Unpublished interivew, Paris, November 1996

HUO Geert, wie siehst du die Entwicklung von copy rights und freier Information?

GL: Ich glaube, dass diese Freiheit sich so nicht mehr durchsetzen wird, dass wir jedoch neue Freiraeume aufbauen werden, die ausserhalb des Internets liegen denn dort laufen Shareware und Free Content Gefahr, zu verschwinden. Diese neuen Freiraeume gehen Hand in Hand mit der Definition von virtueller Oeffentlichkeit unter neuen Bedingungen., die nicht vom Staat geschaffen werden, sondern die wir selber aufbauen und realisieren muessen. Wir muessen die Sache selber in die Hand nehmen, denn diesen Fuersorge-Staat, der die Oeffentlichkeit sozusagen schuetzt und fuer sich in Anspruch nimmt auch pflegt und finanziert wirds in Zukunft nicht mehr geben.

HUO: Es geht also um Selbstorganisation.

GL: Ja und um Freiraeume , wo es nicht diese copyrights gibt, wo nicht ueber e-cash abgerechnet wird. Vieles wird in Zukunft zu den grossen content industries gehoeren, die nach und nach alle Inhalte aufkaufen, die alle Software vertreiben und sowohl Interface als auch Inhalte anbieten.

HUO Wie siehst Du die Frage der Autorenhonorare.

GL: Wir befinden uns in einer Uebergangsphase. Mir macht das nicht allzugrosse Sorgen; dass jetzt diese Abrechnungen aus der vor-virtuellen Zeit absterben, und dass neue Abrechnungsverfahren und die Online-Zeitschriften oftmals nicht . bezahlen. Das wird schon kommen. Die Sache wird nur durchkommerzialisiert; sehr viele Leute koennen sich daran beteiligen und Geld damit verdienen. Es gibt ja diesen Aufruf von Richard Barbrook aus England fuer eine “trade union of digital artisans” wo es um elementare Rechte geht fuer: Autoren, Kuenstler und Designer, die im Netz-Bereich taetig sind. Das sehe ich als als eine neue Aufgabe: nicht so sehr zu jammern ueber Verluste und dass es kein Geld mehr gibt, sondern sich zu organisieren und ganz basale Rechte einfordern wie: Mindestlohn, Krankenkassen,Versicherung . Dazu gehoeren internationale Preisvergleiche – wann wer wieviel bekommt – damit die Leute also in Asien und in Osteuropa genau-so-viel bekommen wie wir.

HUO: Also eine Art von Re-Negotiation biseriger Organisationsstrukturen.

GL: Es ist angesagt ,dass wir uns selbst organisieren und zwar auch auf Tarif-Ebene. Wenn man auf dem Internet unabhaengig arbeitet, also nicht zu einem der grossen Content Provider gehoert, ist man natuerlich auch sehr schnell dem Schicksal des Marktes ausgeliefert, und den schrillen Verschiebungen und Veraenderungen ausgesetzt und muss sich dagegen wehren. Aber nicht im Sinne einer Ablehnung, sondern ganz im Gegenteil im Sinne einer Organisation, die klar macht, was unsere Rechte in diesem Bereich sind.

HUO: Bruce Sterling hat mit kuerzlich erzaehlt, dass er Buecher die er frei aufs Netz gibt in der Regel wesentlich besser im Buchhandel verkauft.Es scheint also nicht um ein entweder oder zu gehen… sondern um ein sowohl als auch-das ist ja eine Komplementaritaet! Immer wenn ein neues Medium mit seiner eigenen Realitaet, seiner eigenen immanenten Logik ins Spiel kommt: dann veraendert dieses neue Medium ja die Spielregeln fuer alle anderen Medien im Spiel, das Radio musste sich neu erfinden als das
Fernsehen erfunden wurde.

GL: Dass die Medien sich gegenseitig verstaerken und ergaenzen ist eine fundamentale Einsicht.Es is banal, aber gleichzeitig hoechst kontrovers. Und das Gegenteil ist natuerlich auch der Fall: es ist ein Krieg von allen Medien gegen alle Medien, weil, alle hegemoniale Ansaetze haben, weil alle Geld beanspruchen und weil alle fuer den Aufmerksamkeitsspan kaempfen. Damit meine ich, dass man ganz genau studieren muss, was Leute anzieht; wie sie eine Zeitschrift lesen, wieviel Zeit sie damit verbringen, wieviel sie kaufen, wenn sie im Netz flanieren; was sie suchen – wann, wann wirds langweilig etc. Was lesen sie zuende, und was nicht; was schauen sie sich an. Alles andere ist nur ein Traum oder eine Vision von Leuten die irgendwas “mal benutzen werden.

HUO: In der Kunst wie auch in der Wissenschaft ist bisher in den 90 er Jahren viel mehr ueber Fragen der Zeit gesprochen worden als ueber den Raum .Eine Art von Zeitobsession macht sich breit, une obsesssion du temps libere.

