sie optimistisch oder pessimistisch, was die Zukunft des Netzes angeht?
Es macht jedenfalls kein Sinn mehr zu betteln. Die alten Medienstrukturen werden von allein einstürzen. Das wird aber noch dauern, weil nach wie vor Millionen vor dem Fernseher hocken. Leider schauen die grauen Panther alle TV. Diese Bevölkerungsgruppe muss zuerst aussterben.
27 Herr Lovink, wie viele Stunden verbringen Sie täglich vor dem Computer?
Viel zu wenig. Ich leide nicht an Internetsucht und habe ein lebendiges Sozialleben. Außerdem ist Vernetzung etwas Zwischenmenschliches, die Technologie selbst wird auch immer sozialer.
28 Wie hat das Internet unser Kommunikationsverhalten geändert?
Ob wir mehr kommunizieren, geschweige denn mehr zu sagen zu haben, lasse ich offen. Und die technologischen Neuigkeiten lasse ich das sein, was sie sind – ein Marketingtrick. Die Kommunikation selbst ist digital und global. Das war früher nicht so. Die Geschwindigkeit in Echtzeit hat zugenommen. Wir haben die Freiheit, von jedem Ort aus miteinander zu reden; in Amsterdam ist es üblich geworden unterwegs auf dem Fahrrad mobil zu telefonieren.
Aber all diese Gadgets werden schnell zum Alltag. Die Änderungen in den Verhaltsweisen, die einmal als Revolution verkauft wurden, treten zurück und werden in die Normalität eingebaut. Was übrig bleibt, ist eine generelle Intensivierung der Zeit.
29 Das muss ja kein Nachteil sein.
Stimmt. In einer Ära der Zeitbescheunigung könnten sich Änderungen, die wir nie geahnt haben, rasch durchsetzen.
30 Welche Änderungen können da kommen?
Ich bin weder Visionär noch Futurist. Mir ist die Frage wichtig, ob und wie kritische Kulturinhalte gefördert werden können, und nicht, für welchen Träger sie konzipiert werden.
31 Also am besten selbst Medien machen. Was braucht es dazu?
Kritik, Agitation, sich selbst beklagen können, introvertierte Debatten, wilde Grafik, schräges Radio, laute Videos, hyperindividuelle Blogs, alternative Diskurse. Das alles gibt es und vieles mehr. Was mir an «kritischen Medien» am meisten auffällt, ist ihre Verwurzelung innerhalb der Gesellschaft. Sie stehen fast nie außerhalb, egal wie marginal sie sind. Es ist verdammt hart, unzeitgemäß zu werden.
32 Was ist denn heute gleichzeitig kritisch und «zeitgemäß»?
Man müsste erstmal von den üblichen Schemata wie dem verschwörerischen Imperialismus, den bösen Kapitalisten, der Universalisierung des Opfertums und ähnlichem wegkommen. Dabei muss ich aufpassen, nicht alles ins Negative zu ziehen, weil die Geste der selbstgerechten, selbstbezogenen Kritik – wie sehr ich sie auch mag – derzeit nur zur sinnentleerten Situation des Alltags beiträgt. Die Überwindung des Nihilismus, wie Nietzsche sie propagierte, steht immer noch an. Eine imaginäre Überwindung, allerdings ohne Verneinung.
33 Viele kritische Medien scheitern nicht nur an den Inhalten, sondern auch an der Form.
Klar müssen sie sich zuerst mal mit den Eigenheiten des Mediums befassen. Giacco Schiesser spricht vom «Eigensinn» der neuen Medien. Seit wie vielen Jahrzehnten beklagen wir eigentlich schon den Mangel der Linken an ästhetischem Bewusstsein? Es ist ja nicht mal Anti-Ästhetik im Sinne der Punkbewegung. Es ist organisierte Schlampigkeit.
Worauf meine Bemerkung zielte, sind die nötigen Recherchen, die man für jeden Bericht und jedes Feature braucht. Sie bleiben dieselben, egal ob wir fürs Netz, fürs Fernsehen oder für Zeitungen arbeiten.
34 Wir haben jetzt wochenlang hin und her gemailt. Wo sind Sie in der Zwischenzeit überall gewesen?
networkcultures.org/mycreativity
Zuerst in Amsterdam, wo ich die Konferenz «My Creativity» mitveranstaltet habe. Es ging um eine Kritik am Opfertum und an der Glorifizierung der eigenen Prekarität.
35. Prekäre Arbeit und Internet gehören doch zusammen wie Gewerkschaft und Tarifvertrag.
Aber sollen wir Arbeitsverhältnisse einfach als etwas Gottgegebenes akzeptieren? Ich finde nicht. Es geht hier um neue Berufe, um Freelancer, aber auch darum, wie die neuen Medien in die bereits existierenden Organisationen – Baufirmen, Krankenhäuser, Gewerkschaften – eingebaut werden. Dieses Einbauen in die Gesellschaft, das ist auf jeden Fall Web 2.0.
36 Das klingt jetzt nach: «Prekäre aller Länder – vereinigt euch».
Sie meinen «vernetzt euch» – bitte updaten. Es ist wichtig, sich über solch lebenswichtige Angelegenheiten wie Arbeitsbedingungen, -verträge und -zeiten auszutauschen. Ob sich daraus eine Gewerkschaft im klassischen Sinne ergibt, wage ich zu bezweifeln. Ein Beispiel für die Praxis sind die Euromayday-Ereignisse an jedem 1. Mai.
37 Sie sagten, sie seien zuerst in Amsterdam gewesen…
…danach in Delhi, in Sydney und im Urlaub.
38 Wo haben Sie ihren Urlaub verbracht?
In Australien, auf Familienbesuch.
39 Gilt bei Ihnen im Urlaub: Finger weg von allen Medien oder gehören sie zum Ausspannen dazu?
Ich bin da nicht dogmatisch, aber meistens verbringe ich die Ferien ohne Netz und Computer. Meine Zeit gehört den Menschen, nicht den Maschinen.
Mit Geert Lovink mailte Maik Söhler.