GL: Das gilt auch fuer die Netze, wo alles nach und nicht nach dem Raum um der Oertlichkeit,berechnet wird. Wir leben in einer “Diktatur der Zeit”. Es muss daher auch Moeglichkeiten geben, sich gegen diese Diktatur der Zeit zu wehren, ihr zu entkommen. Verschiedene Zeiten koennen unterschieden werden; es gibt eine intensive Zeit und es gibt eine extensive Zeit und beide sollten sich abwechseln. Darueber hinaus gibt es eine intensive Zeit der Gedanken und der Vernunft und es gibt eine extensive Zeit der Traeume. Im Netz kommen all diese Zeiten zusammen, weil man da sehr konzentriert die Dinge in sich aufnimmt, und sich gleichzeitig wie in einem Traum treiben laesst, wenn man mal richtig lossurft. Die neuen Technologien intensivieren und komprimieren die Zeit. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant auf die aktuelle Debatte ueber die Beziehung und Benutzung der Medien und die Frage der Disziplinierung einzugehen. Beim Metaforum in Budapest gab es eine Auseinandersetzung zwischen Richard Barbrooke und Manuel De Landa ueber Fragen der Disziplinierung.

HUO: Worum ging es bei dieser Debatte?

GL: De Landa kommt aus der Tradition von Foucault und ist natuerlich gegen Formen der Disziplinierung eingetreten, waehrend Richard Barbrooke darauf hingewiesen hat, dass wir nur mit dieser Erziehung und Disziplinierung ueberhaupt faehig sind, aufm Stuhl zu sitzen und stundenlang vor dem Bildschirm zu schreiben oder von Bildschirm zu Bildschirm zu kommunizieren.. Der Computer erfordert sehr viel Konzentration, wenn man selbst etwas eigenes aufbauen will und dabei durch endlose trial-and-error-Phasen hindurchgeht, wenn man programmieren lernt. Und dafuer ist diese .. Disziplinierung absolut notwendig. Und es wird im oekonomischen Bereich ja auch so sein, dass jetzt sehr viele Leute unfreiwilling dieser Disziplinierung unterworfen werden. Die Gruppe, die dazu gezwungen wird, aus oekonomischen Gruenden in den Netzen zu arbeiten, wird immer groesser. Daher ist es sehr wichtig , sich zu ueberlegen, wie wir diese Kontrolle umgehen koennen. Es gibt im Netz eine ungeheuer grosse Tendenz zu flaechendeckender Kontrolle des Verhaltens. Ein Beispiel ist das Abblocken von ungewuenschten Websites, wie es im Moment fuer Kinder und auch fuer Arbeitnehmer gemacht wird. . Dazu gehoert auch die Einfuehrung von Intra-Nets.

HUO: Wie wuerdest du den Begriff des Hackers hic et nunc definieren.? Hat sich in den letzten Jahren etwas veraendert?

GL: Historisch gesehen war ein Grossteil der Arbeit der Hacker das Aufmachen und Demokratisieren des Internets. Dieses Programm der Hacker ist heute zu grossen Teilen erfuellt. Also die Oeffnung dieser geschlossenen, akademischen Netze und das Aufbauen eigener Systeme, ueber Mailboxen sowie der freie Austausch von Software, das sind alles Sachen, die im Moment erreicht sind. Hacker haben eine grosse und sehr wichtige Vorreiter-Rolle gespielt. Noch vor einigen Jahren als kriminelle Akte betrachtete Fragen von “Access” sind zur Handelsware geworden. In manchen Laendern natuerlich zu etwas sehr Teurem; in anderen Laendern wie beispielsweise in Holland zu etwas, was extrem billig zu haben ist. Die Hacker haben eine Kultur im Netz verbreitet, die sie teilweise auch nicht selbst erfunden haben; sondern teilweise vorgefunden haben (zum Beispiel NetTicket). Dabei kam es zu merkwuerdigen Verbindungen von Hackern mit akademischen Zirkeln aus dem Informatik-Bereich, der Software-Industrie und vielleicht sogar der Militaer- und Geheimdienste. Wir befanden uns damals am Ende des kalten Krieges und vieles , was passierte war davon gapraegt.

HUO: Du hast ja sehr viel mit Hausbesetzung, zu tun gehabt und produzierst seit den 80er Jahren alternaves Radio in Amterdam.

GL: Ja, fuer mich kommt viel zusammen in dem, was, was wir 89 zusammen organisiert haben, also das erste grosse Internationale Hacker-Treff in Amsterdam, im Sommer 1989, kurz vor dem Mauerfall. Es handelt sich um die Galactic Hacker Party, die im Paradiso stattfand, wo sich viele Leute kenengelernt haben, wo die Verbindung zu Hamburg und zum Chaos Computer Clu, zu New York und San Francisco und auch die Verbindung zu den Netzen in der Dritten Welt enstanden sind. Es wird oftmals vergessen, dass Mailboxen in Afrika und Asien schon seit Mitte der achtziger Jahre funktioniert haben. Es gabeine kurze Zeitspanne , bevor die Kriminalisierung anfing ,das waren sozusagen die goldene Jahre der Hacker um 1986 rum.

HUO Wo siehts Du die wichtigsten Unterschiede zwischen der Hacker Szene und der Hausbesezterszene?

GL: Was ist “Techno-Anarchismus”? Darueber gibts ueberhaupt keinen einzigen Text. Wenn man die Leute fragt, haben die selbst keine Ahnung; sie sagen “das hoert sich gut an” und “dazu stehen wir”, aber von Bakunin haben sie keine Ahnung . Sehr viele von diesen jugendlichen Leuten sind sehr rasch in den Grossfirmen verschwunden. Das heisst, wenn sie gut waren, wurden sie aufgekauft : jeder weiss, was ich meine: also das ist der Ausverkauf der Hacker-Szene, und nur wenige sind uebrig geblieben. In der Hausbesetzerbewegung und der autonomen Bewegung hat es diesen Ausverkauf nie gegeben. Es gibt im Hackerbereich einen viel lockereren Umgang mit oekonomischen Fragen. Dies geht einher mit einer relativ naiven Sicht auf den ganzen Bereich des Politischen. Man ist auch gerne bereit, sich mit Geheimdienstlern zu treffen, ja, oder mal im NATO-Hauptquartier zu fahren um dort einen Vortrag zu halten – etwas , das nie in mir aufkommen wuerde – vielleicht sind das kulturelle Unterschiede. Weiter zur Frage der Hacker: Viele Aktivisten und Kuenstler haben weiterhin grosse Probleme , die Apparate und Geraete zu verstehen, die Programme zu lernen, geschweige , sie knacken zu koennen und wirklich fuer ihre eigenen Ziele einsetzen zu koennen. Die Hacker haben einen sehr grossen Vorsprung: sie haben ein spielerischen Umgang mit der Technologie entwickelt. Sie schauen , durch Programme hindurch und benutzen diese zuweilen als Spielzeug, benutzen,was ihnen ungeheuer viele Moeglichkeiten eroeffnet, die, ‘uns’ statischen , doch eher melancholischen, Personen, die sowas vielleicht als “Objekt” sehen, an dem man vielleicht ‘nbisschen ‘rumbastelt nie gelingen wuerde.

HUO: Es wird zur Zeit vorallem ueber die Zukunft und die Vergangenheit geredet. Einerseits gibts diese unertraegliche. reaktionaere Nostalgie in Europa, andrerseits die Ministerien der Zukunft, Neo Futurismus, was auch nicht besser ist. Viel wichtiger ist die Gegenwart.

GL: Ja, ich ich stehe immer fuer das Praesens. Und ich glaube, das ist auch immer eine Taetigkeit der Agentur Bilwet gewesen, die Gegenwart zu lieben und zu beschreiben. Und dabei alle Nostalgie abzuwehren. Und Futurismus als Konstruktion bzw. als Machenschaft zu entlarven. Es ist ungeheuer schwierig, in der Gegenwart zu leben. Es erfordert ungeheure Flexibilitaet. Man muss immer dann die Augen offen haben; man muss immer ein Gespuer haben fuer das Unsichtbare;, weil die Gegenwart unsichtbar ist, weil die Gegenwart unser Alltag ist, und der Alltag ist als solcher nicht wahrnehmbar, man kann nur in der Verzoegerung zu einem Begriff, zu einem System gelangen. Die Neue Medien muessen im Entstehen/im Werden begriffen werden. Interessant ist der Bezug auf die Ausgangspunkte der Cyberkultur, wo sie herkommt; welche Geschichte sie hat , welche Praemissen diese ‘Kultur der Westkueste’ in sich traegt. Waehrend wir versuchen , zu verstehen, historisieren wir schon. Ich hasse das eigentlich . deshalb versuchen wir von Bilwet zur Zeit eher das Elend, des Alltages auf den Punkt zu bringen. Was wir zur Zeit schreiben , laesst sich unter Begriffen wie “elektronische Einsamkeit”, “Socié’é des dzbacles”, zusammenfassen. Es geht um den Uebergang vom Spektakel zum Debakel – das ganze bezieht sich auf “Homoeopathie des Boesen” , die organisierte Unschuld, die es heutzutage gibt als Panzer gegen das Boese, gegen die Umwelt, gegen die Mafia

HUO:Raoul Vaneighem hat in seinen letzten Buecher auch von diesem Uebergang vom Spektakel zum Debakel gesprochen. Gibts da Bezuege?

GL: Ja vielleicht. Aber wir sind nicht so bitter wie Vaneighem. Wir schauen nicht im Zorn zurueck. Wir betreiben “froehliche Wissenschaft” und wir gehen davon aus, dass man auch Ikea geniessen muss. Als option. Also dass man dort hingehen muss und das als das absolut Moderne verstehen muss.

HUO: Du hast ja heute gesagt, dir ist der Begriff des Daten-Dandies lieber als der des Daten-Surfers; vielleicht koennen wir noch etwas darauf eingehen.

GL: Der Begriff Datendandy, entstanden in 1993 , kommt aus einer Zeit wo die Cyberkultur und Internet den meisten Menschen noch weitgehend unbekannt waren und ich erst ein paar Monaten ein Internet Anschluss hatte.

HUO: Was ist denn der Unterschied zwischen dem ‘Dandy’ und dem ‘Surfer’?

GL: Der Dandy, ist eine , eine Figur, die traditionell, also geschichtlich, am Ende des 18 bzw. Anfang des 19 . Jahrhundert auftaucht, ein sehr ambivalenter Begriff , der viele Antagonismen mit sich schleppt. Der Dandy ist ein ‘Relikt aus vergangenen Zeiten’, ein Relikt , daszum ersten Mal auftaucht im neuen, oeffentlichen Raum, der Strasse, des Boulevards, im oeffentlichen Park und dort provoziert.

HUO: Passagen…

GL: Passagen sind die Verkoerperung von etwas absolut Modernem, und gleichzeitig schaffen sie einen Freiraum fuer solche Antagonismen. “Alles absolut “Moderne ” ist auch immer das absolut “Un-er-traeg-liche”. Das ist genauso mit der Gegenwart: Wir koennen nicht in der Gegenwart leben, weil die Gegenwart unertraeglich banal ist, oder viel zu komplex, um ueberhaupt zu verstehen, wie man mit diesem Zeichen-Wust umgeht – Der Dandy versucht – und da liegt auch die Verbindung zu den Netzen – ein mehredeutiges Spiel zu spielen mit der Informationsflut und mit dem Ueberfluss. Die Obsession der Deutschen ist es , diese Flut einzudaemmen, dass man den Laerm und und das Rauschen unterdruecken muss in einer Art von krampfhaften Suche nach Inhalt und Sinn Und damit spielt also der Datendandy sein Spiel. In diesem Sinne ist der Datendandy auch eine Parodie auf Deutschland und alle Intellektuellen und Kuenstler, die nach dem grossen Sinn suchen. Damit meine ich Suche nach einem Sinn im Zeitalter eine (Informations-) Ueberflusses. Angesichts dieser Sinnsuche wird der Ueberfluss als Problem gesehen. Und ich halte das ja fuer gefaehrlich; diese Sinnzusammenhaenge wird jeder Einzelne machen. Es ist uns ein Anliegen , diese Aufgaben, die dem Kuenstler vom Buergertum auferlegt sind, abzulehnen! Wir brauchen keine Pfarrer mehr.

HUO: Aber im Internetkontext gibt es doch auch wieder diese Pfarrer. Wenn ich an Negropontes praetentioese Kolumne denke.

GL: Ja klar-natuerlich werden sehr viele Leute ihre eigenen Kontext-Priester haben, die sie anbeten. Und die fuer sie den Kontext fuer den taeglichen Inhalt herstellen. Das ist das naechste was zwangslaeufig kommen wird und was in Laendern wie Deutschland (vielleicht auch anderen Laendern Europas) sehr grossen Anklang finden wird, weil die Leute im Grunde sehr autoritaer denken und eine Autoritaet brauchen, die sie durch die Netze leitet und die alles andere, dem sie begegnen, als Noise interpretieren. Darin liegt die grosse Gefahr. In erster Linie sollten wir dafuer sorgen, dass wir elementare Rechte haben und nicht damit anfangen zu sagen, “der andere ist der banale”. Es ist ein gefaehrlicher und letztendlich ein elitaerer Standpunkt, zu sagen, die Homepages von den Privatbenutzern seien alle uninteressant . Letztendlich handelt es sich dabei um die Privat-Sphaere von Leuten und wenn es Astheten gibt oder Medien-Paedagogen, Kuenstler , Intellektuelle, die ueber andere Leute urteilen, dann ist damit immer eine ungeheuere Anmassung verbunden.

Wir befinden uns in einer Phase der Demokratisierung : Das Medium hat sich geoeffnet.Jetzt werden die Weichen gestellt, jetzt kommen sehr viele Leute rein und es eroeffnen sich viele Moeglichkeiten. Dass letztendlich dabei sehr viel Banales entsteht , befuerworte ich sehr . Wir werden uns nicht verordnen lassen, was Sinn macht und was Rauschen ist. Es haengt auch immer vom jeweiligen Kontext ab, in dem etwas stattfindet und gelesen wird. Wir koennen ja genausogut sagen: “Alles was auf Japanisch im Internet liegt, ist Rauschen! Das soll raus, weil wir es nicht lesen koennen !” Das geht einfach nicht.

HUO: Du hast ja wiederholt die Notwendigkleit eines vielsprachigen Internets betont und wiederholt Statements fuer eine sprachliche Heterogenitaet und gegen die englische Hegemonie gemacht.

GL: Ich beschaeftige mich sehr damit, weil ich selber gleichzeitig in drei Sprachen taetig bin im Netz.

HUO: Hollaendisch, Deutsch, und Englisch?

GL: Englisch bei Nettime ,Deutsch fuer Vortraege und Netzkritik-Sachen , die ich mit Pit Schultz zusammen schreibe und Niederlaendisch , was die Agentur-Bilwet -Sachen und einige meiner anderen Schriften betrifft. Die Digitale Stadt ist auch auf Niederlaendisch verfasst. Wir haben grosse Probleme, das irgendwie zusammenzufuehren, sind aber dabei , es zu versuchen,zum Beispiel Nettime jetzt dreisprachig in drei unterschiedlichen Listen zu fuehren. Gleichzeitig fuehrt das zu einem Uebersetzungsbuero im Netz, wo wir also verhandeln werden zwischen den verschiedenen Sprachen. Wir glauben stark daran, dass in der Demokratisierungsphase des Internets sehr viele Menschen ueber ihre eigene Sprache einsteigen werden.

HUO Viele Franzosen haben ja das Internet bis vor kurzem aus rein sprachlichen Gruenden abgelehnt.

GL Was mich daran stoert, ist, dass sie das Internet damit gleichsetzen, also glauben , das sei etwas Amerikanisches. Spanisch ist im Moment die zweite Sprache im Netz, es koennte genausogut Franzoesisch sein, wenn Franzoesisch die Sprache der Diplomatie ist, warum dann nicht die Sprache der Netz-Diplomatie, Also wenn wir richtig verhandeln im Internet , koennen wir genausogut Franzoesisch reden.. Die Franzosen sollen das nur einfordern.

HUO: Angesichts des Sprach-Universalismus durch die drohende Hegemonie des Englischen gibt es jetzt als Gegenreaktion gewissermassen immer mehr diese reaktionaere Forderung nach Partikularismus und Protektion. Nur ein Hin und Her zischen universalen und partikulaeren Elementen, ein Oszillieren koennte diese Negativspriale durchbrechen Ganz im Sinne von Ernesto Laclau…….

GL Die hybriden Formen sind die Allerschoensten.

HUO: Ja , wenn Sprache mutiert wird es interessant. Alles ist in permanenter Veraenderung.

GL: – Dass Leute sich in vielen Sprachen gleichzeitig verstaendigen werden. Man muss aber damit rechnen, dass vorerst Englisch die Umgangs-Sprache im Netz bleibt.

HUO Wie siehts Du das Verhaeltnis vom Lokalen zum Globalen?

GL: Das Lokale und Globale koennen sehr nahe beieinander liegen ; also sie sie koennen auf der Interface-Oberflaeche un-weit voneinander angesiedelt sein. An dieser Stelle muss ich vier Ebenen unterscheiden . Es ist wichtig, zusaetzlich zum Lokalen und Globalen die Begriffe des Regionalen und Nationalen hinzuzufuegen. Und vielleicht sogar noch eine fuenfte Ebene , naemlich die Sprach-Zonen. das Deutsche als Sprachzone ist zum Beispiel ein bestimmter Bereich, der etwa Hundert Millionen Menschen umfasst. Das wird sich in den Netzen so oder so herauskristallisieren. Nicht so sehr auf die Nation bezogen, sondern eher auf der Basis von Sprachzonen. In Japan ist es klar, dass die Sprache eine nationale Angelegenheit ist und sich mit Fragen der Nation, von Rassismus, und der Ausgrenzung von Minderheiten beschaeftigt. In Amsterdam zum Beispiel wird mit der Digitalen Stadt sehr grossen Wert auf das Lokale gelegt , weil sich die Leute gerne treffen wollen, auch im “meatspace”, in der Kneipe ums Ecke. Gleichzeitig gibt es eine grosse Beteiligung aus dem Ausland und beides geht kreuz und quer durcheinander, hin und her.

HUO Wie siehts Du in diesem Zusammenhang die politischen Provider? Und Nettime?

GL: Erster Teil der Antwort akustisch nicht verstaendlich…. Nettime is ja auch ‘n soziales Netz, fuer Leute die sich auch regelmaessig treffen.

HUO: Und die Society for the New Media, dieser Rahmen den ihr vorgebt…

GL:…. ist eine mittelalterliche Burg.

HUO: Also das Gegenteil von einem puristischen Cybercafe .

GL: Cybercafes sind mono -kulturell, denn sie beziehen sich nur auf EINE Kultur, die Cyber-Kultur der Westkueste , die immer noch nicht genug kritisiert und verstanden wurde. Man muss aufpassen dass die Kritik nicht zu einem simplistischen Anti-Amerikanismus fuehrt . Deshalb muss man diese Sache ins existierende Sozialgewebe einfuegen und das ist auf jeden Fall der laengere und muehsamere Weg als das schnelle Abkassieren.

HUO: Also gibts auch free access

GL: Ja, auf alle Faelle. genauso wie Digitale Stadt

HUO: Finden Events statt ?

GL: Ja, Ausstellungen und andere kleine Sachen. Die ganze Struktur ist aus De Balie und Paradiso hervorgegeangen Wenn etwas Groesseres angesagt ist, muessen wir es anderswo machen.

HUO: Wieviele Leute passen da rein?

GL: Um die Fuenfzig . Nicht so viel. Es ist als Produktions-Stelle gedacht, wo informell Sachen vorbereitet und getestet werden koennen, die dann spaeter ein ziemlich grosses Publikum erreichen werden.

HUO: Gibt es auch ein Labor?

GL: Wir haben auch ein Medien-Labor, wo gebastelt und Geld verdient wird. Das muss leider heutzutage zusammengehen . Die Zeit , wo man Subventionsgelder ueber lange Zeitraueme bekommt, um Forschungen zu betreiben, ist vorbei. . Es gibt vielleicht ein wenig Sponsorgeld, ein wenig Geld vom Staat; aber nur fuer ganz konkrete, zielgerichtete Sachen, die auf Ort und Stelle dann auch realisiert werden muessen.

HUO: Wie fianziert ihr Eure Aktivitaeten?

GL: Ueber eine Kneipe und ueber Auftraege.” Scheiss Websites” zu bauen, das tut mir manchmal leid. Wir sind jetzt auch dabei, einen richtigen politischen Provider aufzumachen, der auch unter anderen Bedingungen funktionieren wird. Der content provider, den wir vor zwei Jahren gegruendet haben, funktioniert bereits: Siebzig Kunstprojekte sind dort untergebracht, und das wird von Firmen finanziert , die dort auch ihre Maschinen stehen haben, die da gewartet werden. Mittels der Infrastruktur, die wir in den letzten zwei Jahren aufgebaut haben, sind wir heute in der Lage, “connectivity” umsonsty vergeben an viele Kunst- und Medien-Projekte; die also umsonst zu ihren Websites kommrn unf ihre Sachen entwickeln koennen.

HUO: Eine weitere Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang stelle, ist die Frage des Partizipatorischen, die Frage des Interface. Das Interface in den meisten Cybercafes ist pseudo-partizipatorisch, und laedt eigentlich nur zum passiven Vollsstrecken von a priori vorgebenen Moeglichkeiten ein.

GL: Und merkwuerdigerweise haben die Cybercafes nichts zu tun mit “public terminals”, also solche sind sie ueberhaupt nicht gedacht. Das heisst also, dass das Konzept von “public terminals” erst erfunden werden muss. Das ist eine Herausforderung auch an Kuenstler und Designer.

HUO: Wie siehst Du das konkret? Welche Entwicklungsmoeglichkeiten hat das Interface?

GL: Bei diesem Lesetisch zum Beispiel gab es einen der ersten Versuche ueberhaupt , diese ganze Netscape-Sache ,abzubauen, und damit dem WorldWideWeb ein radikal anderes Aussehen zu geben. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass es, genauso wie beim Telefonbuch sehr robuste Interfaces geben koennte, Interfaces , die man nicht, nicht vernichten kann, die Vandalen also nicht kaputtmachen koennen.

HUO: Benutzerresistente Terminals?

GL:….wie in einem Bahnhof weisst du, von Tausenden von Leuten benutzt .

HUO: Wasserfest…..

GL: – Ja genau, dass man auch mal pinkeln kann.

HUO: Und Kaffee – resistent…..

GL: In der oeffentliche Bibliothek der Stadt Stuttgart habe ich zum ersten Mal gesehen, dass Netzanbindung, eine grosse Auswahl von Cdroms, zusammen mit Videocassetten, Buechern, alles moegliche, was man sich so ausdenkt ,in einem Raum zusammenkam und von sehr viele Leuten benutzt wurde. In dem Raum gabs zehn Fernseher; die Leute haben sich dort hingesetzt mit Kopfhoerer und haben Satelliten-Fernsehkanaele gesehen von ihrem Heimatland . Das heisst, das beispielsweise ein Fernsehkanal aus Kasachstan hier empfangen werden kann- niemand verteilt es auf dem Kabel. Das heisst, wir koennen Leute aus anderen Kulturen die Moeglichkeit geben, fern zu sehen und die taeglichen Nachrichten zu sehen,. Dieses Angebot wird ungeheuer viel in Anspruch genommen, weil weil es natuerlich nicht ueberall arabisches Fernsehen gibt, zum Beispiel. Ich finde es sehr interessant, dass diese Medien-Vielfalt und kulturelle Vielfalt in einem Raum zusammenkommen , Und, und natuerlich auch die Viel-Schichtigkeit und Ueberlagerungen der Ueberlagerungen.

HUO: Diese Idee des heterogenen, rhizomatischen und partizipatorischen Archives fuehrt uns zu Richard Brautigan , der in seinem wunderbaren Buch ” The Abortion” eine unendliche Borgesianische Bibliothek fuer Buecher beschreibt, die keinen Verlag gefunden haben. Jedes Buch wird aufgenommen und die Bibliothek ist 24 Stunden geoeffnet.

GL: Das ist das Internet.

HUO: Es gibt zum Beispiel die Geschichte eines tausendseitigen Buches: Wie man Pflanzen zuechtet in einem Hotelzimmer, wo es kein natuerliches Licht gibt. Vor einigen Jahren ist aus der Fiktion Realitaet geworden und Brautigan Fans haben eine Brautigan Library eingerichtet. Mittlerweile gibt es schon Best of Brautigan Libraries , wo Verlage Texte aus der Brautigan Library verlegen.

GL: Man muss die Daten lieben, und pflegen und nicht Angst davor haben.

HUO: Wie findet denn die Auswahl statt , bei Nettime zum Beispiel?

GL: Bei Nettime heisst das “collaborative text filtering”. Es geht nicht nur darum zu sagen ‘Wir stehen fuer das Wuchern, und fuer das Chaos, und fuer eine hysterische Vermehrung von Komplexitaet” – ueberhaupt nicht! Nein! Es geht vielmehr um collaborative text filtering, also: zusammen zu einer sinnstiftenden Auswahl kommen. Nicht aus oekologischen Grunden, nicht weil wir uns beklagen ueber das Zuviel; sondern als Begehren, als kollektives Vorhaben, als Projekt.

HUO: Eine ganz andere Frage, Du arbeitest oft in Kollektiven: die Radiogeschichte, die Hausbesetzergeschichten.die Texte mit Bilwet. Also weg vom Cliche des poetischen Selbst oder in den Worten von Critical Art Ensemble: “To turn away from the revolution of everyday life and place cultural resistance under the authority of the poetic self, has always led to cultural production that is easiest to commodify and bureaucratize”.

GL: Das Autoren-Genre hat in hohem Masse dazu beigetragen, dass konsumiert wird. Heute ist es Rembrandt, morgen Vermeer. Ich glaube aber, dass die heutigen komplexeren Kulturzusammenhaenge nicht mehr ueber das Oeuvre des Einzelenen laufen und dass das ganze viel differenzierter ist, vielleicht auch weil ein Einzelner das alles nicht mehr in sich verkoerpern kann. Vielleicht hat Picasso das machen koennen, ja, oder Joyce oder Einstein – es gibt noch vereinzelte Beispiele im Zwanzigsten Jahrhundert; Ich glaube dass fuer viel mehr Leute im Moment kollektive Bezugspunkte zaehlen. Und die Beispiele, die ich erwaehnt habe, sind verschwindend klein. Es sind ganz kleine Avantgarden gewesen. Und wie haben wir darueber erfahren? Wie haben wir das ueberhaupt gewusst? Ueber die Massenmedien! Ueber die Massen-Verbreitung . Wir haben also eine Mikropraxis gehabt, und das wurde millionenfach vertrieben, veroeffentlicht, verbreitet. Der Einzelne und die Massenmedien sind verbunden. Genius/ kleine Avantgarde und Massenmedium sind ein Paar, das urspruenglich zusammengehoert. Was jetzt aber zusammengeht, ist eine Verbreitung, eine Demokratisierung, eine Vermehrung von Erfahrungen und Avantgarden , es gibt eine viel groessere Anzahl von Leuten, die Experimente durchziehen und solche Grenz-Erfahrungen machen und diese festhalten und als Erfahrungen weitergeben. Und, parallel dazu findet der Abbau der Massenmedien in Richtung einer Medien-Vielfalt statt.. Das Soziale der politischen und kuenstlerischen Bewegungen und die Kollektive gehen zusammen auf im Durchbrechen des Medien-Monopols. Ich glaube, das dieser Wille zur Freiheit, und dieser Wille, einen kreativen Raum zu haben, den wir in Anspruch nehmen koennen, sehr gross ist! Das heisst nicht, dass grosse Firmen einen Medienraum “erobern” ,d.h. fuer sich in Anspruch nehmen koennen. Das ist jederzeit moeglich! Aber wir sind sehr zahlreich und wir sind auch in der Lage, flexiblen Widerstand zu leisten,, es zu bekaempfen; wenn der Kampf verloren ist, uns wieder auf anderen Sachen einzulassen. Aber das erfordert einen extrem hohen Grad an Flexibilitaet und liegt das Problem: Darin, dass das bestimmte Grenzen
hat: physische Grenzen, kulturellen Grenze.

HUO: Und vorallem auch oekonomische Grenzen!

GL: Absolut. Das bedeutet auch, dass man ja sich manchmal auf ganz anderen Ebenen, auf ganz andere Hardware und Traditionen einlassen muss. Das mag ueberfluessig erscheinen. Zum Beispiel finde ich dass der ganze Bereich der Video-Kunst; die Erfahrungen, die in Achtiger Jahren damit gemacht wurden, in den 90er Jahren ins Netz einfliessen. Dasselbe gilt fuer den experimentellen Film. Dadurch koennten die visuellen Experimente und darausfolgenden Schluesse die uns jetzt vielleicht ein bisschen obsolet erscheinen auf einmal wieder relevant sein und zwar jenseits einer rein historischen Betrachtung.

HUO: Ich weiss nicht wie zu zu Groys und seiner Definition des neuen als eine permanenten Recombining Culture des Gegebenen.

GL: Das Problem dabei ist, dass es zwar so ist, aber dass man mit dieser Einsicht ueberhaupt nichts anfangen kann. Also, es ist an-und-fuer-sich nicht falsch, aber es fuehrt zu Nichts. Diese Einsicht loest nicht die copyright-Frage im Internet! Dass es ein Re[ne]gotiation ist: Das besagt Nichts! Dieser Kampf wird gefuehrt; “trotz Boris Groys” Es ist sehr leicht und einfach, diesen Glanz des Neuen zu kritisieren und wegzunhemen, es ist sehr einfach, enttaeuscht zu sein. Aber darin ist kein Versuch zu erkennen, die Anziehungskraft des Neuen – des angeblich Neuen –auf einen Punkt zu bringen. Und das finde ich schade; . Weil das vielleicht Einblick in in der Seele des Alltagsmenschen gibt Es hat auch nichts Energisches in sich, es rebelliert auch gegen Nichts, es ruft auch nicht zum Widerstand auf. Ich bin am Werden interessiert, nicht am Sein.

HUO: Im Datendandy warnt Ihr davor, dass der Koerper immer mehr verchwindet.

GL: Arjen Mulder, Mitglied der Agentur Bilwet, hat sein Grosswerk zu diesem Thema veroeffentlicht: “Der Koerper des Zwanzigsten Jahrhunderts,” Er ist in der Agentur Bilwet fuer alle Koerperfragen zustaendig, und er beschaeftigt sich mit der Schnittstelle von Medien, Koerper und Drogen. Ich glaube dass der Koerper als Rest, , als das das was an Maschinen haengt, ein Widerstandspotential in sich birgt. Damit meine ich alles Koerperliche , was trotz aller Versuche, den Koerper trockenzulegen, seine Wunschen zu entnehmen, seine seine Beweglichkeit zu nehmen , ihn zu disziplinieren, einfach weiterfunktioniert. Ich hab in diesem Zusammenhang auch ueber die die Ergonomie des Computers als Disziplinierung nachgedacht.

HUO: Es handelt sich dabei um eine freiwillige Disziplinierung.

GL: ja! Komischerweise. Eine Disziplinierung im reinen foucaultschen Sinne; also nicht nicht ‘von oben’. Vielleicht verkoerpert in einigen Institutionen, aber vor allem in einem selbst angelegte und eingeschriebene Disziplinierung. Wenn die Koerper Revanche nehmen: ,,dann manifestiert sich diese in der Form von von bestimmten Krankheiten oder aber auch in der Form von Ferien, Leute die einfach weggehen, freiwillig der Arbeit entfiehen. Die Idee der Erlebnisgesellschaft bezieht sich sehr stark auf koerperliche, sinnesgemaesse Erfahrungen. Und nicht so sehr auf abstrakte Entkoerperlichung.

HUO: Der Koerper als Wetware.

GL: Wetware als das, wozu wir verurteilt sind. Also die Essenz ist nicht die Persoenlichkeit oder die Identitaet , die sind fluessig geworden , lassen sich leicht veraendern. Die Wetware hingegen kann man nicht so leicht aendern. Vielleicht ist es auch eine ironische Geste zu sagen dass sich wetware nicht so einfach ueber brain interfaces anzapfen laesst; dass es da bestimmte, gegenseitige Bewegungen gibt, wo es also funkt und wo es Kurzschluesse gibt. Und dass wir die Wetware also in dem Sinne schaetzen und geniessen und nicht so sehr als Problem sehen – wie es die Entropisten machen, die das Nasse des Menschen als groesste Barriere sehen, um gaenzlich in diese Datensphaere zu emigrieren. Gleichzeitig kann man sagen, dass natuerlich ueber bestimmte Fluessig-Chips sich vielleicht ein ganz anderes Paradigma abzeichnet, und, dass die Chips immer fluessiger werden und im Alltag aufzugehen beginnen.

HUO Wie siehst Du die Position des Cyberpunk?

GL: Man koennte einen Schritt weiter gehen , indem man verweigert,als Journalisten diese kommende Realitaet zu beschreiben – ein Streik der Cyberpunks waere interessant.. Weil sie das, was im Kommen ist, nicht mehr beschreiben wollen, weil sie grosse Bedenken haben und sich befreien wollen aus dem zwingenden Mechanismus : sich davon befreien ,dass sich das ,was man beschreibt ,auch realisieren muss. Einen aehnlichen Sachzwang kann man bei der Gentechnologie beobachten. ALSO EIN SCIENCE FICTION STREIK!!! Es geht auch um den Abschied vom Zeitalter des Spekulierens, in meiner eigenen Branche auch, in der Medientheorie.

HUO: Dass es auch wieder mit realer Praxis in der Gegenwart zu tun hat!

GL: Dass man also nicht so sehr allgemeine Konzepte entwickeln muss, sondern gezielte ” kleine Praktiken”, die das Jetzt verkoerpern; und und die nich so leicht in einem anderen, fremden, sehr kommerziellen Kontext einzusetzen sind. Cyberspace ist kein allgemeiner Prozess, sondern ist was wir heute machen. Die Zeit der Konzepte ist einfach vorbei ist. Ein Konzept kann man schon noch benutzen, aber dann wird es ein Modell, und das Modell soll soll funktionieren. Es geht darum, ueber Sachen nachzudenken, die in eine ganz entgegengesetzte Richtung gehen. Historische Studien sind da interesssant, dass wir also, die Vorgeschichte dieser Medien gut kennen. Wenn es hybride bleiben soll, bedeutet das, dass wir auch eine grosse Vielfalt an Geschichten aufnehmen muessen; und dass wir auch eine Rueckkehr erleben der Kritik; Kritik also nicht als pauschales Aburteilen im zynischen Sinne, sondern Kritik verstanden als Disziplin und als Verfahren, um Kriterien aufzustellen und Differenzierungen anzubringen; und , Kritik wieder zu sehen als etwas, was ueber das allgemeine Spekulieren hinaus bestimmte Positionen beschreibt . Die Technologie ist jetzt nicht mehr in den Laboratorien; die Technologie ist ausgesetzt, also sie ist, sie ist ausgebrochen aus dem Zoo. Und die Medientheorie der Achtziger Jahre ist nicht so darauf vorbereitet. Sie ist nicht in den Gesellschaftswissenschaften eingesiedelt, die ganze Kittlerschule kommt ja aus der Literatur und Philosophie; vielleicht gibts auch Versuche wie bei Luhmann,, also die Gesellschaftwissenschaft dort einzubeziehen; aber das sind sehr formale Versuche. Ich hoffe , dass, demnaechst eine sehr reiche Tradition des Wissens hinzukommt; naemlich die politische Oekonomie der Netze. Dass wir verstehen, dass wir inmitten der Gesellschaft stehen, dass wir auch gewissen oekonomischen Sachzwang unterworfen sind und dass es unseren Alltag bestimmt.